18.9

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Nevada

"Wir müssen reden."

Es hat lange gedauert um all meine Gedanken zu sortieren. Um all das zu überdenken, wo ich kaum Kraft hatte drüber nachzudenken. Ich habe niemanden außer Liam zu mir gelassen. In den Tagen und auch schon zuvor, war er wohl der einzige, der weder auf meiner, noch auf einer anderen Seite steht. Er erkennt den Feind und den Freund und einen anderen Unterschied gibt es nicht. Mike hält er zum Glück nicht für den Feind, bloß für eine feige Kröte, die sich viel zu wichtig hält. Und ich wäre der gleichen Meinung, wenn er nicht meinetwegen in all dieses Chaos geraten wäre. Es sind bloß noch wenige Wochen, dann kann er einen anderen Punkt ansteuern. Gefälschter Name, gefälschte Identität. Es ist alles was er braucht, jedoch sollte er beruhigt sein, weil er für Charles kaum von Interesse sein dürfte.

"Nicht Nevada."

Seine Worte machen mich bereits nun wütend. Er gibt sich selber nicht einmal die Chance sein Verhalten zu überdenken. ,,Irgendwas stimmt nicht mit dir." stelle ich fest.

Wir haben vor zwei Tagen das letzte Mal miteinander geredet. Jedoch glich es eher einem aneinander schreien. Wir haben uns Vorwürfe gemacht. Wir haben all das an die Köpfe geworfen, was uns seit der ersten Begegnung aneinander gestört hat. Dumm nur, dass wir irgendwann angefangen haben alles zu wiederholen. Alles was jemals gesagt wurde. Er verschließt sich vor mir. Er lässt mich nichts von sich wissen. Er ist ein elendiger Sturkopf, der nicht an andere denkt. Zumindest nicht in diesem Fall. Und ich versuche jeden zu manipulieren. Nutze das wissen und das Unwissen anderer. Spiele damit. Es ist jedesmal wieder verletztend solch Worte aus seinem Mund zu hören. Aber für ihn sind meine bloß ein erhöhender Druck, der sich in seinem innersten Aufbaut. Wir führen beide Kämpfe, sowohl in uns selber, als auch mit anderen. Und ganz bestimmt zwischen uns.

"Ich möchte nicht wieder über die alten Themen reden." murmle ich leise, wodurch er seinen Blick hebt und mir jeden Atem nimmt. ,,Sondern über Mike." der Funken der sich in seinen Augen aufgebaut hat, erlischt bei meinen Worten. Ihm scheint es nun schon zu missfallen, wodurch er sich von der Theke abstützt und gehen möchte. Meine Hand schlingt sich um seinen Arm und allein dadurch spüre ich das pochen meines Körpers, der sich mit jedem verstrichenen Moment ihm hingibt. ,,Dir steht der eifersüchtige Freund, Kumpel oder was auch immer nicht." es sollte nicht harsch klingen. Nicht einmal beleidigend. Aber ich habe genug von seiner sturen Besessenheit, wodurch es wohl doch der harschen Beleidigung glich. ,,Und dir steht die überfürsorglich nervige und absolut Besessene Affäre nicht." ich spüre wie mein Herz stehen bleibt. Für einen Moment, für einen noch längeren Moment. Ich spüre wie es jeden Halt verliert, wie sich ein Splitter in die Mitte bohrt und es vollkommen auseinander gleiten lässt. Und ich kann es nur zulassen. Ich kann es nicht zusammen halten. Nicht einmal, wenn ich die nötige Kraft für hätte. Desinteressiert wendet er mir seinen Rücken zu und lässt mich alleine zurück, ohne überhaupt die Chance gehabt zu haben, miteinander zu reden.

"Wieso kommt es mir so vor, als würde ich in mitten eines Kindergartens sein?" ich unterdrücke meine aufsteigenden Tränen, als ich mich zur Treppe wende und Mike sehe. ,,Wie oft willst du dich noch in den Tod schicken?" sarkastisch schnaubend lasse ich mich auf dem Stuhl nieder und stütze mich an dem Tisch ab, um mit meinen Rücken nicht gegen die Lehne zukommen.

"Er hat angefangen mich zu ignorieren." Schulter zuckend überbrückt er die Distanz zwischen uns. ,,Außerdem ist er der Schuldige." ich möchte erst gar nicht auf die Anschuldigungen heraus, die hier um sich geworfen werden. Der Tag besteht ohne hin schon aus streiten und schlafen, wodurch es quälend zäh ist. Connor und Liam sind wohl noch die vernünftigsten. Sie verlassen erst das Zimmer, wenn keiner von uns draußen ist. ,,Das lässt sich leicht sagen, wenn man von nichts die Ahnung hat."

"Und was ist, wenn du falsch liegst?" spottend zuckt sein Mundwinkel nach oben, ehe ich innehalte. Ich wüsste nicht wie Mike an Informationen kommen könnte, ich bin mir nicht einmal sicher, ob er den genauen Grund kennt, warum er überhaupt hier ist. ,,Was könntest du wissen?" die Verachtung liegt mit vollem Sinne in meiner Stimme. Er soll wissen, dass er nicht hier her gehört. Er soll sich gar nicht an den Gedanken gewöhnen. ,,Er hat ziemlich gute Kontakte zu einem Aiden Black, welcher bei euch nicht sonderlich beliebt ist." Meine Brauen ziehen sich zusammen. Wenn seine Worte recht behalten und das will ich erst gar nicht glauben, dann hat er sich mit unserem Feind zusammen geschlossen. Es wäre ein Verrat an jeden seiner Freunde.

"Du lügst." es kommt nicht einmal annähernd so stark herüber, wie es mein erster Gedanke war, der mich angeschrien hatte. Und genau das lässt ihn nur noch stärker lächeln. ,,Wenn ich herausfinde, dass du spielst, trenne ich deine Kehle persönlich durch." ich spucke ihm seine Zukunft vor die Füße und doch ist er noch immer seelenruhig und lässt mich Henry hinterher gehen. Der Zorn, die Wut und die Enttäuschung lässt mich all meine Schmerzen vergessen. Er lässt mich vergessen. Es ist als würde ich so viele Emotionen wie schon lange nicht mehr besitzen. Als würde ich wieder seit langem einen ungesunden Hass pflegen. Aber einer, der nur mir gilt. Ich hasse es, dass ich Henry vertraue, dass Mike hier ist, dass ich hier bin. Ich hasse es das mich die Träume immer wieder in der Nacht einholen, ich hasse es das ich mich fürchte. In jeder Nacht in der ich alleine liege. In jeder Nacht, in der ich mehr weine, als schlafe. Ich hasse es, dass ich jeden Tag auf diese verdammten Wunden blicke. Manche, die mehr verheilen und manch andere, die niemals verheilen. Und selbst wenn, die Narben wind gezeichnet. Sie sind da und ich werde sie wohl kaum von mir schaffen können. Egal wie ich über meine Haut fahre, egal wie ich mir meinen Körper und mich vor dem allen vorstelle. All das wird niemals vergehen.

"Henry!" ich stütze mich gegen die Tür, um in das Trainingszimmer zu platzen. Es ist bloß ein Laufband und ein Boxsack der den Raum kaum ausfüllt, nur Henry tut dies. Seine Laune scheint ihn in Besitz zu nehmen und dies spüre auch ich sogleich ich die Tür hinter mir schließe.

"Wir haben genug geredet, Nevada." seine Fäuste fliegen auf den Boxsack zu, seine Haare hängen ihm bereits nass in die Stirn. Beim besten Willen versuche ich nicht auf seinen Körper zu starren, doch dieser bewegt sich im Einklang mit seinen Armen, dessen Muskeln angespannt sind. ,,Wir haben noch lange nicht genug geredet. Und ich bin es leid." Noch immer schaut er nicht auf, noch immer blickt er mich nicht an. ,,Hast du Kontakte zu Aiden Black?" Es ist nur eine Frage. Eine Frage, die ihn vollkommen aus sein Konzept reißt. Es ist bloß eine Frage, die er mir mit seinen aufgerissenen Augen beantwortet. ,,Verrätst du uns?" der Gedanke ist Qualvoll. Er lässt meine Worte wie ein leidendes wimmern klingen, während sich die Tränen aus meinem Auge kämpfen, um heiß über meine Wange zu fließen.

Seine Miene wird weicher, geschockter, als er einen Schritt auf mich zutritt, ich jedoch ausweiche. Ich brauche eine Antwort und dem ist er sich bewusst.

"Nein." Allein dieses Wort löst eine neue Flut an Tränen aus, aus purer Erleichterung. ,,Was wollte er dann?" hauchend lasse ich ihn einen Schritt auf mich zu treten, ehe ich seine Hand um meine Wange spüre. Sein Daumen streicht mir die Salzigen Spuren fort.

,,Ich brauchte ein Wort von ihm und er gab es mir." meine Lider schließen sich bei der zarten Berührung, als er die Lücke zwischen uns schließt und ich meine Hände auf seine Brust nieder lege. Sein Herz pocht unregelmäßig schnell gegen seine Rippen, wodurch ich selber seine Schläge in mir spüre. ,,Wann habe ich es endlich verdient, die Wahrheit über dich zu kennen?" erneut blicke ich zu ihm, erkenne die Verzweiflung und den Zwiespalt in seinen Augen treiben, der mich nur noch mehr verunsichern lässt. Er wird es mir niemals so sagen.

"Ich habe Aiden bereits vor all dem kennengelernt, als meine Familie nach Jacksonville zog. Er war der Beginn unseres Unterganges."

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt