Kapitel 38

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„Schnell, verstecken Sie sich hinter der Tür", raunte er mir zu. Ich tat wie geheißen, die Person vor der Tür klopfte noch energischer.

„Jaja, schon gut!", rief Arthur, ergriff mit einem Seitenblick zu mir den Türknauf und drehte ihn. Ich war ihm mal wieder komplett ausgeliefert.

„Johnson! Was machen Sie denn hier?", hörte ich Arthurs verwunderte Stimme, zwischen uns nur das Türblatt.

Aus Angst davor, entdeckt zu werden, hielt ich die Luft an.

„Der Graf lässt nach Ihnen schicken. Es ist noch etwas aufgetreten, von dem Sie wissen sollten."

Das Herz rutschte mir in die Hose. Meinte er etwa mich?

„Kann das nicht bis morgen warten?", erwiderte Arthur gespielt müde.

„Nein, Sir, Mr Hawthorne hat sich klar ausgedrückt: Er verlangt augenblicklich nach Ihrer Anwesenheit im Kaminzimmer."

„Nun gut", seufzte er, „ich bin in fünf Minuten unten, richten Sie ihm das bitte aus, ja?"

„Perfekt, Mr Spencer. Vielen Dank", sagte Johnson und Arthur schloss die Tür hinter ihm.

Erleichtert stieß ich die Luft aus, die ich angehalten hatte. Noch war ich nicht entdeckt worden.

„Hören Sie zu, Belle, auf Hawthorne ist momentan so einiges los. Ich werde Sie später aufklären. Aber ich befürchte, dass dieses Treffen momentan höchste Priorität hat."

Er schaute mich nachdrücklich an, als wollte er mir etwas mitteilen, was ich nicht verstand.

„Kein Problem", antwortete ich, war aber innerlich enttäuscht. Arthur würde mich erneut allein lassen – in diesem langweiligen Raum, den ich aufgrund meiner Erscheinung nicht verlassen konnte.

Seufzend starrte ich auf die hölzerne Tür, die sich vor meinen Augen gerade geschlossen hatte.

Ich hatte es ihm also erzählt.

Was mochte das für Konsequenzen haben? Eigentlich hatte ich über diese ganze Zeit-Geschichte kaum nachgedacht. Gab es da nicht diese unzähligen Bücher und Filme? Zurück in die Zukunft, irgendein Roman von Stephen King. Da waren Probleme aufgetreten, die die Zeit an sich betrafen. Eine einzige Veränderung konnte ganze Familien auslöschen.

Ob das wohl auch in der Realität stimmte? War es überhaupt möglich, dass ich hier etwas veränderte, oder war das in meiner Gegenwart nicht schon längst geschehen?

Gedankenverloren stand ich noch immer dort, wo Arthur mich zurückgelassen hatte, so, als würde er jeden Moment wiederkommen und ich könnte von meinem Pausenmodus wieder erwachen.

Es würde nichts bringen, hier einfach nur herumzustehen. Aber ich wollte auch nicht zurückreisen, dann würde ich Arthurs Rückkehr vielleicht verpassen...

Gelangweilt setzte ich mich auf das schmale Fensterbrett und schaute in die Landschaft.

Es war 18:27:48:11 Uhr. Das Unwetter hatte sich langsam gelegt und eine graue Wolkendecke, hie und da von Sonnenstrahlen in goldenes Licht getränkt, lag drückend auf der Landschaft.

Der Wind hatte langsam nachgelassen. Vorsichtig schob ich das Fenster auf und ein kühler Luftzug umwirbelte mich. Fast zu kalt für Sommer. In England konnte man sich nie auf das Wetter verlassen. Verloren starrte ich auf die dunklen Baumwipfel am Horizont. Vor wenigen Tagen war ich dort mit Max noch schwimmen gewesen. An ihn wollte ich jetzt ganz bestimmt nicht denken, denn dann kamen mir nur sein am Boden zerstörtes Gesicht und Liz ins Gedächtnis. Liz, die im Krankenhaus lag. Und ich war unverantwortlicherweise einfach abgehauen. Schuldig kaute ich auf meiner Unterlippe.

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt