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Es ist dunkel. Stinkt und ist klein. Die Papiere liegen ebenso achtlos auf dem Schreibtisch oder auf dem Boden wie die Zigarettenstummel, welche ihren letzten Duft verstreuen und mir die Tränen in die Augen treiben. Doch der Gedanke, dass hier Drogen sind, die kaum einer besitzen darf, lässt mich mein eigenes Übel und die Gänsehaut auf meinem Körper vergessen, sodass ich die Tür leise hinter mir schließe und mich auf die Suche danach mache.

Ich versuche alle unebenen Stellen zu ertasten. Doch weder im Schreibtisch ist etwas verborgen, noch finde ich irgendwelche Geheimfächer. Ich blicke auf die Uhr, in dem Büro. Die Frau meinte ich hätte nicht mehr als fünf Minuten, dann müsste sie wieder zurück, damit es nicht auffällig wird. Ich hoffe einfach, dass ich ihr wirklich dahingehend vertrauen kann.

Dieses Büro ist so einseitig, dass die Vielfalt darin untergeht und das lässt mich verzweifeln. Diese Aktion soll nicht umsonst gewesen sein.

Mein Blick gleitet zur Tür, wohinter sich Stimmen verbergen. Das Lichtspiel, welches sich unter dem Türschlitz ausbreitet lässt mich erzittern, die Tränen in meinen Augen spüren und hastig in den Schrank steigen, um diesen zu zuziehen und im gleichen Augenblick das öffnen der Tür wahrzunehmen.

Mein Herz schlägt viel zu laut gegen meine Rippen, meine Hände beginnen zu schwitzen und jeder Muskel in mir ist angespannt, während ich beginne meine Ohren zu spitzen.


„Ich will das Mädchen." Mir wird Übel als ich seine Stimme wahrnehme. „Du hast doch sicher eine Ahnung wo sie steckt." Sie muss mich verraten haben, jedoch werde ich besseres gelehrt, als ich ihren unruhigen Atem höre. „Ich habe keine Ahnung wen du meinst. Mir ist nichts untergekommen." Dann folgt ein Schlag. Mit aller Mühe versuche ich nicht hinaus zu stürmen, um irgendwas Dummes anzustellen. Auch wenn es wirklich verlockend wirkt. Meine Finger bohren sich in meine Arme. „Hör mir zu, du hast hier keinen eigenen Wörter. Und nun bringe mir den Jungen." Schritte sind zu hören, dann ein seufzen, dass von Iwanwowa selber zu kommen scheint. Die Tür wird zugeknallt.

Ich atme durch, öffne ein Stück den Schrank und beobachte die vor Freude sprühenden Augen des Mannes, der seine Hand noch immer auf der Tür hält. Mein Herz rast. Mein Verstand setzt aus. Mit schnellen Bewegungen richte ich mich auf und presse mich fester daran, nur damit er mich nicht erwischt. „So neu." Quiekt er erfreut. Sein Akzent sticht sich mit dieser hohen Stimmlage. „So dumm." Ich schrecke zurück, als sich seine Stimme erneut verändert. Mich in einer Lähmung voller Angst zurück zulassen. Er geht um den Schreibtisch herum und greift nach meinem Arm, um mich dann grob in den Stuhl zu stoßen. Das Leder schmiegt sich um meinen Körper. „Ich hätte so viele Ideen, wie ich dich auf Ewig zum verstummen bringen könnte." Seine Hände legen sich auf die Stuhllehnen, sodass er mich mit seinem Körper immer weiter nach hinten pressen lässt. Sein Atem prallt mit einem widerlichen verfaulten Geschmack auf meine Lippen. Der Geruch lässt mich übel werden. „Ich hoffe du hast dir meine liebste angeschaut. Denn so wirst du mein Geschäft verlassen." Seine Finger streichen über meine Wange, während sich die Tränen in meine Augen einnisten. „Nur ohne Zunge und ohne Augen. Du wirst nichts sagen, was du hier gehört hast, du wirst nichts sehen, außer die Alpträume die dich verfolgen werden. Ich werde dich als mein neuestes Haustier betrachten." Seine Finger stoppen an meiner Halsschlagader, bis er meinen Hals vollkommen umfasst und mich kaum mehr nach Luft schnappen lässt. Meine Hände greifen nach den seinen, um sie von sich zu schieben. „Aber erst werden wir dir dein Bewusstsein nehmen, damit ich alles tun kann, was ich möchte, ohne das du anwesend bist." Seine Lache schrillt noch lauter, noch dröhnender in meinen Ohren. Ich spüre wie sich meine Adern mit meinem Blut voll stauen, wie die Haut meines Kopfes zu straffen beginnt. Meine Augen beginnen zu quellen. Meine Lungen zu schreien. Ich winde mich. Ich versuche um mich herum zu schlagen, zu treten. Fingernägel schaben über seine Haut, kratzen sie blutig, hinterlassen Hautfetzen unter meinen Nägeln. Schwarze Punkte tanzen vor meinem Auge, lassen ihn nur noch dunkler erscheinen. Seine Lache wird lauter. Diabolischer. Finsterer.


Meine Hand greift in die Tasche meines Rückens, wodurch ich die Klinge nach vorne schnellen lasse. Der Druck stoppt augenblicklich. Die Hände lösen sich von mir. Keuchend umfasse ich meinen Hals, spüre das aufgeregte pochen meines Blutes, welches sich langsam wieder zu verteilen beginnt. Ich röchle, ich huste. Ich ignoriere den neuen Lichtpegel, der das Zimmer zu triumphieren beginnt. „Nevada!" Unverkennbar ist dies Henrys Stimme, doch statt auf mich zu zukommen, kniet er sich auf den Boden und überprüft die Einstechwunde des Bordelbosses. „Glatte Leistung, Nevada. Du hast gerade einen Einflussreichenmann erstochen." Die Worte wollen nicht in meinen Verstand. Ich habe ihn umgebracht. Ich habe einen Mann umgebracht. Mein Blick gleitet zur Tür, wo Iwanowas Gefährtin steht. Ihre Augen sind starr auf den Mann auf dem Boden gerichtet. Die Haltung in sich gekehrt. „Wir müssen hier weg." Henry greift nach meiner Hand, um mich auf die Beine zu ziehen. Noch immer wirkt mein Blick verzerrt, doch das Messer in dem Hals des Mannes ist klarer denn je. Das habe ich nie gewollt. „D-die Drogen." Jede Silbe schmerzt ungemein und doch schaffe ich es Henry zum stehen zu bringen. „Bringe alle hier raus, die das Recht haben weiterzuleben." Ich blicke erst verwirrt auf, bemerke aber dann das er nicht mit mir gesprochen hat.

Stattdessen greift wirft er die Blätter auf den Boden und sucht den Schreibtisch ab. Ich möchte sagen, dass ich dort bereits gesucht habe, allerdings scheint er auch nicht danach zu suchen. In seinen Händen hält er ein Feuerzeug, welches er mit offener Flamme auf die Papiere legt. Die ersten beginnen Feuer zu fangen. Ich begutachte die Decke, erkenne aber nichts wie eine Sprinkleranlage oder einen Feuermelder. „Sie sind in dem Raum, nur werden wir nicht mehr herausfinden, wo. Und nun komm." Erneut umfasst er meine Hand, an der er mich hinaus zieht.

In dem entfachten Chaos fallen wir beide bereits kaum mehr auf, wenn wir das Gebäude verlassen und den Flammen unsere Aufgabe überlassen.

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt