Epilog

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Es ist 11:34:16 Uhr, Sonntag, 15. Juli 2018.

Die Sonne lässt den Garten hinter Hawthorne Manor in den schönsten Farben erstrahlen. Max und ich tauschen einen Blick und ich sehe, dass er vor Nervosität zittert. Ich nicke ihm zu.

Max, der wirklich umwerfend in seinem Anzug aussieht, wirft endlich einen Blick auf den Gang zwischen den hölzernen Stühlen. Auf ihnen sitzen geliebte Personen, Mum, Maggie. Zahlreiche Hotelgäste haben sich zwischen Max' Freunde und seine kleine Familie gemischt. Sie wirken ein wenig verwirrt und deplatziert, aber Max wollte sie dabeihaben. Er steckt wirklich viel Herzblut in das Hotel, das muss man ihm lassen.

Wir sind nur wenige Meter von dem Ort entfernt, an dem Max damals versucht hatte, mich zu küssen. Eine merkwürdige Vorstellung, finde ich, und mein Blick kreuzt Max' Blick zu einer Person neben ihm.

Ein stattlicher, aufrechter Mann steht neben ihm und lächelt mich wissend an. Sein Bart verdeckt die scharfen Gesichtszüge und ein freundliches Lachen liegt in den beinahe schwarzen Augen. Arthur freut sich für Max und genießt Hawthorne Manor, wo er viele Jahre mit seiner Tochter hatte verbringen dürfen – um mich dann wiederzufinden.

Ich runzle spielerisch die Stirn, denn sein Blick wird beinahe zum Starren. Das Lächeln wird noch verwegener.

In unserer stillen Kommunikation bemerken wir kaum, wie Amy die Stufen des niedrigen Podests betritt. Mit einem Mal steht sie neben Max. Sie sieht wunderschön aus mit ihrem rötlich-blonden Haar, das aufwändig hochgesteckt ist, und in ihrem cremefarbenen Kleid im Meerjungfrauenschnitt.

Amy und Max passen hervorragend zusammen. Sie haben kurz nach dem bedeutungsvollen Sommer 2015 wieder zueinandergefunden. Amy ist laut und bestimmend, aber sie hört Max zu, wenn er etwas braucht. Sie ist ein herzlicher Mensch und versteht sich bestens mit Maggie, Max' Adoptivmutter, wenn man so will. Mum ist kein großer Fan von ihr – aber es ist schließlich auch sehr schwer, sie von irgendetwas zu überzeugen.

Ein Pastor aus Green Hill traut die beiden und es ist eine wunderschöne Zeremonie. Die Schäfchenwolken ziehen langsam über uns hinweg und erinnern mich an den Sommerball von 1940. Hawthorne Manor bleibt wirklich zeitlos, denn die Atmosphäre ist die Gleiche, das leise Klavierspiel identisch. Arthur schaut zu mir, als die beiden ihre Gelöbnisse austauschen und in jenem Moment möchte ich am liebsten, dass er vor mir steht und mir seine Liebe gesteht, die uns danach unser Leben lang binden würde. Ich stelle mir vor, wie er mich vor dem Jubel all dieser Menschen küsst und wir gemeinsam, Hand in Hand, den Gang zu unserer eigenen Feier hinuntergehen. Und wenn ich die Augen schließe, höre ich Max' Worte „Ja, ich will" in Arthurs Stimme. Ein angenehmes Kribbeln durchzieht meinen Körper. Ich träume, als das frisch getraute Paar an uns vorbeigeht, ich klatsche wie in Trance. Arthur überwindet die wenigen Meter von seiner Seite zu mir und ergreift meine Hand.

„Das war... wunderschön", hauche ich, als ich wieder in die Realität zurückfinde.

„Lass uns noch ein wenig bleiben", bittet Arthur. „Die Feier kann auch noch ein wenig warten."

Ich verstehe, was er meint, denn diese Szenerie hat wohl nicht nur in mir ein Déjà-Vu ausgelöst.

Alle Gäste verlassen langsam hinter dem Paar den Garten in Richtung Terrasse, wo die Festivitäten stattfinden werden.

Ich hake mich bei meiner Begleitung ein und wir gehen in die andere Richtung, hinein in Max' Garten, der seine verwunschene Schönheit behalten hat. Wir gelangen zu dem Pavillon aus eisernen Stangen, der mittlerweile fast vollständig bewuchert ist, und lassen uns auf der Bank nieder.

„Ich wünschte, Elizabeth hätte Max so sehen können", sagt Arthur melancholisch. Er hat sie deutlich länger als ich gekannt und ihr Tod vor wenigen Monaten ist ihm sehr nahegegangen.

„Wer weiß, vielleicht tut sie das ja gerade", versuche ich, ihn aufzumuntern und schaue auf zu den zarten Wolken.

Er drückt ein wenig dankbar meine Hand und ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.

„Ich will auch so eine traumhafte Hochzeit", sage ich nach einer Weile und das Kribbeln setzt wieder ein.

Wie vom Blitz getroffen setzt Arthur sich gerade auf und schaut zu mir.

„Lass es uns machen", ruft er euphorisch. „Lass uns noch diesen Sommer heiraten!"

Bisher haben wir noch nicht wirklich darüber gesprochen und dementsprechend perplex schaue ich ihn an.

„Aber wir sind doch erst seit drei Jahren...", erwidere ich, aber kann nicht einmal aussprechen, so aufgedreht ist Arthur plötzlich.

„Das ist egal, Belle. Ich kenne dich schon viel länger, beinahe zwanzig Jahre, auch wenn es nicht so aussehen mag. Als du in meinem Zimmer aufgetaucht bist, habe ich es gespürt: diese magische Anziehungskraft zwischen uns. Wir sind wie zwei unterschiedlich gepolte Magnete, wir können nicht voneinander lassen. In meiner Zeit mit Maggie habe ich erfahren, was Familienglück bedeutet, aber das wahre Glück der Liebe habe ich erst in den letzten drei Jahren kennengelernt. In den einsamen Nächten habe ich mich nach deiner frechen Stimme gesehnt, obwohl ich sie kaum kannte, und in der harten Zeit, in der Maggie mich verabscheute, habe ich dein Gesicht gezeichnet, um endlich wieder etwas Schönes zu sehen. Drei Jahre sind wie im Flug vergangen, und ich möchte kein weiteres ohne dich leben.
Wieso machen wir es nicht einfach? Belle Richardson, ich liebe dich. Nicht nur, weil du mich immer wieder gerettet hast, sondern weil du so vollkommen bist. Ich bin unendlich dankbar, dass ich dich kennenlernen durfte. Heirate mich, das ist keine Frage, sondern ein Befehl."

Mein Sichtfeld verschwimmt unter Tränen der Rührung.

Ohne ihm antworten zu müssen, schließlich hat er alles gesagt, küsse ich ihn. Es ist diesmal ein wirklich guter Kuss, nicht nur, weil er mit Arthur ist. Alles in mir brennt vor Freude, und die unstillbare Sehnsucht nach seiner Nähe scheint für einen Moment befriedet.

Viel zu spät erreichen wir die Hochzeitsfeier, aber ich glühe vor Glück und deswegen ist das nicht schlimm.

Es ist 13:21:41 Uhr, als Arthur und ich Max eine peinliche Rede halten, über die er sich – warum auch immer – so sehr freut, dass er beinahe in Tränen ausbricht.

Der Abend ist wunderschön, wir alle trinken viel zu viel, als für uns gut ist, und Arthur und ich schleichen uns für ein wenig Zweisamkeit gegen ein Uhr morgens zurück in den Garten, in dem wir uns wenige Stunden vorher verlobt haben.

Wenn ich jetzt bei einem Blick in die Sterne zurückschaue, weiß ich, dass 2015 der beste Sommer meines Lebens gewesen ist. In diesem Sommer habe ich mich selbst kennenlernen und einen Teil der Geschichte sehen dürfen, der meinen Altersgenossen - zum Glück - immer verborgen bleiben wird.

Doch ich bin für jede Millisekunde dieser Zeit dankbar, daran erinnert mich Arthurs Lächeln und seine Arme, in denen ich liege.

Mein Leben scheint in dieser winzigen Unendlichkeit perfekt. Wie geplant studiere ich Pharmazie. Arthur und ich wohnen in einer kleinen Wohnung außerhalb des Zentrums, in die wir nun als Verlobte zurückkehren können. Und wenn einer von uns sich an Arthurs Tod oder den Bombenhagel nur allzu plastisch erinnert, trösten wir uns gegenseitig. Wir sind die Einzigen mit dem Wissen, und das ist gut so.

Mum hat vor wenigen Wochen beschlossen, dass sie nach Hawthorne Manor ziehen möchte, zurück zu ihrem Sohn.

Die Zeitlosen sind bis jetzt eingesperrt geblieben, das wird auch so bleiben, denn das Geheimnis wird weiterleben in den Seelen unserer Kinder. Und wer weiß, was die alles für Abenteuer erleben dürfen?

Zeitlos - Ein Sommer auf Hawthorne ManorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt