Neununddreißig

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Nun, gut.
Vielleicht war es nicht sein Lieblingsort; sein Lieblingsort war der Hain Cassandras- oder die furchtbare Kirche der Triforcianer- oder das Haus von Fräulein Schmidt- das Laboratorium von Fräulein Histories, wo doch so viel stattgefunden hatte- der Marktplatz, auf dem er zum ersten Mal mit Dominik getanzt hatte- sein Haus, Femkes Zimmer- der Platz, auf dem die Redaktion hätt gebaut werden sollen, irgendwann.
Aber unter den Top 20 war sie ganz sicher, die Schlossinsel der Maudadisten.
Er lehnte den Kopf auf die Knie, während er am Ufer saß und träge über den See schaute; dort hinten war das Haus des Bürgermeisters, das er sich mit dem Gott der Maudadisten geteilt hatte, dort war das Haus von Richter Unge, mit der Harlekinsmütze; dort sein eigenes, das er so lieben gelernt hatte; dort hinten konnte er Darios Haus sehen, die Kirche, in Nähe das Haus des Seargents, mit dem er eine Freundschaft hatte aufbauen können; das Haus von Fräulein Schneegeistchen.
Mit leichtem Lächeln dachte Tim an alles zurück, was hier passiert war, in diesem irren Dorf, irgendwo im Mittelalter; mit ihren verrückten Göttern, ihren Glaubensfeden und dazwischen, wie Lichtstrahlen, die Kinder, die es in diesen Städten gab.
Zuerst seine, die er mit Dominik behütet hatte- er musste lachen, bei der Erinnerung an Sarah Histories, die Dario angehimmelt hatte, immer um ihn herumgeschwirrt war, obwohl sie doch älter war. Sein Herz hüpfte etwas bei der Erinnerung an das Meifest, bei dem er und Dominik sich so nahe gewesen waren; ein trauriges Lächeln erschien beim Gedanken an Hazellyn Schmidt, die verrückte Hexe mit dem guten Kern, die ihm eines der schönsten Dinge aus Leben geschenkt hatte, nämlich Femke.
Und selbst hier, auf der Schlossinsel gab es etwas, was ihn an einen vorangegangen Tag erinnerte; wie Dario weggelaufen war, er das Kind wieder eingefangen hatte, und sich zum ersten Mal bewusst geworden war, dass dieses Wesen sich auf ihn verließ, in diesen Wochen, das sie mehr als nur Dorfbewohner wurden, so langsam aber sicher; das Tim sie nicht mehr nur als Nervensägen sah, sondern als seine Familie, seine Kinder. Damals hatte er zum Ersten Mal wirklich begriffen, was ihm jetzt ganz klar vor Augen stand- dass Leben mehr war, als nur ein Ort im Mittelalter, in den er durch Zufall gekommen war; sondern, dass Leben ganz ehrlich ein Ort war, an dem er zuhause war, an den er gehörte. Leben war sein Zuhause geworden- er konnte sich nicht mal vorstellen, nach Köln zu kommen, und dort zuhause zu sein; er konnte sich nicht vorstellen, am Abend nicht zu Dominik und Femke nach Hause zu kommen. Er konnte einfach nicht-
Aber es war vorbei, und als die Sonne über dem Himmel unterging stand er auf, seufzend, und machte sich auf den Weg zu seinem Haus; nun galt es, die Traurigkeit soweit zu verdrängen, dass er atmen konnte.
Nun galt es endlich zu gehen.

Wäre es nicht so traurig, so würde Tim über Dario Verzögerungs geschockten Blick lachen; Manuel Elpeh hatte nicht so viele Probleme damit, der lachte aus voller Kehle, während der Hauptmann vor dem DeLorean stand und zitterte, den Mund sperrangelweit offen, die braunen Augen voller Angst und Unverständnis.
„ Also", begann der Hauptmann, schüttelte dann aber den Kopf, führte den Satz nicht weiter, so sehr stand ihm der Schock, die Verblüffung ins Gesicht geschrieben. Tim beobachtete, wie Manu von hinten zum Hauptmann ging, ihm locker den Arm umwarf, dann frech grinste, als dieser zusammen zuckte; der Sektenführer kicherte immer noch, ließ es auch nicht, mit der Hand vor dem Gesicht Darios herumzuwedeln, wie um zu überprüfen, ob dieser auch noch zurechnungsfähig war- um fair zu sein, Tim hatte nicht geglaubt, dass es besser laufen würde- immerhin hatte Dario noch nicht begonnen zu schreien, und vielleicht würde er auch nicht ohnmächtig werden, was in der Vorstellung des Redakteurs alles noch realistisch gewesen wäre.
„ Also", begann Dario erneut, „Du bist ein Zeitreisender- und Sie sind ein Zeitreisender, Herr Elpeh-"
„ Manu, bitte.", sagte der Triforcianer, lächelte schief.
„ Den Teufel werde ich tun. Aber ich dachte es mir doch, dass Sie beide unter einer Decke stecken!", rief Dario aus, und Tim seufzte innerlich; Wut, damit hatte er auch noch gerechnet. Und nun musste er es eben über sich ergehen lassen, dass alles, „Aber gerade von dir habe ich mehr erwartet, Tim! Schlimm genug, dass du so einen komischen Glauben hast, nein, und mir meinen Freund nimmst, du gehörst ja nicht mal hierher, in mein Jahrhundert; ach Quatsch, in mein Jahrtausend!", rief der Rothaarige, atmete dann geräuschvoll aus, sah auf den Boden, „Also: Was muss ich tun, dass ihr so schnell wie möglich von hier verschwindet, dass ihr möglichst schnell aus meiner Stadt weg seid?", fragte Dario sanft, auch wenn er immer noch einen gereizten Unterton in der Stimme hatte, „Was muss ich tun, damit ihr mein Dorf in Ruhe lasst, wo braucht ihr Hilfe?"
„ Danke", sagte Tim schlicht, streckte dann die Hand in Richtung Manu aus, „Den Fluxkompensator, bitte.", sagte er, hielt das Gerät dann in die Luft, „Damit; Dario, wir brauchen deine Hilfe damit. Das hier ist der Fluxkompensator- den hat Manu mal aus meinem Auto ausgebaut, und eigentlich sollte er leuchten; dann hätte er genug Energie und Strom- was das ist, musst du nicht wissen- um mein Auto in Betrieb zu setzen und uns hier wegzubringen. Aber dazu brauche ich Elektrizität, um den wieder aufzuladen", erzählte er, Manu nickte, Dario sah nur noch fertiger aus als zuvor, „Elektrizität bekommt man von Blitzen", klärte er dann den Hauptmann auf.
„ Und wie kommen wir daran? Wir haben keine Hexe mehr, ich könnte einen Tagesritt nach Marc unternehmen und Sarah holen", schlug Dario vor, und der Name der Stadt schickte einen kleinen Stich durch Tim; Marc, die Stadt, in der Dominik war- doch er wusste nicht, ob er den Plan durchziehen könnte, wenn er den Anwalt noch einmal sehen würde, er wusste nicht, ob er Femke..
„ Das wird nicht nötig sein", sagte er deswegen schnell, „Cassandra ist mir erschienen", fügte er hinzu, „Und sie hat mir gesagt, wie wir das machen müssen; ich brauche nur eure Hilfe, Eisen durch mein Haus zu verlegen", begann er, und die Blicke der beiden Männer wurden immer misstrauischer, doch schließlich, am Ende seiner Erklärung, nickte Manuel Elpeh.
„ Du weißt, dass du dabei sterben könntest, nicht?", fragte der Sektenführer, und Tim nickte, „Aber ich vertraue deiner Göttin da mal. Meine Hilfe hast du.", sagte er, „Auch wenn ich nicht begeistert bin, Leben zu verlassen."

„ Es ist für alle das Beste", sagte Dario leise, „Wenn Ihr beide auch weg seid, dann gehe ich ebenfalls nach Marc.", murmelte er dann, Tim schluckte schwer, legte dem Hauptmann die Hand auf die Schulter.
„ Dann möchte ich dich um eines bitten", flüsterte er, so leise, dass Manu es nicht hören konnte, „Kümmere dich um Dominik- erzähl ihm, was geschehen ist. Und.. Meine Tochter.", sagte er, „ Ich will, dass du und Dominik sie groß ziehen; und wenn du eines Tages Hazellyn Schmidt triffst, dann..", brach er ab, der Hauptmann nickte nur, sah ihn dann mit ernstem Blick an, „Dann entschuldige dich bitte bei ihr."
„ Du hast meine Hilfe, Tim.", sagte Dario, sah dann durch das Fenster nach außen, „In einigen Tagen wird ein Sturm aufziehen- meint ihr, bis dahin haben wir alles geschafft?"
„ Wir müssen.", sagte Manuel schlicht; einige Minuten später erklärten sie ihr Treffen für beendet, und Tim beobachtete, wie die beiden in verschiedene Richtungen davon gingen, während er selbst in der Türe stehen blieb; es gab vermutlich keine Menschen in Leben, die ihm so unterschiedlich und doch so gleich waren wie Manuel Elpeh und Dario Verzögerung. Vor allem Dario- sie waren zwei Seiten einer Münze, fiel ihm auf, beide mit so vielen Menschen, die ihnen wichtig waren, und von denen sie getrennt waren. In diesem Moment war ihm Dario Verzögerung nicht länger ein Rätsel, das er nie hatte lösen können; in diesem Moment waren sie dieselbe Person, die nur anders geformt worden war.
Er legte sich zu Bett, was sich falsch anfühlte, mit so viel Platz; an die leere Wiege im Anderen Raum wollte er gar nicht denken

In ihm machte sich zum ersten Mal die Angst breit, dass Dominik zurückkehren könnte, um ihn mit zu nehmen, nach Marc, aber es war besser so; er würde Leben niemals verlassen, wenn er den Anwalt noch einmal sehen würde. Dario würde sich gut um seinen Geliebten kümmern, würde sich gut um Dominik kümmern; er versuchte sich, diese andere Stadt vorzustellen, in der Femke aufwuchs, zu einem wunderschönen, jungen Mädchen, mit lockigen, schulterlangen roten Haaren; sie würde auf der Wiese tanzen, und dann zum Fenster hochschauen, zum Balkon, vielleicht? Und auf diesem würde Dominik stehen, er war immer noch Anwalt. Es würde ruhig sein, der Andere würde sich umdrehen, lächeln, während Dario auf ihn zukam; in Marc würde der Andere ruhiger werden, sanft grinsen, dann einen Kuss auf Dominiks Lippen drücken- Dominik würde darüber hinwegkommen. Er musste.
Tim hatte gar nicht bemerkt, dass er weinte, doch nun spürte er die Tränen auf seinem Gesicht ganz deutlich, drehte sich schnell zur Seite, vergrub das Gesicht in seinem Kissen; besser nicht zu viel nachdenken, er musste morgen früh raus, es galt immerhin, einen Abschied aufzubauen. Vielleicht war es wirklich am besten, wenn er Leben still verließe, dann konnte er immerhin niemandem mehr wehtun; und er könnte auch sich selbst nicht mehr wehtun

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Wir merken die Finalstimmung, ne?
Bald ist Leben rum..... Ich bin gespannt.
- hanna.

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