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Nevada

Perior, 24.09.2014

„Oh Gott hast du mich erschrocken!" Voller entsetzten fasst sich Amber an ihr Herz und verjagt die sonstige Röte aus ihrem Gesicht, hingegen sie nun Krankhaft Blass aussieht. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht verjagen." Entschuldigend trete ich an mein Bett und lasse die Tasche darauf fallen. „Wie geht es dir?" Frage ich leise nach, was sie zögernd zu mir schauen lässt. Sie verzieht wehleidig ihr Gesicht und lässt mich erahnen, wie schlimm es für sie sein muss. „Ich war auch nur kurz dort. Doch man sagt uns nicht wie lange er bereits... Tod war. Und die Vorstellung nur ein Raum weiter gewesen zu sein, ist unglaublich erschreckend." Mit einem wehleidigen Blick lasse ich mich neben sie sinken und beginne ihre Arme um ihren Körper zu wickeln.

Amber war ebenso nicht mit Oliver befreundet, doch ich weiß dass sie sich gut verstanden hatten, wenn sie dann mal zusammen in der Vorlesung waren.

Ich versuche keinen weiteren Gedanken an Oliver zu verschwenden, denn die Tatsache, dass der Mord nur wenige Milen von hier passierte und der Mörder noch immer rum läuft, ist schrecklich. Ich fühle mich wie in einem schlechten Krimi, sodass ich meine Arme fester um sie schließe, um das Gefühl von mir los zu werden. Vergeblich.


„Ich bin froh nicht mehr alleine zu sein." Murmelt sie beschämt, was mich zaghaft lösen lässt. „Und nun bring mich auf andere Gedanken. Wieso bist du schon hier?" Seufzend hole ich meinen Laptop und klappe ihn auf meinem Schoß auf.

„Mein Vater hat sich bei mir gemeldet. Ich war ebenfalls bei ihm und er hat mir ein Angebot als seine Assistentin gemacht." Erkläre ich leise. Anerkennend gleitet ein Pfiff durch das kleine Zimmer, ehe sie sich aufrichtet und zu ihrer Kommode geht. „Und mit welchem Vorteil für dich?" Neugierig schaut sie mich an. „Er meinte ich würde einen Bentley haben können, wenn ich die Stelle annehme." Erstaunt schaut sie mich an, ehe sie über meine Schulter auf den Display schaut. „Und warum zögerst du?" Ich zucke mit meinen Schultern. Weder weiß ich warum, noch habe ich Lust mich jetzt damit auseinander zu setzten. Sie scheint mein Behagen zu spüren und erwidert nichts weiter, ehe sie sich zurück in ihr Bett legt und beginnt ihre Bücher weiter zu verschlingen, was ich eigentlich auch tun sollte. Jedoch scheint mein Vater viel zu präsent in meinen Gedanken zu sein.

Perior, 29.09.2014

Die letzten fünf Tage vergingen unglaublich schleppend und schwer wiegend. Man bemerkt die Anspannung in der ganzen Uni. Sowohl die Professoren, als auch die Studenten sind von der Angst befangen, dass erneut solch ein Vorfall passiert. Ständig sieht man Polizisten herumlaufen, Kommissare die Studenten befragen und versuchen herauszufinden, was hier passiert ist. Kaum einer traut sich noch alleine über den Platz oder alleine in die Bibliothek. Es ist einfach ein furchtbares Gefühl, welches man hat. Es ist ein Gefühl der Unsicherheit und der Angst.

„Man fühlt sich wie unter den Geiern." Murmelt Rachel missmutig, was mich aufschauen lässt. Und sie hat Recht. Die wenigen, die in der Mensa sind, scheinen jeden in Augenschein zu nehmen, als würde gleich einer aufspringen und erneut solch eine Tat begehen. Sehr beklemmend. „Ich halte das bald nicht mehr aus." Murmelt Amber leise knurrend, bevor sie sich erneut den Salat in den Mund schiebt. „Wer weiß wie lange es noch geht. Gibt dem ganzen noch ein paar Monate Zeit und dann hat sich das erledigt." Voller Gleichgültigkeit zuckt Rylan mit seinen Schultern und spielt so die Situation runter.

Kritisch muss ich ihm irgendwie Recht geben.

Nicht mehr lange und die Gedenkstätte ist verschimmelt und in den Hintergrund gerückt. Nicht mehr lange und die Polizei weiß sich nicht zu helfen, sodass sie abrücken und die Ruhe wieder einkehrt.

„Er hat Recht." Stimme ich ihm zu, was die anderen unschlüssig nicken lässt.

„Wurdet ihr eigentlich befragt?" Neugierig schaue ich in die Runde. „Alle die dort waren, also bist du raus." Ich nicke ergeben und schaue wieder auf den Reis, in den ich rumstochre. „Ich würde so gerne eine Auszeit oder eine Ablenkung zu dem Studium haben. Ständig kreist alles um Oliver und das schaffe ich nicht mehr lange, ohne auszubrechen." Beginnt Rachel wieder seufzend, bevor sie die Gabel hinlegt und einen Blick zu Amber wirft, die nickend aufsteht. Ich bleibe Rylan gegenüber sitzen. „Irgendwie hat sie Recht. Es ist echt kaum mehr auszuhalten." Murmelt er leise, was ich nickend zustimme. „Ich glaube ich nehme das Job Angebot an." Beschließe ich leise, doch noch immer ist die Unsicherheit in meiner Stimme enorm.

Seine Augen richten sich aufmerksam auf mich. Ich habe ihm am Dienstag in der Vorlesung davon berichtet. Und er war wirklich begeistert, aber auch skeptisch- und das bin ich auch. Meine Sorge gegenüber meines Vaters ist ungeheuer. Außerdem hatte ich mich mit Mom danach ziemlich in den Haaren, sodass ich bereits am Sonntagmorgen gefahren bin. Ich möchte keinen Streit mit ihr haben, aber sie handelt Egoistisch und macht mir ein unglaublich schlechtes Gewissen. Und ungewollt schießen mir ihre Worte in meinen Kopf. Er ist mein Vater, er hat das Recht. Und ich habe das Recht mich auch für ihn zu entscheiden, was nicht bedeuten muss, das ich meine Mutter vergessen werde. Das tu ich nicht.

„Viele werden dich drum beneiden." Schmunzelt der brünette, mir gegenüber, was ich zögerlich abnicke. „Und was ist, wenn es mir nicht gefällt? Wenn ich meinen Vater vielleicht gar nicht mag, es aber nicht weiß, weil ich ihn nicht kenne?" Meine Fragen scheinen ihn zu überfordern, was mich ernüchternd meine Gabel sinken lässt.

„Ich habe bloß keine Ahnung, was ich tun soll." Seufze ich ergeben und ernte ein mitleidiges Lächeln von Rylan. „Tu es doch einfach, du kannst doch wieder kündigen." Schlägt er vor, was mich erneut nicken lässt. Ich kann wieder kündigen. Ich kann dem wieder ein Ende setzten, wenn es mir zu viel wird oder ich wirklich nicht mit meinem Vater zurecht komme. „Aber ich pass doch gar nicht in diese Location." Gebe ich mühselig von mir, bevor ich mir zweifelnd auf meine Lippe beiße. „Ade, komm schon." Ich schmunzle auf seinen bescheuerten Spitznamen, den er mir in unserer Anfangs Zeit gegeben hat. „Du bist eine Bemerkenswerte Frau die nicht auf den Mund gefallen ist." Lacht Rylan, während sich die leichte röte auf meine Wangen ausbreitet. „Mir wurde aber am Samstag bewusst, dass ich dort nicht hingehöre. Du hättest die Blicke sehen sollen. Ich habe nicht das Geld um mir ein Kleid von Gucci zu kaufen oder mit einem Porsche vor zu fahren!" Ich werfe meine Hände in die Luft und spüre die missbilligen Blicke auf mir liegen, als ich meine Stimmenlage erhöhe.

„Jetzt sei nicht so streng zu dir. Keiner Erwartet das und selbst wenn, dein Vater hat sicherlich einiges an Geld, welches er dir borgen kann, damit du dir deren Dresscode anordnen kannst." Breit grinsend, als sei das die Ideal Lösung, schaut er mich abwartend an, doch ich schüttle nur erneut den Kopf. „Ich borge mir kein Geld von ihm. Habe ich nie und werde ich nie machen." Gebe ich ihm bescheid, was er mit einem Schulterzucken quittiert. „Aber wenn du so viel verdienst, muss du dir nichts borgen." Stellt er lediglich fest, was mich wieder Grübeln lässt. „Wollen wir?" Fragend blickt er zu mir, sodass ich nickend nach dem Tablett greife und wir sie in die Ablage stellen.

„Wie dem auch sei. Ich habe noch bis Übermorgen Zeit, dann muss ich mich entschieden haben." Gebe ich ihm bescheid, als wir vor meinem Wohngebäude stehen bleiben. „Du findest schon noch deine Antwort, Ade." Muntert er mich auf, was ich mit einem Lächeln quittiere, bevor wir uns kurz umarmen und ich in das warme Wohngebäude verschwinde. Rylan war mein erster Freund hier und hat mir immer stets zur Seite gestanden, so wie ich ihm. Und trotz das wir eine sehr enge Freundschaft hegen, war es nicht nur einmal, dass wir miteinander geschlafen haben. Beim ersten Mal war es ein Ausrutscher, beim zweiten mal war schon mehr Verstand dabei und ab dem dritten mal habe ich aufgehört zu zählen. Wir stoppen lediglich damit, wenn einer in einer Beziehung ist oder man Gefühle entwickelt. Beides Momentan nicht der Fall, was mich grübelnd stoppen lässt, bevor ich meine Richtung ändere und ihm hinter her laufe.

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt