Dreiundzwanzig

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Die Tage zogen sich dahin, und Tim steckte mehr Zeit als sonst in die Zeitung, er war soweit, dass die Bewohner des Dorfes fast jede Woche eine kleine Ausgabe hatten; er wusste sonst nichts mit seiner Zeit anzufangen, also floss sie komplett in dieses Projekt. Es war auch das einzige, was ihn von dem drohenden Unheil, welches sich „Spielemeister" nannte, ablenkte. Dominik hatte ihn kritisiert, nachdem er stundelang nur über diese Thematik gesprochen hatte, weswegen er diese.. Gruselgestalt nun fast vollständig aus seinen Gedanken verbannt hatte; nur, wenn er nachts wieder aus Albträumen erwachte, kam es zurück zu ihm. Dann lag er wach, neben ihm Dominik, der ihn nur anschnarchte; manchmal wachte der Anwalt auch auf, saß dann mit ihm wach und redete beruhigend auf ihn ein. Das waren die besseren Nächte.
Er schrieb Tag und Nacht an dieser Zeitung, ging sonst auf den Markt, sprach viel mit Fräulein Histories, doch den Vorfall erwähnten sie nie, redeten sich immer geschickt darum herum. Eigentlich hatte Tim beschlossen, nie mehr über diesen Vorfall nachzudenken, nie mehr an den Spielemeister zu denken, nie wieder auch nur irgendetwas damit zu tun habe zu wollen. Und dann war Dario Verzögerung mit dem Haus und der Post in die Türe gefallen.
„ Herr Bergmann", wiederholte der Hauptmann nun, gepresst, zynisch wie eh und jeh, „Ich bitte Sie. Wir haben nun schon Nachrichten gekriegt, und ich möchte Sie bitten, dass Sie mit mir zu Herr Gespräch und Herr Takaishii gehen", fuhr der Hauptmann fort, „Nur um sicherzugehen, dass wir nicht falsch liegen. Der Spielemeister ist uns nun auch in unseren Reihen der Maudazei nicht unbekannt, und wenn schon explizit nach Ihnen verlangt wird- ich weiß, ich bin nicht in der Position, Sie- dich um etwas zu bitten, aber- Bitte."
Tim sah auf den Boden, dann zu Dario hoch, der ihn aus diesen funkelnden, braunen Augen ansah, komplett ernst. Und dann nickte er sanft.
„ Ich vertraue dir da jetzt mal, Dario. Aber kein Wort davon zu Dominik.", sagte er leise, und Dario nickte, hielt ihm dann die Hand hin, mit hochgezogenen Augenbrauen; zögernd schlug Tim ein, und für eine Sekunde war da etwas Anderes im Blick des Maudadisten, dann ließ dieser Tims Hand hastig los, sah auf den Boden.
„Dann möchte ich, dass wir uns morgen früh hinter dem Haus von Herr Takaishii treffen", sagte Dario leise, sah auf den Boden und dann wieder zu Tim, „Kann ich auf dich zählen?"
„ Immer", flüsterte Tim, und sein Gegenüber lächelte, mit den Lippen und bis hoch zu den Augen, die glänzten, wie er es noch nie gesehen hatte. Das Bedürfnis, Dario in den Arm zu nehmen war fast überwältigend, doch Tim schüttelte es hastig ab, sah dann zur Türe, „Und kein Wort davon zu Dominik, hörst du? Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht- du kennst ihn, er würde sich auf jeden Fall Sorgen machen, sowohl um mich als auch um dich.", sagte er, und der Rothaarige lachte etwas, stand dann auf und nickte etwas.
„ Verstanden", wiederholte der Hauptmann, „Auf Wiedersehen, Tim. Ich muss jetzt los, ich habe Fräulein Histories versprochen, ihr den Kessel zu verschieben."
Tim nickte nur wieder, sah auf seine Bätter hinab, die er vor sich liegen hatte, und las sie zum wiederholten mal durch; Infos über den Spielemeister, er strich über die Seiten, aus dünnem Papier und mit sehr durchdrückender Schrift. Nun gut, er war nicht besser, mit seiner engen, unordentlichen Schrift, daheim hatte er nie auch nur eine Zwei auf Schönschrift bekommen, während seine Sitznachbarin damals die schönste Handschrift unter der Sonne hatte vorweißen können; als Kind war er immer sehr neidisch auf sie gewesen; wenn er sich richtig erinnerte, war ihr Name Sophie gewesen, aber das war ja auch schon seine Zeit her, jetzt. Er seufzte, wandte seine Augen endgültig zu dem Papier und las, nochmal und nochmal. Mit zusammengezogenen Augenbrauen und Unverständnis; das klang nicht wie die üblichen Nachrichten des Spielemeisters, es war nicht derselbe Klang, aber was wusste Tim schon? Vielleicht bildete er sich das auch nur ein, oder er hatte die Nachrichten nicht mehr richtig im Kopf, es konnte alles Mögliche sein. Aber irgendetwas an diesem Brief war falsch, war anders als sonst. Er fuhr sich rau über den Bart, den er die letzten Tage hatte wachsen lassen, er hatte es wohl einfach vergessen. Und er wusste, dass es Dominik gefiel, das war vielleicht auch ein Grund. Dominik. Der bald zuhause sein würde; er musste den Brief des Spielemeisters noch wegräumen, bevor der Anwalt wieder nach Hause kommen würde, er konnte dieses Schriftstück dann nicht hier offen liegen lassen, ohne dass sich sein Geliebter wieder Sorgen machen würde. Er stand auf, streckte sich einmal und ging nach unten, zu seinem Arbeitsplatz; seine Augen glitten kurz über die Klappe, die nach unten in den Keller führte, und die er erst letztens benutzt hatte. Ein kleines Ziehen in seiner Bauchregion, dass er schnell als Heimweh erkannte, machte sich bemerkbar, doch wurde schnell überlagert von den Gedanken an die Leute Lebens, die er mehr liebte, als er es selbst für möglich gehalten hätte.
Mit einem Kopfschütteln wendete er sich von der Klappe ab, mit einem leichten Lächeln trotz allem; er öffnete seine Kiste und legte den Zettel ordentlich ab, stockte, als er die Türe aufgehen hörte, und Schritte auf dem Holzboden hörte, die nach unten kamen. Tim schloss die Kiste und sah sich um, sein Inneres wurde warm, als Dominik Zone die Treppe hinab kam, mit dem üblichen, warmen Lächeln, den gleichen, sanften Augen wie er sie von daheim kannte. Aber wo war daheim, eigentlich? War es hier, in Leben, in diesem Moment, in dem Dominik auf ihn zukam und ihm einen Kuss auf die Lippen drückte? War es in einer Wohnung in Köln, mit PC und einer kleinen Frau, die ihn aus dunklen Wimpern ansah und die Arme grinsend verschränkte? War es in Leben, auf einem kaputten Sofa mit abgesessenen Kissen, mit einem Buch in der Hand und fünf Kindern, die alle Aufmerksamkeit haben wollten? In Hamburg, in seinem Elternhaus, mit strahlender Sonne und den Leuten auf den Landungsbrücken?
„ Du bist so abwesend", flüsterte Dominik ihm zu und riss Tim somit aus seinen Gedanken; er zuckte mit den Schultern, schüttelte dann etwas den Kopf und sah auf den Kleineren vor ihm hinab, der ihn vorwurfsvoll angrinste, „Wo bist du nur immer mit deinen Gedanken, Tim Bergmann?", fragte er.
„ Jetzt bin ich ganz bei dir", flüsterte Tim leise, sah in die grünen Augen, die er mittlerweile in der Dunkelheit erkannt hätte; sein Herz klopfte schneller.
„ Was garantiert mir, dass du ganz bei mir bist?", fragte Dominik, genau so leise, und Tim lächelte sanft, verdrehte die Augen bevor er sich nach unten beugte, seine Lippen auf die des Anwalts drückte, nur vorsichtig, und nur eine Sekunde.
„ Das", murmelte er, „Und das", fügte er an, drückte einen Kuss auf Dominiks Nase, „Und da"- Lippen gegen dunkle Haare- „Und das"- Lippen gegen Hals, und fast gierig wurde Tim nach oben gezogen, der Anwalt küsste ihn innig.
„ Ist ja gut, Bergmann. Bitte geh nur nie wieder weg"
Tim lachte, ließ seine Hände durch braunes Haar gleiten, seufzte dann leise.
„ Ich meins ernst", wiederholte Dominik seinen Satz, „Tu mir den Gefallen. Bleib für immer hier, mit mir. In Leben."
In diesem Moment war es so einfach, sich vorzustellen, dass er für immer hierbleiben könnte, in Leben; Dominik und er, zusammen, in dieser Zeit. Immer. Doch so einfach war es leider nie, zumindest in diesem Fall.
„ Ich bleib bei dir", sagte er leise, und dann das, was er sich gerade so sehr wünschte, „Immer. Immer, Immer.", wisperte er und drückte Dominik an sich, als würde er sonst ertrinken, „Versprochen"
„ Tim?", hauchte der Anwalt ihm zu, vorsichtig, schüttelte dann aber nur den Kopf, „Es ist mir entfallen", flüsterte Dominik, und Tim drückte die Hand seines Geliebten, flüsterte die Formel für den Ring und grinste, als Dominik eben jenen ansah, mit glänzenden Augen. Warum um das offensichtliche gehen?
‚Ich liebe dich'


Ja, hallo!
Ich bin froh, dass das hier so gut gelesen wird, tbh?? Danke für die ganzen Votes letzten Part; anyways, Leben ist rum, ich werde die nächste Woche aussetzen maybe, damit ich ein bisschen Grip auf Desperado kriege- ich bin jetzt schon im Krieg mit der Wüste und der Insel, es stehen nur Bruchstücke.

Meinungen?
- Johanna.

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