Achtundzwanzig

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Die Stadt war wie ausgestorben, als Tim schließlich - nachdem er noch den ganzen Tag im Bunker gesessen und die Maudazei verflucht hatte - nach Hause ging; zwar war es eigenartig ruhig, doch bei jedem Geräusch zuckte er zusammen, versteckte sich hinter Gebüsch oder Bäumen. Es dauerte somit auch seine Zeit, bis er überhaupt daheim war und sich in das verschachtelte Haus verkriechen konnte; kein Licht brannte, und es stieß Tim übel auf, denn das konnte nur eines heißen. Dominik war nicht hier, war nicht zuhause - ob der Anwalt überhaupt von Tims Verschwinden mitbekommen hatte? Ob es ihn überhaupt noch kümmerte?
Im Magen des Redakteurs brannte eine Mischung aus Wut, Trauer und dem Gefühl, ganz schön missverstanden zu sein.
Am Küchentisch lagen immer noch einige Zettel und obenauf der Brief des Spielemeisters, den Tim jetzt in die Hand nahm. Eine Sekunde starrte er das Papier nur an, ohne etwas zu verstehen, dann überkam es ihn; ein wütender Schrei formte sich in seiner Kehle und bevor er es wusste, hatte er den Brief schon zerrissen; doch er hatte gerade erst angefangen, so dass nun die Zeitung daran glauben musste, ein Bild des Hauptmannes, Zuschriften, die er bekommen hatte - alles. Was ihm in die Hände geriet, alles musste daran glauben und das Zeitliche segnen. Er schrie seine Wut nach außen und seinen Hass auf die Götter, auf die Maudazei.
„ Tim?"
Er wandte sich um, immer noch rasend vor Wut - und innerhalb einer Sekunde wurde alles langsamer. Seine Wut verpuffte, seine Gesichtszüge entspannten sich, alles in ihm kam schnell zur Ruhe, kam schnell runter.
„ Dominik", sagte er; mit einigen langen Schritten war er bei seinem Anwalt, der ihn aus großen Augen ansah.
„ Was suchst du hier? Warum bist du nicht -", fragte der Brünette, schluckte dann schwer, „Ich meine - Warum bist du hier? Und nicht...", versuchte er es erneut, seufzte dann erneut. „Es wird eine solche Katastrophe werden, Tim. Die gesamte Maudazei sucht dich. Hier waren sie schon, bei mir, bei Hazellyn", begann Dominik, stockte dann, „Dario... Dario ist durchgedreht. Er wollte Hazellyn auspeitschen lassen, weil er ein Kruzifix in ihrem Haus gesehen hat; Osaft unterstützt ihn dabei, sie haben Hazellyn Schmidt eingesperrt", flüsterte Dominik, „Wenn sie dich finden, bist du in Lebensgefahr. Du darfst hier nicht sein, Tim. Dario, er... Dario hat Hazellyn Schmid geschlagen, er ist durchgedreht."
„ Dario hat - was?", fragte Tim, sein Inneres wurde eigenartig dumpf, „Er kann doch nicht - er kann doch keine Frau geschlagen haben - eine schwangere Frau!", sagte er ungläubig und für eine Sekunde war es still, dann warf sich Dominik in seine Arme, umklammerte ihn; Tim fühlte sein Schluchzen daran, wie er zitterte; immer noch etwas ungläubig legte er seine Arme um den Kleineren, der zitterte und sich schüttelte, als würde er auseinanderfallen.
„ Ich hatte solche Angst um dich!", sagte Dominik mit Nachdruck, „Ich hatte solche Angst um dich - du bist verhaftet worden und ich hatte solche Angst, dass sie dich als Ketzer verbrennen, oder als Hexer, oder -", sagte er, die dunklen Augen hatten Tränen in sich, „Ich hatte solche Angst, dass sie dich umbringen, ohne dass du einen Prozess bekommst", flüsterte Dominik und Tim fuhr durch die dunklen Haare. Sein Inneres war immer noch etwas taub von der Schreckensnachricht, doch sein Herz wurde warm, klopfte schneller, „Also bin ich zu Herr Osaft und habe einen Prozess für dich beantragt. In zwei Wochen", flüsterte er, „Zwei Wochen, dann bist du wieder frei - Tim, bitte sag mir, dass du nicht der Spielemeister bist."
„ Nein", flüsterte Tim zurück, „Ich bin es nicht. Und ich weiß auch nicht, wer es sein könnte", fügte er hinzu, strich über die Wangen seines Geliebten, „Danke."
„ Ich bin dein Anwalt", sagte er, „Und ich werde auch der von Hazellyn sein, wenn sie vorgehen will. Sie sah so furchtbar aus, Tim."
„ Was ist passiert?", fragte Tim, denn ihm fiel jetzt auf, dass das scheinbar das war, was Dominik gerade am meisten beschäftigte.
„ Ich war bei ihnen zu Besuch, um mit Herr Lawrence etwas zu reden und Fräulein Schmidt im Haushalt zu helfen - und weil ich es hier nicht ausgehalten habe; es hat geklingelt und da stand die Maudazei. Wollten das Haus durchsuchen, und als Hazellyn sie abgewiesen hat, da hat Dario -" Dominik stockte, schüttelte den Kopf, „Da hat Dario zugeschlagen - zuerst nur ins Gesicht und dann auf den Kopf, und sie ist umgefallen; er hat dann gesagt, er würde sie bald vorladen, für ihre Ketzerei", sagte er leise und Tim beugte sich nach vorne, küsste Dominik, um den Kleinern von den Bildern in seinem Kopf abzulenken.
„ Alles wird gut", flüsterte er, als sie sich voneinander lösten, „Ich pass' auf dich auf", fügte er an, auch wenn es albern klang, „Ich verspreche dir, Dario kann dir nichts antun."
„ Er ist mein bester Freund", schluchzte Dominik auf und Tim nickte nur, zog den Brünetten näher an sich, mitten in der Küche; sie blieben so lange dort, bis Dominik müde wurde, dann gingen sie nach oben, kuschelten sich aneinander, nur um dem anderen zu zeigen, dass sie da waren und sie sich vor nichts fürchten mussten. Zumindest nicht für diese Nacht; und in seinem Kopf ging Tim alle Möglichkeiten durch, wie sein nächstes Treffen mit Dario verlaufen würde. Den Kuss hatte er schon längst vergessen, nun drehte sich alles darum, wie er dem Hauptmann den Schlag gegen Fräulein Schmidt vergelten würde.


tatsächlich eine meiner Liebsten Stellen aus TT- so far.
Die nächste Woche schreibe ich wieder etwas weiter, doch es kann sein, dass TT ab sofort nur noch zweiwöchig kommt, weil ich noch den Uploadtag für RED suchen will [Red ist Dario/Femke NdZ]
Meinungen?
- Johanna.

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