Vierzig

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Es war wohl das schlimmste Unwetter, das er erlebt hatte, seitdem er in Leben angekommen war- es war also perfekt; der Regen klatschte gegen die Fenster, ein eisiger Wind zog durch das Haus, das nie seines gewesen war, in welchem er sich aber trotzdem so sehr zuhause fühlte; mit bangem Gefühl sah er nach außen, er trug Mantel und Hut, damit es ihn auch ja nicht frieren würde, wenn er gleich, sobald das Unwetter am nähesten sein würde, aufs Dach hinaufsteigen würde.
Der Zeitalmanach auf dem Tisch war aufgeschlagen, mit der Seite, die Dominik zeigte; Dominik Zone, das Beste, was Leben zu bieten hatte, der beste Mensch, die beste Person, die einzige Person, die Tim von Anfang an das Gefühl gegeben hatte, ein Teil von Leben gewesen zu sein. Von der ersten Sekunde an, sobald der Schneider ihn gesehen hatte, über das Florafest, die Kinder, Das Meifest.. Tim zuckte zusammen, als er ein Donnergrollen hörte, lauter als alle zuvor; im Geiste begann er wieder zu zählen, und als der Blitz schon bei sieben zu sehen war, da wusste er, jetzt wurde es Zeit.
Die Antenne, die er mithilfe von Manuel Elpeh gebastelt hatte, fest in der Hand, verankert mit dem Kabel, das hinunter zum Fluxkompensator führte; er richtete den Hut, sah ein letztes Mal auf den Almanach hinunter, der ihn anfunkelte- aus einer plötzlichen Laune heraus, weil es ihm wichtig vorkam, nahm er den Almanach an sich, steckte ihn in die Kiste, die über seinem Bett stand; wieder ein Grollen, und Tim öffnete die Türe zur Treppe, die er nun hochsteigen müssen würde. Es musste funktionieren, es musste gut gehen, sonst hätte Cassandra es ihm niemals vorgeschlagen; nein, er brauchte jetzt Vertrauen in die Göttin, die ihn durch sein gesamtes Abenteuer geleitet hatte, er durfte jetzt nicht an Cassandra zweifeln. Mit einem Stoßgebet begann er, die Treppe zu erklimmen, immer darauf bedacht, nicht zu stolpern, immer darauf bedacht, nichts falsch zu machen. Ein Donner, und er begann zu zählen, bis er schließlich auf dem Dach stand; der Wind blies ihn beinahe davon, dank des Regens war er innerhalb einiger Sekunden komplett durchnässt, der Hut diente als Regenrinne, das Wasser lief ihm in die Augen- nicht besonders appetitlich; ein Blitz erhellte den Himmel und erinnerte ihn an seine Aufgabe, die er hier war, zu erfüllen. Für Manu, für Dario, für sich selbst- er musste zurück nach Köln, auch wenn es hieß, daheim zurückzulassen.
Wild entschlossen kletterte er auf die Spitze des Flachdaches, positionierte sich so, dass der Strom würde gut zum Fluxkompensator durchfließen können und hielt dann die Antenne in die Luft; er war das Höchste in der gesamten Stadt nun, es hieß nur noch warten, zählen. Ein Donnerschlag durchriss die Luft, und Tim meinte, die Spannung fast schmecken zu können, er streckte sich noch ein bisschen, schloss die Augen. Zurück in die Zukunft, damit hier alle eine Zukunft haben konnten. Ob es auch in Köln eine Hazellyn Schmidt gab, die eine Femke hatte? Ob er sie kennen lernen konnte? Ob sie auch dort noch Hexen gab? Ein erneutes Donnergrollen.
Eins, zwei, drei, vier..
Er fühlte noch, wie der Blitz in ihn einschlug und alles in ihm lahmlegte; er fühlte noch, wie es den Bode unter ihm wegriss. Er fühlte noch, wie er fiel.
Und dann fühlte Tim Bergmann gar nichts mehr.
Und dann wurde alles schwarz.
Die Welt wurde still.

Und stiller.

Still.

Timetraveller.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt