Kapitel 29

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Er hatte schon in 1940 existiert. Das erklärte, wieso er so alt aussah. Doch wieso hatte er so gestunken? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er in der heutigen Zeit irgendwelche Ausdünstungen von sich gegeben hatte.

Also musste jemand darin gewesen sein. Oder etwas.

Andererseits hatte ich mir den Geruch vielleicht auch nur eingebildet. Mir war so schlecht gewesen, in dem Moment. Kurz darauf war ich zusammengebrochen, genau dann, als die merkwürdige Frau verschwunden war. Die Frau mit den langen Haaren.

Ich wurde einfach nicht schlau daraus. Gab es Geheimgänge auf Hawthorne Manor?

Nein. Sie war nicht davon gerannt. Sie war einfach weg gewesen.

Das war nicht möglich, natürlich war mir das bewusst. Es musste eine andere Erklärung geben. Was wohl Arthur darüber dachte?

Ich seufzte. Worüber ich auch nachdenken mochte, ich landete immer wieder bei ihm, als würden alle meine Gehirnströme in diese eine Richtung gepolt worden sein, in der mein Bauch angenehm anfing zu kribbeln. Wo ich mich danach sehnte, wieder fort von hier zu sein, fort aus der verlassenen, leeren Welt, in der vier Leute dieses viel zu große Haus bewohnten.

Ich richtete mich ein wenig in der Hängematte auf.

„Fühlst du dich nicht manchmal einsam, hier?", fragte ich Max.

Er schaute mich direkt an, so als wollte er wissen, was in meinem Kopf vor sich ging.

„Manchmal, ja", gab er zu. „Aber ich mag es so. Ich kann mich zurückziehen, wenn ich möchte. Und wenn ich Gesellschaft brauche – Maggie hat immer ein offenes Ohr. Das Dorf ist auch nicht weit..."

Die Antwort passte zu Max. Er wirkte wie jemand, der ein wenig maulfaul war und es ab und zu brauchte, komplett allein zu sein, um beim nächsten Gespräch noch selbstbewusster und positiver zu erscheinen.

Mühsam zwängte ich mich aus der Hängematte und ließ mich neben Max nieder, der das Sitzpolster für die Bank wie eine Picknickdecke auf dem Boden ausgebreitet hatte.

„Seit wann arbeitest du an dem Garten?"

„Schon etwa... seit ich zehn bin, glaube ich. Mr Thompson, der Gärtner, der mit seinen Kollegen zwei Mal im Monat kommt, hat mir alles beigebracht, was ich wissen musste. Liz hat mir die nötigen Biologiebücher über Pflanzen besorgt, und schon war ich beschäftigt."

Er grinste verschmitzt.

„Das muss davor ja anstrengend gewesen sein, für Elizabeth", lachte ich.

„Ja, ja, das war es." Max lachte ebenfalls.

„Weißt du, als du angekommen bist..."

Das klang ja interessant. Ich spitzte die Ohren.

„Ich hatte gerade einen riesigen Streit mit Elizabeth hinter mir. Sie wollte mir einfach nicht sagen, wer meine Eltern sind. Da hast du richtig gelegen. Ich weiß, dass sie ihre Namen zumindest kennt."

Er seufzte.

„Nach ihren Erzählungen hat meine Mutter mich vor den Toren des Anwesens ausgesetzt, und Mr Thompson hat mich mitgenommen, zu Liz. Mit der Zeit habe ich festgestellt, dass die Geschichte so einige Ungereimtheiten hat. Zum Beispiel, dass von mir alle Dokumente vorhanden sind, Geburtsurkunde und so. Und wer setzt sein Kind schon mit Geburtsurkunde aus? Bei den Eltern steht nichts. Auf der Urkunde, meine ich. Höchst mysteriös. Und Liz weiß etwas. Mr Thompson hat bestritten, mich gefunden zu haben und..."

Er schwieg kurz.

„Ich war so wütend, weil sie so viel von mir erwartete. Ich soll studieren, und nicht ‚hier abhängen'."

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt