Seine Augenringe waren ziemlich tief, wie ich es erwartet hatte. Er lächelte leicht und wirkte anders.
„Guten Morgen!", trällerte er.
Ich versuchte, meinen wütenden Blick aufzusetzen, aber das schien mir einfach nur noch lächerlich im Angesicht von Max' guter Laune. Zur Rede stellen würde ich ihn trotzdem noch.
„Schön, dich zu sehen, Max! Ich wusste gar nicht, dass du schon auf bist", meinte Elizabeth nachdrücklich. Was für eine Botschaft sollte das jetzt vermitteln?
Max schnappte sich mit einer flinken Bewegung einen Pfannkuchen.
„Ich dachte, so einen schönen Sommertag darf ich nicht verpassen."
Warte...was? Ich verstand nur noch Bahnhof.
„Wollt ihr beide nicht heute zum See fahren? Das Wetter ist so toll!", schlug Elizabeth vor.
Max zuckte mit den Schultern.
„Ja, das ist eine super Idee, Liz! Belle, das lohnt sich wirklich", antwortete Maggie schnell auf meinen ablehnenden Blick. Regelrecht gezwungen gab ich nach.
„Warum nicht?", sagte ich wenig glaubwürdig. Erst nachdem ich die Worte ausgesprochen hatte, merkte ich, dass Max gestern die gleiche lustlose Antwort von sich gegeben hatte.
„Cool", meinte Max, „Nimm ein Handtuch mit!"
Sein Pfannkuchen war jetzt schon verdrückt.
„Kann ich noch einen?", fragte er mit vollem Mund. Bah.
Maggie lachte nur und tat ihm noch einen Pfannkuchen auf den Teller. Auch dieser war sofort verschwunden.
„Ich mach euch noch ein bisschen Verpflegung, dann könnt ihr los. Pack doch schon mal deine Sachen, Belle", meinte Maggie.
„Nun, da gibt es nur ein Problem", druckste ich herum, „ich habe nämlich keine Ahnung, wo es wieder zu meinem Zimmer geht."
Alle drei lachten. Ich fand diese Heiterkeit der anderen langsam nicht mehr normal, fast aufgezwungen. Wie in einer alten amerikanischen Fernsehserie, in der alle die perfekte Familie vorspielten.
„Komm, ich zeig dir, wo du entlang musst", sagte Max etwas herablassend und sprang vom Tisch auf.
Ich stand auch auf. Max war merkwürdig.
Aber ich würde gleich die Gelegenheit haben, ihn auf gestern Abend anzusprechen.
Als wir um die erste Abzweigung des Flurs gegangen waren und am Fuß der riesigen Treppe standen, sprach ich ihn an.
„Was war das eigentlich, gestern Abend?"
„Was meinst du?"
„Na, dein Saufgelage direkt unter meinem Fenster?"
Er sah immer noch so aus als verstände er nur Bahnhof.
„Du hast mich ‚Schlampe' genannt und gerufen, dass du mich hasst?" Ich verlieh meinen Worten ein wenig Nachdruck.
„Oh." Eine Erkenntnis traf ihn und ich sah in seinen Augen einen Funken... Reue?
„Es betrifft dich nicht", sagte er nüchtern.
Was?
„Ist mir ein bisschen unangenehm, darüber zu reden. Es war nicht wegen dir. Oh mein Gott, wer wäre so bescheuert, sich so schnell ein Urteil über eine Person zu bilden?" Im letzten Halbsatz konnte ich wieder seine arrogante Art hören.
Beschämt wandte ich mich ab.
„'tschuldigung dass ich dich so angemacht habe", nuschelte ich leise. Das Ganze war mir furchtbar peinlich. Als gäbe es keine anderen Personen in seinem Leben.
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Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne Manor
ParanormalAls Annabelle erfährt, dass sie ihre Sommerferien bei ihrer Großmutter verbringen soll, ist sie nicht gerade begeistert. Elizabeth wohnt nämlich isoliert, umgeben von nichts als weiten Feldern und Natur. Und sie ist, laut Belles Mutter, der Teufel...