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Nevada

Mein Magen spuckt die Säuerliche und heiße Flüssigkeit durch mich hindurch, als ich das erste Pochen in meinem Kopf spüre. Alles beginnt sich zu drehen. Ich spüre den Druck auf meinem Bauch, auf meiner Brust, aber ich bin mir sicher, dass die Welt kopfüber steht. Das alle Macht an meinem Körper zieht, von jeder Richtung in alle Richtungen. Ich zerreiße innerlich und äußerlich. Versuche nur schwer zu meinem Bewusstsein zu kommen.

„Aufstehen Prinzessin."

Der Druck löst sich sogleich von mir, als sich ein dumpfest Gefühl auf meinem Rücken breit macht. Ganz so, als hätte mich jemand berührt. Meine Lider zucken, sie verkrampfen als ein greller Schein hinter meinen dichten Wimpernkranz fällt. „Na siehst du, es war nicht zu schlimm." Der Geruch meines eigenen Erbrochenen, lässt mich erneut würgen. Jedoch entkommt meinem Magen nichts weiteres, als eine magere Flüssigkeit. „Ihr elendigen Mistkerle." Wenn ich es nicht gesagt habe, habe ich es gedacht. Wenn es meinen Lippen nicht entkommen ist, habe ich sie angeschrien. Wenn ich die Kraft nicht aufbrachte und sie fixiere, habe ich ihnen alle Knochen in ihrem innersten gebrochen.

„Es wird Zeit dich fertig zumachen und das Auto ebenso." Rodery. Unverkennbar ist es dieser Handlanger meines Vaters, der mir die Luft abschnürte. Ich wünschte meine Arme würden genug Kraft aufwinden, um sich zu heben und ihm alles anzutun, was er mir damit antat.

Eine Hand umfasst meinen Arm, an dem es einer schafft, mich tiefer in den Sitz sinken zu lassen. Nun auch, schaffe ich es ein weiteres Stück meine Augen zu öffnen. Ich sitze noch immer in dem hinteren Teil des Autos und betrachte den nach vorn geklappten Sitz, woran mein erbrochenes klebt. Mir wird übel.

„Zieh dich um, Prinzessin, sonst wird die erste Hyäne bereits über dich herfallen." Das spöttische Lachen erreicht meinen schallenden Kopf. Ich schließe erneut meine Augen und versuche ruhig zu atmen. Tränen erklimmen mich, hinterlassen den bitteren Nachgeschmack, einer Schwäche, der ich niemals nachgehen wollte. „Los jetzt." Erneut umfasst mich eine Hand, an der ich unsanft aus dem Auto gezogen werde. Eine weitere stützt meinen Kopf, damit ich wohl nicht irgendwo gegen schlage und meinen Zustand rapide verschlechtere. Auch, wenn es mir schwer fällt, dies zu glauben. Letztendlich bin ich bereits am Ende meiner Kräfte, ohne überhaupt irgendwie gekämpft zu haben. Wahrscheinlich liegt es genau daran: Ich habe bereits vorher aufgeben.


Kaltes Blech presst sich in meinen Rücken, lässt mich erzittern und bebend meine Lippen aufeinander pressen, während eine Eisesluft durch mich hindurch gleitet und meine Lungen aufreißt. Erneut steigt mir Magensäure auf, die ich mit allen Mitteln zurück zudrängen versuche.
„Ich begleite sie."

Ohne in die blauen Augen blicken zu müssen, überschlägt sich mein Puls.
Die Hand die sich um meinen Arm legt, lässt mich unweigerlich den Ekel über seine Berührung spüren. Zitternd setzte ich einen Fuß vor dem anderen, um ihn zu entkommen. Mein Blick starr auf den sich windenden Boden. „Wir haben nicht ewig Zeit, Prinzessin!" Mein Kopf beginnt zu platzen, sobald er mich mit höherem Druck vor sich her schiebt und mich mit einem Mal eine wohlige Wärme umfängt. Ich möchte meinen Kopf heben, doch alles an mir fühlt sich noch immer so an, als hätte mein Körper stunden ohne Sauerstoff verbracht. Stunden, in denen ich lediglich herum irrte. Momente, in denen ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Einfach, weil es keinen gab, den ich haben wollte.

Rücksichtslos werde ich auf die Toilette gestoßen, während sich der Blondling vor mir hinkniet und seine Konzentration der Tasche widmet, die zwischen uns liegt. Ich versuche mit allen Mitteln meinen Atem zu kontrollieren. Das Zittern in meinen Fingern zu beherrschen, doch es wird schlimmer, sobald er meine Angst erneut zu erkennen scheint. „Ich werde dir nichts tun, Nevada." Es klingt beinahe genervt, während er mir eine Wasserflasche hinhält. „Ich werde nicht so wie ihr." Es ist weniger als ein Krächzen, dass meiner Kehle so trocken entkommt. Für einen Moment so furchtlos, dass ich mich selber nicht an meine Angst erinnern kann.

Sein Mundwinkel zuckt spöttisch nach oben, ehe er selber die Flasche aufdreht. „Du wirst es gar nicht merken, Prinzessin."

Die kalte Flüssigkeit beginnt meinen Mund zu erobern, selbst, wenn das meiste davon nicht meine Kehle zu erreichen beginnt. Ich stoße die Wasserflasche mit zusammengezogenen Augen von mir und betrachte weiter das wachsende Grinsen des Mannes vor mir. „Es ist krank, dass es dir Spaß macht." Er schüttelt lediglich seinen Kopf und wirft mir einen zusammengelegten Haufen an Kleidung auf meine nassen Beine. „Diese ganze Welt ist Krank. Ich gebe dir drei Minuten um dich umzuziehen, sonst übernehme ich dies."

Ich erfasse einen Wohnkomplex, sobald ich meine Lider das nächste Mal öffne. Die Fassade beginnt daran zu bröckeln. In den meiste Fenstern ist kein Glas mehr, wodurch lose Planen davor gehangen wurden. Dies zieht sich über die gesamten Häuser der Straßen. Wenn nicht sogar des Viertels. „Was machen wir hier?" Skeptisch lege ich meine Stirn in Falten und lausche Roderys zischelnden Laut, der mich verstummen lässt. „Wir gehen unserer Arbeit nach. Du darfst uns mit einem Notizblock folgen."

„Ich werde sicher nicht aus dem Auto steigen. Das könnt ihr vergessen." Ich sehe mich bereits nun aus dem Auto schleichen, sobald die beiden eben das tun, was sie tun sollen oder müssen oder einfach machen. Ich sehe mich bereits nun auf der Flucht, mit der Kleidung die nicht meine ist, mit den Haaren in denen aber mein Erbrochenes hängt. „Schön, dass wir darüber nicht handeln." Die Lache des Blondling schallt durch das Auto, während Rodery mich bereits an meinem Arm packt und mich aus dem neuesten Auto zieht. „Rodery ich flehe dich an! Ich tauche nie wieder auf, aber bitte lass mich gehen!" Ich möchte nicht hier sein. Nicht bei den beiden. Nicht in diesem Viertel. Nicht in Chicago. Ich möchte mein gewohntes Umfeld wieder haben. Ich möchte die Wärme wieder spüren. Ich möchte irgendwas außer Ungewissheit, Furcht und Verrat fühlen. Etwas das so viel mehr ist, als das. Aber sobald meine Füße auf dem Asphalt zum stehen kommen, sobald der kalte Wind mein Gesicht zu streifen beginnt, fühle ich mich nur verlorener. So viel verlorener.

„Du sprichst mit den Falschen Leuten Nevada. Wir sind nicht die, die begnadigen. Wir sind die, die suchen und finden. Also, wenn du läufst, werden wir dich über den gesamten Globus suchen. Und wir werden dich finden und wieder zurück bringen. Das verspreche ich dir." Der Griff seiner Finger wird mit jeder Silbe fester, sodasser mich unaufhaltsam in das Gebäude zerrt.

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt