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Nevada

„Entschuldigt mich." Ich werfe die Servierte auf den Tisch und greife nach meiner Tasche, um endlich von diesem Tisch; von diesen Männern zu kommen. Seit einer halben Stunde reden sie über alles Mögliche. Verstehen tu ich nur wenig oder gar nichts, aber das, was sie ansprechen lässt mich Übel werden. Es ist als wären sie die einzigen in diesem Gott verfluchten Restaurant, als würde sie niemand hören, welche Vorhaben Charles hat, wie man die Unternehmen unterstützen kann und was passiert, wenn der Fall der Fälle eintritt. „Nevada." Matthew seufzt ergeben und angespannt, wodurch ich lediglich meinen Kopf schüttle und mit dem Stuhl nach hinten rutschte, dessen ungeachtet spüre ich eine Hand um meinen Arm geschlungen.

„Ich danke Ihnen für diesen Abend, aber Matthew, dass wird mir zu viel." Die letzten Worte sind an meinen Vater gerichtet, der mich aus glühend wütenden Augen anschaut. Aus fassungslosen, die mir eine brennende Spur über den Körper schicken. Ich weiß er ist nicht einverstanden, dass ich nun gehe, aber er muss einsehen, dass es nicht meine Welt ist. Das war es nie, so hatte er es sogar gesagt. „Nevada, du bleibst hier." Erneut schüttle ich entschlossen meinen Kopf und entreiße ihm meine Hand, ehe ich aufstehe und mit hastigen Schritten das Restaurant verlasse.

Die Kühle Luft schlägt mir entgegen, als ich nach draußen trete und die Schwere auf meiner Brust spüre. Eine schwere, die ich noch nie in meinem Leben gespürt hatte und das nun nur, weil ich mich auf meinen Vater eingelassen habe. Auf den Mann, der mich Bedingungslos Lieben sollte, es aber nie tat. Er war weder für mich da, noch hat es ihm wirklich Leid getan, solch ein Miserabler Vater für mich zu sein. Ich war ihm noch nie genug. Ich hätte von vorne rein dieses Leben führen können- ich wäre ihm nicht genug gewesen und das ich nun so auf ihn rein gefallen bin, bringt mich an meinen Seelischen Grenzen. Ein Schmerz und ein Stich in meinen Herzen, der jede bisherige Trennung und jeden bisherigen Liebeskummer übertönt. Er schmerzt und dennoch bin ich taub.

„Es wird einfacher." Erschrocken drehe ich mich um und blicke in die Augen des dunkelhäutigen, der sich mit langsamen Schritten auf mich zu bewegt. Ein Schnauben entkommt meinen Lippen, bevor ich wieder nach vorne schaue und die hell beleuchteten Straßen begutachte. „Einfacher." Wiederhole ich spottend, was ihn schmunzelnd neben mir zum stehen kommen lässt. „Es ist ein Scheiß." Ich spüre die Tränen in meinen Augen stechen. Die, die ich bereits vor dem Essen hinuntergeschluckt habe. Die, die sich über all die Stunden in mir angesammelt haben. „Nevada, was auch immer Matthew momentan von dir möchte. Vertraue niemandem und pass auf dich auf, du verlierst dich hier schnell und du wirst auch nicht mehr wieder raus kommen."

Meine Stirn legt sich in Falten, ehe ich mit meinen Fingern die Tränen aus den Augen reibe. „Was willst du?" Krächzend fange ich die fallende Träne auf. „Du solltest dich einfach in Acht nehmen und niemanden vertrauen." Murmelt er leise, bevor er mir ein sanftes lächeln widmet und mich Sprachlos stehen lässt. Er kam mir keines Weges Gefährlich oder wie ein Krimineller vor. Zumindest nicht jetzt, anders wie beim Essen.

Ich schüttle meinen Kopf und gehe mit großen Schritten an die Straße um mir ein Taxi zu besorgen, immerhin bin ich mit Matthew gekommen. Ein Mann, mein Vater, den ich am liebsten wieder aus meinem Leben streichen würde. Mit allen Mitteln.

„Nevada." Erstaunt zieht meine Mutter ihre Augenbraue hoch, als ich erschöpft vor ihrer Tür stehe. Ihre Augen mustern mich und ich kann die Verurteilung bereits spüren, sobald sie die Kürze des Overalls und die hohen Stiefel begutachtet. „Ich war bei Matthew und..." Ich breche ab. Ihre Stirn legt sich in Falten, während die Überlegenheit in ihr zu wachsen beginnt. „Kann ich hier schlafen?" Reuevoll blicke ich ihr entgegen. Ihre Mundwinkel zucken verräterisch nach oben, als sie ihre Arme enger um sich wickelt.

„Du hast das Job Angebot angenommen." Verwirrt nicke ich und beäuge meine Mutter, die sich gegen den Türrahmen lehnt. Der Spalt der offenstehenden Tür wird kleiner, es lässt mich bereits nun erahnen das sie nicht vorhat ihre eigene Tochter hinein zu lassen.

„Und wie ist es?" Meine Lippen pressen sich aufeinander. Hastig werfe ich einen Blick hinter mich und wäge es ab, in mein Auto zu steigen, welches ich von Matthews Anwesen geholt habe und meine Familie ein für alle mal zu vergessen. „Kann ich hier übernachten?" Frage ich erneut nach, doch sie geht wieder nicht darauf ein.

„Nevada, wie ist es?" Mein Mund fühlt sich bei der Provozierenden Stimme meiner Mutter unglaublich trocken an. Ich kann nicht verstehen, dass sie mir derartig aufzeigt, was sie von dem ganzen hält. Wir könnten dies auch drinnen besprechen, sie könnte mir sagen wie ich dort hinaus komme- immerhin hat sie es auch geschafft. Sie könnte mich in den Arm nehmen und mir die Tränen von den Wangen streichen. Stattdessen lässt sie mich voller Scham in der Eiseskälte der Oktober Nacht stehen. Die Trauer die mich befällt zieht mich immer tiefer in den endlosen schmerz, den mir meine Familie zufügt.

„Mom." Kläglich verziehe ich mein Gesicht und lasse meine Hände fallen. „Du wolltest zu ihm, nicht ich."

„Möchtest du hören, wie sehr ich es bedaure? Möchtest du hören, dass du das bessere Elternteil bist? Du hast mich zu ihm geschickt, du hast mich nicht aufgehalten."

Ihre Schultern straffen sich, während sich ein Lächeln auf ihren Lippen breit macht. „Du kommst mir nicht in mein Haus, Nevada. Nicht, wenn du weiter wie eine elendige Nutte aussiehst. Das haben meine Jungs nicht verdient."

Die Worte entkommen ihren Lippen so Flüssig. So Endgültig. Tränen stechen in meine Augen. Erneut. Meine Lippen pressen sich aufeinander, bis ich das Eisen in meinem Mund zu schmecken bekomme und feststellen muss, dass sich alles verändert hat. Selbst die absolut kalte Sicht meiner Mutter mir gegenüber.

Ich zucke zurück, als die Tür mit einem Knall ins Schloss fällt. Als ich nur noch das wärmende Licht durch die Fenster sehe.


„Habe ich das etwa verdient Mama? Ich habe dich jeden verdammten Tag gepflegt, als du mit Drogen zugepumpt warst! Ich habe jede Nacht ausgehalten, als du irgendwelche Dealer zur Nacht bei dir hattest! Ich war es, die dich am Leben gehalten hat! Ich! Niemand anderes, das war ich!"

Meine Fäuste prallen immer wieder gegen die Tür. Das Schloss wimmert unter meinen Schlägen. Das Blut liegt zwischen dem Holz, welches sich in meine Haut bohrt. Ich weine, ich schluchze, ich wimmere. Meine Lunge ist ausgetrocknet und erfroren.

Meine Stimme bloß noch ein krächzen. 

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt