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Nevada

Perior, 20.06.2015

Sprachlos betrachte ich das

Gebäude vor mir. Ein Gebäude welches so viele Erinnerungen hervorruft. Ein Gebäude, welches so viel Schmerz in meiner Brust verursacht. Eines vor dem ich Angst habe, dass es mich weich macht. So weich, dass ich die Stärke verliere und mich bereits mit allem vergangenen Auseinandersetzten muss. Etwas das ich erst in ferner Zukunft zu bedenken versuche. Nicht jetzt, nicht heute, nicht hier. Besonders nicht hier.

Mein Blick gleitet in den Spiegel. Mich betrachten die grauen Augen Aufmerksam, doch mir entgeht nicht der Schleier der sich vor ihnen gelegt hat, der sie matt erscheinen lässt. Trostlos.

Seufzend streiche ich meine Haare aus dem Gesicht und stoppe den Motor des Lambos. Ich möchte mich nicht gut fühlen, als die Augen aller auf mir liegen. Als meine Heels bereits nun den Asphalt spüren, während die Tür noch aufklappt. Ich möchte mich nicht gut fühlen, als ich die Sonnenbrille aufsetzte und die Strahlen der viel zu positiven Sonne abschirme. Doch irgendetwas lässt mich groß werden und es macht mir Angst, denn dadurch bemerke ich nur, wie sehr ich mich an dieses Leben gewöhnt habe. Wie sehr ich die Aufmerksamkeit genieße, die ich auf mich gelenkt habe und momentan tu.

Zögernd richte ich mich auf und betrachte den Campus, welcher momentan die freien Stunden genießt. Ich betrachte die Bäume, deren grünen Blätter mir immer Schatten gespendet haben, während ich die neusten Vokabeln gelernt habe. Während ich meine Präsentationen gemacht habe. Ich wurde für ein Streber gehalten- von meinen Freunden. Wir hatten hier gelacht. Wir hatten hier Stunden miteinander verbracht, bis ich eine Unterschrift setzte. Eine Unterschrift die für soviel mehr stand, als drei Monate. Sie stand für meine Rechte als Mensch. Sie stand für meine Rechte als Person. Als freidenkender Mensch. Als Lebendig und menschlich. Sie stand dafür, mir all das zunehmen und mich zu brechen. So sehr, dass ich mich selber vergessen habe.

Mit zitternden Händen schließe ich den Wagen zu und trete auf den Bürgersteig.

Der Wind streift meine Beine, meinen Hals, mein Gesicht und meine Haare. Ich genieße die wenigen Momente, in denen ich mir vorstelle von meiner Mutter wiedergekommen zu sein und in mein Zimmer zu gehen. Normal und in einem Alltag gebunden. Ich stelle mir vor wie ich mich bei Amber über das benehmen meiner Mutter auskotze. Wie sie mich aufzumuntern versucht. Wie wir am ende gar nichts mehr sagen, weil nichts mehr gesagt werden muss.

"Unglaublich." ich spüre wie meine Lunge zugeschnürt wird, als ich die Stimme höre, die ich über ein Jahr nicht mehr gehört habe. ,,Es ist einfach unglaublich." sanft lasse ich meinen Blick über meine Schulter gleiten, um Amber anzublicken. Um ihre Tränenbenetzten Augen zu sehen, die mir den Knoten in den Hals treiben. Die mich in Sprachlosigkeit senden lassen. ,,D-du-" sie bricht erneut ab, lässt die Tränen über ihre Wangen nieder fallen. Wie sie heiß über ihre Haut rinnen. Wie sie verloren in ihrem Gesicht erscheinen. ,,Du bist wieder zurück." Zäh klopft mein Herz gegen meine Rippen. Langsam schlägt es, um jede Faser mit dem quälenden Schmerz zu füllen, der sich in mir breit macht. Der mich daran erinnert, dass ich nicht hier bleibe- das ich nicht zurückgekommen bin.

Ich kann kaum sprechen als ich ihr weiter entgegen schaue. Alles erinnert mich an diesen Schmerz und die Sehnsucht, das Menschliche. Es erinnert mich an ein schlagendes und fühlendes Herz. Mein Blick gleitet von ihr zu ihrer Hand, die mit Rylans verknotet ist. Meine Braue zuckt nach oben, ehe ich mich herum drehe.

,,Nein." es ist bloß ein wispern, dass ihre Lippen verlässt, eines das ich trotzdem gehört habe, aber gewissentlich ignoriere.

,,Du kannst dich doch nicht einfach so umdrehen, Nevada!" ihre Stimme überschlägt sich bei dem bloßen Gedanken, meiner Gleichgültigkeit. Es wird mir zu viel. Es wird viel zu viel. Ich hatte gedacht, dass ich es schaffe, dass ich meine Aufgabe erledige und wieder abhaue. Doch dem scheint nicht so.

Make Me Yours - Keep breathingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt