Nevada
„Vade!" Stöhnend presse ich meine Lippen aufeinander, als ich meinen Ellenbogen gegen die Autotür stoße und versuche das Kribbeln in meinem Knochen erträglicher zu machen. Und dennoch zwinge ich mich zu einem stummen Lächeln, als ich die Tür schließe und zu meiner Mutter blicke.
Es wirkt fast zu Idyllisch wie sie auf der weißen Veranda in ihrem Kleid steht. Ihre Haare notdürftig in einen Zopf gebunden.
Sie hat wahrscheinlich in ihrer Ländlichen Küche für ihre Kinder und ihren Mann gekocht. Ihre roten Wangen werden von der Hitze des Ofens kommen. Sie hat wahrscheinlich Musik gehört und sich manche Zutaten von ihrem Nachbarn geholt, da sie diese beim Einkaufen vergessen hat.
Ich ignoriere den Stich in meinem Herzen, wie die Jahre zuvor. Meine Familie hat ihn mir zu oft zugezogen. Ich habe ihn zu oft ihretwegen gespürt. Ich bin ihretwegen zu oft daran untergegangen.
Denn während sie mit ihrer zweiten Familie, ihre erste vergessen darf und mein Dad in Chicago mit seiner richtigen Frau und seiner richtigen Tochter Lebt, bin ich das Kind, welches unehelich und in einer kleinen verschimmelten Wohnung groß wurde.
Frisches Essen kannte ich nur von Freunden und sowas wie Geld habe ich nie gehabt.
Und nun schwimmt sie darin, geht in diesem unter, weil ihr Ehemann sie so überhäuft. Ihre verdreckten abgezählten Hemden hat sie gegen Diamantschmuck und Designer Kleider getauscht. Die Flaschen Whiskey gegen erstklassigen Wein. Und die versiffte Tochter gegen ihre Vorstadt Jungs.
„Hey Mom." Ich komme vor ihr zum stehen und lasse mich in eine abgestumpfte Umarmung ziehen. Für einen Moment erscheint sie mir sogar länger als üblich. Meine Stirn legt sich in Falten, als ich mich zögerlich von ihr löse und auf ihre geöffneten Lippen blicke. „Wir-" Sie hält unter meinem auffordernden Blick inne und schüttelt hastig ihren Kopf, um mich an meinem Rücken in das Haus innere zu schieben.
Wie immer ist alles an seiner Stelle, aufgeräumt und Familiär eingerichtet, während die Bilder an der Wand das Leben meiner Stiefbrüder zeigen. „Das Essen ist gleich soweit. Wie wäre es, wenn du dich kurz frisch machst und dann zu uns kommst?" Ich nicke auf ihren Vorschlag hin und laufe die Treppe nach oben in das kleine Büro. Die kleine Schlafcouch ist noch immer stets in ihrer Ursprungsgestalt.
Seufzend werfe ich meine Tasche auf den Boden, während ich die Bücher und meinen Laptop auf den Schreibtisch stelle.Noch immer sind die Seiten feucht und nur langsam begann sich das Papier zu wellen, wodurch ich das Lernen mit diesen Bänden vergessen kann. Dabei hat es mich ein Vermögen gekostet sie zu besitzen und dieses Arschloch hat es nicht einmal mit einer Entschuldigung versucht wieder gut zu machen.
Erst das Klirren der Teller und die lauten Stimmen der Jungs lassen mich meine Gedanken wieder in das Haus meiner Mutter bringen. Nur bedingt fahre ich unter meinen Augen lang und sortiere meine Haare mit meinen Fingern, während ich langsam das Büro verlasse.
Die tiefe Lache meines Stiefvaters dröhnt zu mir durch, lässt mich wissen, dass die Jungs von ihrem Schultag reden.
Jedoch verstummen die Gespräche als sie mich erblicken und mit einem sanften lächeln nacheinander aufstehen.
„Nevada, schön das du uns so schnell besuchen konntest." Jeffrey breitet seine Arme aus und lässt mich kurz darin versinken, bevor ich den Tisch umrunde und Zeitgleich durch die Haare der Jungs streiche. „Nevada!" Keift mich Louis sogleich an, was mich grinsen lässt, bevor es auf seine Lippen abfärbt. „Alles gut bei euch?" Frage ich gespannt nach und lasse mich ihnen gegenüber an den Tisch nieder. „Bestens." grinst mich Levi an, wodurch man seine kleine Zahnlücke erkennt, die neu dazu gekommen sein muss.
„Nevada, was macht das College?" Meine Mutter stellt sichtlich neugierig den Topf dampfender Nudeln auf den Tisch ab und lässt sich ebenso wie Jeffrey an das Ende des Tisches nieder. „Nichts spannendes." Gedankenverloren gleiten ihre Augen über mich, wodurch sich meine Brauen verziehen.
Mich überkommt das Gefühl, dass sie etwas sagen möchte, doch ihr entgeht kein Sterbens Wörtchen über das Essen. Ich spüre ihren Blick auf mir liegen und die Anspannung in ihrem Blut, welches die Stimmung unglaublich unangenehm und gedehnt fühlen lässt.
Erst gegen Ende des Essens folge ich ihr hastig in die Küche, um sie davon zu überzeugen, dass sie mit mir reden kann.
„Mom, was ist los?" Ich lege meine Stirn in Falten, während ihr das Glas ein Stück aus der Hand rutscht. „Was soll los sein?" Ihre zitternde Stimme rutscht immer weiter in den Vordergrund. „Das frage ich dich ja eben. Vorhin das auf der Veranda und nun deine komische Stille beim Essen." Drängelnd verschränke ich meine Arme vor meiner Brust und lausche ihrem leisen seufzen, bevor sie das Glas nieder lässt und ihre Hände an einem Handtuch abtrocknet.
„Matthew hat sich gemeldet." Murmelt sie leise, was mich meine Augen weiten lässt. "Was will Dad von dir?" Kritisch beobachte ich ihre einfallende Miene. "Scheinbar hat er nach all den Jahren endlich Interesse an dir?" Es klingt nicht einmal annähernd wie eine Aussage, viel eher wie eine Frage, die ihre Angst und Sorge zum Ausdruck bringt. „Mom?" Auffordernd schaue ich sie an und lasse somit aus ihren Gedanken schwimmen.
„Du sollst dich bei ihm melden, er braucht scheinbar deine Hilfe." Ich stöhne frustriert und wütend auf. Das letzte mal wo ich in Kontakt mit ihm stand, war mein achtzehnter Geburtstag und nun bin ich bereits zwanzig. Also sind auch schon zwei Jahre vergangen, seit dem er mich das letzte Mal aufgesucht hat. „Er kann mich mal." Fauche ich finster, was meine Mom tief durchatmen lässt.
„Nevada, scheinbar war es wirklich wichtig. Höre ihn an und entscheide ob du zu ihm willst oder nicht." Sie senkt ihren Blick, als sie in den Schubladen kramt. „Wie kannst du sowas sagen? Du solltest diesen Mann hassen. Er hat dich doch schwanger sitzen lassen, dir nicht einmal Unterhalt gezahlt und nicht mal Interesse daran gehabt mich zu sehen!" Ich rede mich in Rage, während meine Nägel sich in meine Handballen bohren. „Vade, ich bitte dich! Er ist dennoch dein Vater und diesen werde ich dir nicht vorenthalten. Du weißt er ist schwer beschäftigt, vielleicht möchte er sich ja jetzt ändern." Verächtlich schnaube ich auf und schüttle stur meinen Kopf, als sie eine Nummer auf die Theke neben mir legt. „Er schien wirklich interessiert." Murmelt sie noch im Vorbeigehen, bis sie aus der Küche verschwindet und mich mit der Nummer des Teufels alleine lässt.
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Genervt puste ich die angehaltene Luft aus, ehe ich die Decke über mir weg schlage und meinen Körper die Kälte annehmen lasse. Sie ist mir Lieber, als die beständige wärme, die unter Decke herrscht und es mir unmöglich macht einzuschlafen. Doch auch die erfrischende Luft schafft es nicht, mich endlich meinem heiß geliebten Schlaf hinzugeben, denn der kleine Papierstreifen auf der Kommode scheint zu glühen und mich zu rufen. Gar als würden meine Gedanken mit den letzten Überresten eines Baumes zusammenhängen.
Seufzend richte ich mich auf und streiche mir die Haare aus meinem Gesicht, bevor ich nach der Nummer, sowie meinem Handy daneben greife. Es fühlt sich so falsch an diese Nummer in meinen Händen zu halten und die Neugierde in mir gewinnen zu lassen und ich bin mir Sicher, dass ich es bereuen werde, meinen Vater anzurufen.
Den Mann, der sich immer einen Dreck um mich geschert hat. Ihm war es egal, wie zerrissen meine Kleidung war, wie ich wegen meines Namen gehänselt wurde und wie ich mit Zwölf begonnen habe, meiner Mutter finanziell unter die Arme zu greifen, weil er seinen reichen und geizigen Arsch nicht zu uns schieben lassen hat. Er ist Unternehmer, schwer Beschäftigt und in einer guten Ehe, die Öffentlich angepriesen wird. Was also habe ich- eine bloße Entstehung einer Affäre- mit ihm zu tun? Bisher gar nichts und ich weiß nicht, warum ich es ändern möchte oder warum er es zu ändern wagt.
Die Angespanntheit in meinem Körper lässt mich erzittern, sodass ich mich gegen die Kommode lehne und meinen Blick aus dem Fenster über dem Bett gleiten lasse.
„Was tu ich hier bloß?" Murre ich leise, bevor ich meinen Kopf wieder senke und mein Handy entsperre. Ich tippe die Nummer in das Handy und blicke kurz auf die Uhr. Es ist gerade mal kurz vor eins und das an einem Samstag, ich bezweifle das er bereits im Bett liegt, dass würde nicht zu ihm passen, sodass ich erneut tief durchatme und die Zahlen bestätige, bevor ich es an meinem Ohr halte und das Klingeln wahrnehme, was mein Herz schneller denn je pochen lässt.
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Make Me Yours - Keep breathing
ChickLit•Abgeschlossen• Spin-off von He owns my World ❀ The beauty and the criminal ❀ Illusion ❀ Shattered Hearts "Atme Nevada." "Atme." • Das Buch handelt von und über Drogen und Alkoholkonsum, Gangs und Mafias, Manipulation, Intrigen innerhalb der Famili...