Henry
21.05.2015, Chicago
„Und hat es sich gelohnt?" Spottend hebt Edward eine Braue, sobald ich das Wohnzimmer betrete und meine Jacke auf die Couch werfe. ,,Halt deinen Mund." Meine Schritte zielen das Regal an, um die Flasche zu umgreifen und die bittere Flüssigkeit meinen Mund triumphieren zu lassen. ,,Also nicht. Weiß er wenigstens etwas?" Wütend schüttle ich meinen Kopf. Wütend spüre ich das klopfen meines Herzens, welches gegen meine Rippen prallt. ,,Nur wilde Spekulationen. Drogenabhängig, versessen und ähnliches. Er glaubt daran das sie schuldig ist." Noch immer fassungslos schüttle ich meinen Kopf und setze die Flasche wieder an. ,,Und was ist, wenn sie wirklich Drogen nimmt? Abwegig ist es nicht, wenn man alles überdenkt sogar logisch."
Verächtlich lache ich auf, als ich seine wage Vermutung wahrnehme. Als ich auch hinter seinen Worten die Dummheit höre. Er beginnt aufzugeben und ich tu es so langsam auch. ,,Hör auf solch eine Scheiße zu erzä-"
„Henry?" skeptisch blicke ich zu Kayla, welche die Tür hinter sich zu wirft und ihre Sachen auf die Couch fallen lässt. ,,Ich habe sie gesehen." Meine Augen ziehen sich zu schlitzen, als ich ihre aufgebrachte Stimme wahrnehme, als ich ihre roten Augen betrachte, als ich das Blut unter ihren Nägeln erblicke. ,,Du bist High Kayla, da sieht man wesentlich mehr." Kopfschüttelnd drehe ich mich von ihr fort und blicke in das warnende Gesicht von Edward. Doch sobald sich die zierliche Hand um meine Schulter schlingt und dazu bringt zu ihr zu blicken, erkenne ich nicht den Wahn, sondern die Dringlichkeit in ihren Augen.
,,Wen hast du gesehen, Kayla?" Vorsichtig tritt Edward zu uns. ,,Nevada. Sie war mit irgendeiner Nutte in dem Brown Viertel." meine Stirn legt sich bei ihren Worten in Falten. Und nun spüre ich ihre Aufregung und ihre Angst um die Frau, die bereits seit über einem halben Jahr fort ist.
„Wir werden aufhören zu suchen." Murmelnd betrachte ich die Flüssigkeit die in der Flasche umherschwirrt und lausche dem Atem von Edward, welcher sich bei unseren Worten zu beschleunigen scheint. ,,Hen-" ,,Sie lebt." Harsch unterbrechend lasse ich meinen Blick zu ihm gleiten. Erkenne den ungläubigen Blick, spüre meinen intensiven. Gefüllt von Angst, von Unsicherheit. ,,Und scheinbar geht es ihr gut, dass ist das wichtigste." Kopfschüttelnd löse ich mich aus meiner Starre, um zögerlich die Flasche nieder zu stellen.
,,Dein Ernst? Hauptsache ihr geht es gut?" Ich verstehe die Verständnislosigkeit mir gegenüber und ich verstehe dass Edward aufgebracht ist, immerhin habe ich versucht sie zu finden und nun, wo wir ihr näher sind denn je, breche ich es ab. Doch Charles beginnt den Deal aufzurollen, er beginnt zu spielen und ich lasse mich dieses einmal nicht darauf ein. ,,Was ist bei Matthew passiert, dass du so ignorant geworden bist?"
Seine Augen beginnen zu glühen. Es ist selten, dass man ihn Wütend erblickt und genau deswegen sollte man Sorge tragen, dass er es mal wird.
,,Du meinst ihr geht es gut? Verdammt hast du Kayla überhaupt angehört oder bist du bereits so vernebelt, dass nichts mehr in dein Verstand geht?" Unkontrolliert gelangt die tiefe in seine Stimme, wodurch seine Schwester zusammen zuckt. Doch erneut sind meine Lippen verschlossen. Ich antworte nicht, ich zeige nichts. ,,Sie ist bei Brown, Henry! Sie ist die Zielscheibe eines jeden." der Schauer der über meine Haut gleitet, lässt mich zögernd meine Augen schließen. Lässt mich das zittern in meinem Körper unter Kontrolle bringen. Lässt mich unsicher und so hilflos wie lange nicht mehr zurück. ,,Edward." Kaylas zitternde Stimme geht zwischen den Ausbrüchen ihres Bruders. Sie versucht ihn zum stoppen zu bringen. Sie versucht ihn zu kontrollieren. Und wenn es nicht sie kann, dann kaum ein anderer. ,,Nichts Edward! Wie kann man- Nein, wie könnt ihr so Hirnlos sein? Wie könnt ihr eure Augen so verschließen." Zögernd gleitet mein Blick über meine Schulter.
Die Tränen sind bereits nun in Kaylas Augen getrieben, denn damit meint er nicht nur mich. Mit der Anschuldigung, meint er nicht das Aufgeben eines Ziels, welches auf uns angewiesen ist. Welches wir versprochen haben aufzupassen. Er meint nicht nur meine Angst, die eine pure Feigheit ist. Er meint Kayla. Er meint ihr benehmen. Ihre Drogen. Ihre eigene Feigheit, in einem ganz anderen Thema. Er meint die Feigheit der Menschen. Die Feigheit dieses Lebens. Eines Lebens, welches nur auf dieses Gefühl aufgebaut wurde.
„Hältst du dich für so Fehlerfrei?" Erneut blicke ich aus dem Fenster und betrachte die sachte Ferne, bis hin zu den Gebäuden Chicagos. ,,Keiner ist Fehlerfrei, Schwesterherz. Aber manche kriegen es hin, sich diese einzugestehen."
Seine Schritte hallen schwer durch die Villa, bis die Tür mit einem Schlag zugeknallt wird und das Echo der Tränen von Kayla zurückbleibt.
„Hör auf zu weinen, du hast es dir selbst eingebrockt." grimmig drehe ich mich um und erkenne noch mit letzten Zügen wie sie sich kopfschüttelnd umdreht und ebenso die Villa verlässt.
Zum zweiten mal heute, wird die Tür zugeknallt. Zum zweiten mal, ertönt die Stille im Nachklang. Gemischt mit all meinen Gedanken. Mit all meinen Sorgen und Zweifeln, die ich zu lösen versuche. Und wenn ich es nicht bei Matthew geschafft habe, muss ich höher aufsteigen. Wenn Matthew mir nichts verraten konnte, dann muss es einer tun, der meine Schwester ebenso bürdig liebt. Selbst, wenn diese vergangen ist und selbst, wenn der Hass zu mir größer ist, als jede Liebe dieser Welt.
Und doch werden meine tobenden Gedanken gestoppt, als ich das schreien des Kindes wahrnehme. Als ich erneut von Kayla enttäuscht werde.
Seufzend laufe ich die Stufen hoch und erklimme das Rosa-Zimmer. Ein Zimmer das soviel Normalität bedeuten könnte, doch soviel leid mit sich bringt. Mein Blick gleitet zu dem kleinen Bett, worin so viele Tränen gesammelt werden. Worin so viel Leid steckt.
Ihre braunen Augen beginnen zu glänzen, ihre Augen beginnen zu strahlen, als sie mich sieht und erkennt. Als sie sich an mich erinnert. Unbewusst und vollkommen verletzlich, bleibt ihr nichts anderes übrig, als mir zu vertrauen. Meine Mundwinkel zucken nach oben, während ich den kleinen Körper aus dem Bett hebe und das verweinte Gesicht betrachte. Als ich ihre sanfte Haut unter meinen Fingern spüre, die mich sie auf ewig beschützen lassen möchte. Als ich ihre kleinen Finger spüre, die sich in mein Hemd krallen, als würde sie jede Chance der Hilfe annehmen. Eine Eigenschaft, die sie in dieser Welt loslassen muss. Und es schmerzt, dass sie dies muss. Es schmerzt, dass sie nicht die Möglichkeit hatte aufzuwachsen wie ich. Liebevoll, Geborgen.
„Deine Mutter, wird wiederkommen. Versprochen."
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Make Me Yours - Keep breathing
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