18.15

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Nevada

"Wir müssen hier weg!" Hastig umfasst seine Hand mein Gelenk, als ich in mitten der drei Männer sitze und versuche zu verstehen, was passiert ist. Als ich versuche das zittern meiner Hände zu kontrollieren. Als ich überhaupt versuche zu denken. Klar zu denken.

Irgendwie zu denken. Als ich versuche meine Beine dazu zu zwingen aufzustehen und fortzulaufen. Als ich meine Augen nicht von dem Mann nehmen kann, dessen Pupillen geweitet sind. Dessen angst zu sehen ist. Doch ich genieße es nicht. Es bringt viel eher den Ekel über mich selber zurück.

"Wie kannst du bloß Nevada." Knurrend presst Connor sein Leib gegen die Tür um uns nach draußen zu führen. Er öffnet die Tür, er hilft mir mich hineinzusetzen. Er nimmt mir die Waffe ab. Er schlägt die Tür zu. Er bringt uns hier weg. Er bringt mich hier weg.

"Es tut mir leid. Ich bekam Panik, ich wollte ihn nie töten." Erzitternd schlinge ich meine arme um mich selber. ,,Du hast ihn nicht getötet, Nevada. Du hast ihn bloß in die Schulter getroffen. Ich habe ihn getötet." Ungläubig lass eich meine Augen zu ihm wandern.

,,Wieso?"

"Weil er dich gesehen hat, Nevada. Selbst die kleinsten Räuber, kennen die größten Bosse. Und sie tun alles um an Geld zu kommen." Ich vergaß fast, dass auf mich ein Kopfgeld ausgesetzt wurde. Für einen Moment vergaß ich, dass ich mich verstecke. ,,Wirst du Henry davon berichten?" Ich lehne meinen erhitzten Kopf gegen die kühle Scheibe und blicke zu ihm herüber. ,,Er weiß es bereits und checkt alles ab. Wir ziehen um."

"Ich dachte dafür wäre das Apartment, eben damit man uns nicht aufspüren kann." Meine Brauen ziehen sich zusammen. ,,Ja, so war es, bevor du angefangen hast zu schießen und sich nun drei Leichen dort befinden."

"Ich war nicht diejenige, die sie getötet hat." Gebe ich finster von mir, wodurch sich ein leises schnauben von seinen Lippen löst.

Er schweigt über den Rest der Fahrt. Es ist egal was ich gesagt habe oder was ich hätte sagen können: Antworten würde er mir nicht. Und ich kann es verstehen, wenn auch nicht vollkommen. Wenn es nach ihm ginge, hätte ich mich vergewaltigen lassen sollen oder gleich dem Tod entgegen kommen. Wenn es nach mir geht, bin ich froh darüber die Waffe gezückt zu haben, um mich im gleichen Moment dafür zu hassen. Ich hätte ihn erschießen sollen. Gleich und ohne Rücksicht. Womöglich hätte es etwas gegen meine Angst gebracht, herausfinden werde ich es jedoch nicht mehr. Und es demütigt mich zum Teil. Zum anderen bin ich darüber erleichtert. Ich wüsste, dass ich es bis zum nächsten Schlaf wieder bereuen würde.

Sobald die Räder beginnen zu stehen, erblicke ich die blauen Augen, welche aus dem Haus lugen. Er ist angespannt, aber ruhig und ich fühle mich wie ein kleines Kind das die Regeln gebrochen hat.

Doch Connor hat Recht. Seit wann rechtfertige ich mich? Seit wann mache ich mich klein, dafür das ich mich geschützt habe? Automatisch straffen sich meine Schultern, während der trotzende Blick auf meine Züge gelingt. ,,Mir geht es gut." Sage ich knapp, als sich seine Hände um mein Gesicht schlingen. Die wärme die er mir gibt tut gut. Mehr als das. Sie lässt mich für einen Moment ruhig atmen. ,,Daran habe ich nicht gezweifelt." Haucht er zaghaft. Ihm ist bewusst, was in mir durchgeht. Zumindest scheint er es zu erahnen.

"Wie sieht der Plan nun aus?" An meiner Hand zerrt er mich hinter Connor hinein in das Haus, wo auch bereits Liam wartet. Geduldig liegen seine Augen auf mir nieder. ,,Charles wird jedes kleine Detail untersuchen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass er glaubt, dass es bloß ein Bandenkrieg ist. Außerdem gab es einen Zeugen." Murmelt Connor andächtig, wodurch Henry nickt. ,,Wir werden die Autos stehen lassen. Sollen sie wissen, dass wir es waren." Meine brauen verziehen sich. ,,Das wäre reiner Selbstmord."

"Stimmt schon, aber dennoch. Wir lassen alles hier und beginnen tiefer in den Wald zu gehen. Unterwegs fällt mir schon eine Lösung ein." Es ist reiner Irrsinn. ,,Wir sind langsamer, außerdem braucht Charles nur einen Helikopter und eine Wärmekamera. Er würde uns finden." Mir wird übel. So übel, dass sich meine Hand auf meinen Mund drückt. Mit aller Mühe versuche ich mich auf die Worte der Jungs zu konzentrieren, dann auf alles, bloß nicht auf das. Ich möchte nicht darüber reden, wie gering unsere Überlebenschance ist. Ich möchte nicht darüber reden, wie finster die Zukunft erscheint. Es lässt mich so unsicher zurück.

"Nevada." Sanft umschlingen Henrys Arme meinen zitternden Körper. ,,Wir brechen Morgenfrüh auf, bis dahin essen und schlafen wir genug, um fit zu sein."

Und das taten wir. Ich habe lange nicht mehr soviel gegessen. Noch immer sitzt es tief in meinen Magen, wie ein Stein, zusammen mit all den Gedanken die durch mich hindurch gejagt werden. Die immer neue auftauchen lassen, wie bebende Blitze über dem Horizont.

Das schwache Mondlicht fällt Fahl auf seine bleiche Haut. Seine Atemzüge gehen tief, er ist ruhig und entspannt und ich beneide ihn dafür. Mein Körper fühlt sich aufgebracht schwer und zeitgleich so erschöpft an, dass er schmerzt. Meine Augen fallen zu, doch die Gedanken schreien. Sie schreien laut, grell, sie halten mich wach.

Nur zögernd werfe ich einen neuen Blick auf Henry, meine Fingerkuppen fahren seine Wange hinab, bis ich an seinem Kinn ankomme und meine Hand von ihm nehme. Ich klettere lautlos aus dem Bett, spüre die Kälte die sich über mich legt, die Kälte die meine Fußspitzen erreicht und durch mein Körper zieht. Ich erschaudere. Meine Schritte werden schneller, sobald ich die Tür hinter mir durchziehe und in dem dunklen schein nach unten gehe. Die Dielen knatschen, doch sie lassen mich wissen, dass ich es bin. Egal wie sehr ich mich vor der Dunkelheit fürchte.

Nervös knete ich meine Hände, als ich mich an dem Tisch nieder lasse. Ich versuche meine Gedanken zu sortieren, versuche die Kälte des Wohnzimmers von mir zu schütten. Es ist eisig kalt, als hätte jemand all die Fenster aufgelassen und die Nachtluft des noch immer andauernden Winters hinein gelassen. Und es verwundert mich. Connor hat dieses Haus immer aufgeheizt, so auch eigentlich diese Nacht, doch es könnte auch an der vermeidlichen Flucht liegen. Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Meine Augen suchen jedes Detail des Raumes ab, bis ich bei der verglühten Asche hängen bleibe. Inmitten des schwarzen Rusch, erscheint mir etwas funkelndes, silbernes. Der Mond scheint direkt darauf, wodurch sich der Punkt an der Decke spiegelt.

Weiter klopft mein Herz gegen meine Rippen, versucht sie zu zerbrechen, damit jeder bemerkt, wie schwer es in meiner Brust klopft. Es ist noch warm, als ging es erst vor einer halben Stunde aus, je weiter meine Finger in die Asche greifen, desto brennender wird es. Doch ich bleibe stur, erfasse den Griff mit meinen Fingern und ziehe den Dolch hervor. Meine Lippe beginnt zu zittern, meine Hände zu beben. Das grau meiner Augen spiegelt sich in dem Spiegel der Waffe, es lässt mich rot erscheinen, durch das Blut, welches daran klebt. Ich erzittere. So sehr, dass das Messer vor meine Füße auf den Teppich fällt. Es hinterlässt keinen Ton. Es hinterlässt nicht einmal den Anschein eines Geräusches.

Meine Augen schweben von der Ferne und all den Gedanken, hin zu der Glut. Und erst nun erkenne ich das tropfende Blut, welches immer weiter auf die Glut fließt.

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Ich werde die Update-Tage umändern, in beliebig. Ich vergesse ständig das wir bereits Mittwoch oder Sonntag haben/hatten 🙏🏻😂

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt