Ein etwas anderer erster Schultag

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,,Na, komm schon, Du Schlafmütze. Steh endlich auf!“

Plötzlich wurde mir die Decke weg gerissen. Wer in Gottes Namen weckte mich da in aller Herrgotts Frühe? Hatte derjenige sie noch alle? Es konnte doch höchstens fünf Uhr morgens sein. Ich öffnete mein rechtes Auge einen minimalen Spalt weit und sah Lilly neben meinem Bett stehen. Sie war schon komplett angezogen, inklusive Beerdigungs-... äh, ich meine, Schulumhang. Ihr stand er natürlich hervorragend. War ja so was von klar gewesen. Ich musste mir ausgerechnet eine Freundin aussuchen, die wie ein Topmodel aussah und der selbst ein Müllsack gut gestanden hätte. 
„Komm schon, Mimi, raus aus den Federn“, meinte sie grinsend. 
„Ich will aber noch nicht aufstehen“, maulte ich und kuschelte mich stattdessen tiefer in die Kissen. 
„Du musst aber, wenn Du noch frühstücken willst.“
„Ich esse morgens nichts. Ich brauche nur meinen Kaffee.“
„Auch für den wird keine Zeit mehr sein, wenn Du jetzt weiter trödelst.“
„Wie spät ist es denn überhaupt?“
„Viertel vor acht.“
„Oh Fuck!“
Sofort sprang ich aus dem Bett. Ich hatte zwar noch über eine Stunde, bevor der Unterricht anfangen würde, aber ich musste dringend noch duschen und meine Haare waschen. Und meinen Kaffee brauchte ich. Ohne ihn überlebte ich den Unterricht nicht. 
„Bin gleich fertig“, rief ich Lilly zu und flitzte ins angrenzende Badezimmer. 
Es war groß, mit weißen Fliesen. Es gab sogar eine Dusche und eine Badewanne. Aber das interessierte mich jetzt alles nicht, denn jetzt hieß es schnell machen. Mit einem Aufrufezauber ließ ich schnell mein Shampoo, mein Duschbad und ein Handtuch zu mir kommen, denn ich hatte gestern nicht mehr meinen Koffer ausgepackt und hatte es jetzt in aller Eile vergessen. Ich sprang in die Dusche und seifte mich hastig ein. Das Wasser stellte ich extra auf kalt um auch ja einigermaßen fit zu werden. Gott sei Dank hatte mich Lilly geweckt, sonst hätte ich eiskalt verschlafen. Eigentlich hätte ich gestern daran denken müssen, wenigstens meinen Wecker aus dem Koffer zu holen, aber wegen Lillys Geschichte hatte ich das glatt vergessen. 
Zwei Minuten später war ich fertig und trat aus der Kabine um mich abzutrocknen. Dann sprühte ich mich von oben bis unten mit Deo ein. Stinkig musste ich nun wirklich nicht in den Unterricht gehen. 
Nur mit einem Handtuch bekleidet, rannte ich zurück in mein Schlafzimmer und öffnete hastig meinen Koffer. Mist, Mist, mistiger Mist. Was ziehe ich denn jetzt an? Es sollte nicht zu schick, aber auch nicht zu leger wirken. Oh Mann, ich hasse so etwas. Konnte denn mal nicht jemand einen Ratgeber über dieses Thema schreiben? „Teenager und ihre Sorgen: Was trägt man zu welchem Anlass?“ Ich konnte es schon bildlich vor mir sehen. Das wäre definitiv ein Bestseller. 
„Hier, nimm die hier“, meinte Lilly und hielt mir eine schwarze Stoffhose mit leichtem Schlag hin. „Und dazu dieses rote T-Shirt.“
„Ist das nicht zu schick“, wollte ich wissen und zog skeptisch die Augenbraue hoch. Das sah ja aus, als würde ich zu einem Vorstellungsgespräch gehen und nicht in die Schule. 
„Nicht, wenn Du den Schulumhang darüber trägst. Hast Du irgendwo noch schwarze Stiefel oder so?“
„Ja, habe ich. Moment kurz.“
Ich wühlte in meinem Koffer. Natürlich mussten diese Scheißdinger ganz unten sein. War ja mal wieder klar. Also machte ich kurzerhand folgendes: Ich kippte den gesamten Inhalt einfach auf den Boden. So ging es am schnellsten. Und TADAAAAA, da waren sie. 
„Mimi, was tust Du denn da“, rief Lilly entsetzt. „Du kannst doch nicht einfach alles auf den Boden schmeißen! Du wirst Stunden brauchen, um dieses Chaos zu beseitigen! Du musst alles wieder zusammen- und dann in den Schrank legen.“
„Moment, das haben wir gleich.“
Ich schwang meinen Zauberstab, alle Klamotten flogen in die Luft und legten sich selbst zusammen. Noch ein Schlenker und die Schranktür öffnete sich und sie flogen hinein und stapelten sich ordentlich. Noch einmal und meiner Bücher flogen ins Bücherregal über den Schreibtisch, meine Schminksachen auf die Frisierkommode und das Duschzeug und die Handtücher ins Bad. Nichts lag mehr am Boden, sondern alles war auf seinem Platz.
„Besser“, fragte ich meine Freundin und sah zufrieden, wie sie mich mit offenem Mund anstarrte.
„Wie hast Du das gemacht“, wollte sie erstaunt wissen. 
„Ein ganz einfacher Aufräumzauber. Den habe ich mir schon in der ersten Klasse beigebracht. Glaubst Du etwa, ich habe Lust, ständig meine Sachen per Hand aufzuräumen? Nein, vielen Dank, das ist mir zu blöd.“
„Den musst Du mir dringend beibringen.“
„Mach ich gerne, wenn ich etwas mehr Zeit habe, okay? Jetzt muss ich mich schnell fertig machen. Gib mir sieben Minuten, dann bin ich fertig.“
„Das glaube ich ja nie. Du musst Dir noch Deine langen Haare föhnen, vergiss das nicht. Allein damit bist Du schon mindestens eine Viertelstunde beschäftigt.“
„Bist Du Dir da sicher?“
„Hmm, bei Dir würde mich nichts mehr überraschen, also nein. Sicher bin ich mir ganz und gar nicht.“
„Warte es einfach ab.“
Und los ging es. Schnell in Unterwäsche, Klamotten, Schulumhang (BÄÄÄH!) und Stiefel springen. 1,5 Minuten. An die Frisierkommode eilen und ein leichtes Make-up auflegen (Lidschatten, Kajal, Wimperntusche). Weitere 4 Minuten. Ein Tipp so ein Rande: Schminken sollte man sich wirklich lieber selbst. Das sah furchtbar aus, wenn man sich das hinzauberte. Zauberstab schwingen und Haare trocknen. 0,5 Minuten. Zauberstab wieder schwingen, damit man schöne große Wellen in den Haaren hatte. Noch einmal 0,5 Minuten. Schmuck anlegen. 
„FERTIG“, rief ich freudig aus. 
„Der Wahnsinn. Auf die Sekunde sieben Minuten. Wie machst Du das nur? Ich brauche morgens immer ewig.“
„Alles eine Frage von Magie und Geschwindigkeit.“
„Was genau hast Du mit Deinen Haaren gemacht? Kannst Du mir das auch zeigen?“
„Ja, natürlich, aber erst, wenn ich meinen Kaffee intus habe. Und jetzt komm. Filou, bei Fuß!“
Ich schnappte mir noch schnell meine Schultasche, die fertig gepackt am Schreibtisch stand und verließ zusammen mit meinen Freunden das Zimmer.  

Come fly with me loving batWo Geschichten leben. Entdecke jetzt