Ich schreckte auf und entdeckte Max, der es mir gleichgetan hatte und oben auf dem Wasser trieb. Er war zwar ziemlich schlaksig, aber seine sehnigen Muskeln waren beeindruckend.
Ich spritzte ihm Wasser ins Gesicht, um auf mich aufmerksam zu machen.
„Ich wette, ich kann vor dir bis zum Steg zurückschwimmen!", rief ich.
„Und was ist mit dem Boot?", rief der etwas benommen aussehende Max.
„Scheiß auf das Boot!" Mit starken Kraulzügen teilte ich das Wasser vor mir, verschmolz mit der Masse, die hinter mir wieder zusammenklatschte.
Ich sah gar nicht, ob er überhaupt folgte, ich war eins mit dem Wasser. Atmen, linker Arm, rechter Arm, linker Arm, Atmen. Zwischen den Schwimmzügen schaute ich seitlich nach oben. Der Steg war nur noch zehn Meter entfernt, aber ich spürte rechts von mir einen Sog, der nur Max sein konnte. Noch einmal spannte ich meine ganze Muskulatur an und verdoppelte meinen Beinschlag. Meine Arme tauchten wie Pfeile in das Wasser ein. Drei Meter, ein Meter. Keuchend schlug ich am Holzpfeiler an und blickte mich um. Schleimige Algen umschlängelten meine Beine. Unangenehm.
Genau fünf dreiviertel Sekunden später kam Max an. Ich strahlte ihn mit einem Gewinnerlächeln an.
„Das war nicht fair", keuchte er. „Du", er musste eine kurze Pause machen, um nach Luft zu schnappen, „hast nicht... warst vorbereitet..."
Er rang erneut nach Luft. „Puh, du bist echt schnell", gab er zu.
Ich lächelte stolz und hievte mich auf die Holzplanken. Meine Füße baumelten im Wasser. Max kam auch ächzend aus dem Wasser.
Die Sonne schien auf uns und wärmte meine kühlen Knochen. Ich vergewisserte mich, dass mein Bikini noch saß. Ich hatte zwar einige Kilos zu viel auf den Rippen, doch ich konnte durchaus im Bikini herum laufen, ohne dass es allzu lächerlich aussah.
Im Augenwinkel sah ich, dass Max mich von der Seite ansah und dann beiläufig zum See schaute. Mein Gesicht wurde etwas warm.
„Der See ist echt schön", bemerkte ich.
„Ja, nicht wahr?"
Das Paddelboot lag malerisch in der Mitte des Sees.
So weit war ich geschwommen? Keine schlechte Zeit, dafür.
Ich schaute kurz zu Max herüber. Seine sonst so fluffigen Haare klebten an seinem Schädel und er sah einfach zum Schreien komisch aus. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich dem Drang, zu lachen, nicht widersetzen.
„Was ist los?", wunderte sich Max.
„Nichts, alles gut", sagte ich, konnte aber nicht aufhören zu lachen. Mist.
Max fing auch an zu grinsen. „Du bist manchmal echt komisch, Belle."
Das brachte mich noch mehr zum Lachen, sein schiefes Grinsen gab mir den Rest. Dann haute Max irgendeinen schlechten Flachwitz heraus, an den Inhalt kann ich mich gar nicht mehr erinnern, aber wir beide kugelten uns vor Lachen.
Irgendwann wurden wir wieder ernst und schwiegen.
„Wie oft kommst du hier her?", fragte ich.
„Ich verbringe hier meinen ganzen Sommer, ich komme mindestens einmal in der Woche her, wenn ich Zeit habe. Im Frühling springe ich manchmal zum Spaß rein, letztes Jahr war ich sogar mit ein paar Freunden Neujahrsschwimmen."
„Cool. Ich war diesen Januar im Severn schwimmen. Echt kalt."
„Das hat was. Ich liebe das Gefühl, wenn du heraus kommst und die Kälte draußen dir nichts mehr anhaben kann, weil du sowieso komplett durchgefroren bist", erklärte er. Ich wusste, was er meinte.
„Was hältst du davon, wenn wir zurück zum Boot schwimmen und uns über Maggies Picknick hermachen?", schlug er vor. Mein Magen knurrte zustimmend. Wir schwammen diesmal langsam zurück zu der kleinen Nussschale.
„Wie kommen wir da jetzt hoch?" Der Bootsrand ragte etwa dreißig Zentimeter über mir auf.
Max hievte sich sehr ungelenk über die Reling, das Boot kenterte nur deshalb nicht, weil ich mich an die andere Seite gehängt hatte.
„Versuch es auch", riet er mir. Ich klammerte mich fester an die Kante und drückte mich mit einem kräftigen Schwimmzug nach oben. Sofort packte Max meinen Arm und unterstützte mich, als ich ungelenk mein Bein über den Rand ins Bootsinnere hievte. Noch ein Bein. Geschafft.
„Das fand ich jetzt anstrengend", neckte ich ihn.
Er gab vor, meine Bemerkung nicht gehört zu haben und kramte in seinem Rucksack schon nach dem Essen. Es stellte sich heraus, dass Maggie uns nicht nur jeweils zwei dick belegte Sandwiches mitgegeben hatte, sondern auch noch vier große Stücke „Carrot Cake".
„Will sie uns mästen?", scherzte ich.
„Jepp", erwiderte Max ernsthaft. Mit einem Zwinkern gab er mir meine Sandwichs, die ich gierig verschlang.
„Was ist Maggie eigentlich genau? Haushälterin?"
„So in etwa." Seine kurze, ernste Antwort überraschte mich, im Angesicht dessen, wie er heute gelaunt war. Ich schaute von meinem Sandwich auf.
„Und du lebst hier seit deiner Geburt? Wie kommt's?" Ich wollte jetzt ein für alle Mal klären, was es damit auf sich hatte. Und nach dem entspannten Tag schien mir der rechte Zeitpunkt gekommen.
„Was interessiert dich das eigentlich so?" Seine Patzigkeit erinnerte mich eher an den Max, den ich gestern kennengelernt hatte, nicht die positive Version, die er seit heute Morgen aufgelegt hatte.
„Ich weiß nicht, vielleicht weil ihr alle so ein Aufhebens darum macht", gab ich zurück. Seine Augen verengten sich zu einem schmalen Spalt.
„Vielleicht...ein anderes Mal. Belle, glaub mir, auf die meisten deiner Fragen hätte ich auch gern Antworten. Aber bitte hör auf, mich damit zu belästigen." Nur seine Stimme verriet, dass er ziemlich genervt war. Sein Gesichtsausdruck war wieder normal geworden.
Ich wollte es nicht dabei belassen.
„Wieso erzählst du mir nicht, warum du dich nachts betrinkst? Was ist denn los?"
Er schaute mich vielsagend an.
„Ich bin kein offener Mensch. Ich erzähle nicht jedem Wildfremden meine Lebensgeschichte, also lass es doch gut sein."
Wir schwiegen und ich fand die Stille etwas peinlich. Warum hatte ich auch so nachbohren müssen?
Schweigend aßen wir auf und Max holte den Anker hoch. Schon um 15:46 Uhr war unser Ausflug also beendet.
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Ist ein bisschen kurz geworden 🤔 hoffe, es gefällt euch trotzdem!
Ich habe meinen Benutzernamen zu @buecherkatzeee geändert, einfach nur um die Zahlen loszuwerden😊
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Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne Manor
ParanormalAls Annabelle erfährt, dass sie ihre Sommerferien bei ihrer Großmutter verbringen soll, ist sie nicht gerade begeistert. Elizabeth wohnt nämlich isoliert, umgeben von nichts als weiten Feldern und Natur. Und sie ist, laut Belles Mutter, der Teufel...