Für einen Moment vergaß ich die mysteriöse Person, die soeben vor mir davon gerannt war. Für einen Moment vergaß ich meine(n) Stalker(in) in Hawthorne. Für einen Moment vergaß ich, dass ich ins Jahr 1940 gereist war. Für einen Moment vergaß ich, wie kaputt die Welt in 1940 war, wie kurz sie vor dem Zusammenbruch stand.
Der Mensch ist ein egoistisches Wesen...
Ich war ich selbst, Annabelle Richardson, geboren 1998 in London, England. Ich war keine Heldin oder so, ich musste die Welt nicht retten. Alles würde seinen Lauf nehmen. Deutschland, Italien, Japan; sie alle würden besiegt werden. Deutschland würde ein Land sein, in das ich 2013 mit einem Schüleraustausch fahren würde.
Doch es gab nichts, was vollkommen perfekt war. So musste auch dieser Moment zerstört werden. 19:37:26:44 Uhr ruinierte den Abend. Zuerst hörte die Combo auf, zu spielen.
Wir alle schauten uns verwirrt um, Arthur wurde plötzlich ernst. Es war auch zu schön gewesen, als dass es so hätte bleiben können.
Neben den perplexen Musikern stand eine Furie, knallrot vor Zorn. Die eisblauen Augen funkelten aufgebracht durch die Menge. Sie blieben an mir haften. Meine Knie wurden ganz weich, als die Gräfin anfing, ihre Anschuldigungen zu verbalisieren.
„Es ist ein Dieb unter uns!", schrie sie. „Ein Krimineller, der meine silberne Kette aus meinen Gemächern entwendet hat!"
Mittlerweile eilte der Earl zu seiner Frau und versuchte, sie zu beschwichtigen. Aber meine Urgroßmutter starrte mich weiter an. Dachte sie, ich wäre die Schuldige?
Natürlich. Wir waren alle Diebe und Gauner, Kriminelle, die als Sklaven gehalten werden sollten.
Auf der Tanzfläche war ein kleiner Tumult losgebrochen. Alle prüften, ob ihre Wertgegenstände noch vorhanden waren. Die Leute tuschelten, eine nervöse Stimmung lag in der Luft.
Arthur führte mich an den Rand, prüfte selbst seine Taschen. Ich spürte die Blicke.
Es war mir unangenehm, hier zu stehen, und ich fühlte mich nackt, bloßgestellt.
Herausfordernd starrte ich zurück, meiner Unschuld bewusst.
Mein Selbstbewusstsein sank zu einem Häufchen Asche zusammen, als ich sah, wie der Earl und seine Frau auf mich zu stolzierten.
„Sie haben nichts zu befürchten", flüsterte Arthur mir zu. „Solange Sie nichts getan haben."
Wütend starrte ich ihn an.
„Sie denken doch nicht etwa, dass ich diese blöde Kette gestohlen habe?"
„Keine Ahnung. Ich weiß nichts über Sie", argumentierte er, „Sie tauchen auf und verschwinden, wie es Ihnen beliebt, und verlangen, dass ich Ihnen alles abkaufe. Würde das nicht auch eine Diebin tun?" Er wirkte misstrauisch und plötzlich kaum wiederzuerkennen. Der Satz war wie ein Schlag in die Magengrube. Innerlich wusste ich aber, dass seine Besorgnis nicht unbegründet war.
„Okay, Arthur, hören Sie mir zu." Ich sah ihn eindringlich an. „Ich habe damit nichts zu tun. Ich erkläre Ihnen gern alles, wenn Sie mir jetzt helfen. Ich erzähle Ihnen, wohin ich verschwunden bin. Wenn Sie mir jetzt glauben und mich jetzt in Schutz nehmen. Ich weiß, dass Ihr Wort mehr zählt, als mein eigenes." Allmählich wurde es komisch, ihn zu siezen.
„Sie geben also zu, sich vorhin in Luft aufgelöst zu haben?", stellte er klar. Oh Mist. Verplappert.
„Es gibt eine Erklärung. Helfen Sie mir jetzt, bitte!", zischte ich ihm zu. Meine Urgroßeltern hatten uns gerade erreicht.
„Ist bei Ihnen noch alles vorhanden?", fing der Earl das Gespräch an. Sein Lächeln war immer noch freundlich, seine Augen eiskalt. Mein Herz rutschte in die Hose, als ich den anschuldigenden Blick der Gräfin sah.
DU LIEST GERADE
Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne Manor
ParanormalAls Annabelle erfährt, dass sie ihre Sommerferien bei ihrer Großmutter verbringen soll, ist sie nicht gerade begeistert. Elizabeth wohnt nämlich isoliert, umgeben von nichts als weiten Feldern und Natur. Und sie ist, laut Belles Mutter, der Teufel...