19 - Rica

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In Victors Auto quetschte sich Raphael zu Rica auf die Rückbank. Zwischen ihnen stapelten sich Kartons, zerschlissene Comichefte, Blumenerde und ein Kasten Bier. Raphael wollte sich erst gar nicht ausmalen, wie es im Kofferraum aussah.

Victor selbst saß am Steuer, neben ihm ein blondhaariges Mädchen, das ihm immer wieder lange Blicke zuwarf und wegsah, sobald er zu ihr herüber blinzelte.

„Nicht, dass ich es euch anders wünschen würde", sagte Victor irgendwann und warf einen flüchtigen Blick in den Innenspiegel, „aber dafür, dass ihr so lange auf mich warten musstet, seht ihr ziemlich trocken aus."

Raphael sah über den Bierkasten zu Rica hinüber. Ihre Haare waren trocken und auch ihre Jeans wirkte nicht im Geringsten durchnässt. Als Raphael nicht antwortete, sagte sie schließlich: „Sie haben investiert. Unsere Bushaltestelle hat ein Wartehäuschen bekommen."

Raphael biss sich auf die Unterlippe um nicht laut loszulachen. Auch Victor schien von ihrer plumpen Ausrede verblüfft. Prüfend schickte er einen weiteren Blick über den Innenspiegel nach hinten.

„Früher warst du darin besser", bemerkte er und schüttelte den Kopf. „Ich hab dich doch an deiner Bushaltestelle ohne Wartehäuschen abgeholt."

Victors blonde Freundin kicherte. „Ja, früher war alles besser", gab Rica zurück und imitierte die schnarrende Stimme ihrer Großmutter. Victor lachte und Rica war aus dem Schneider. Jetzt sah sie ihn an und wartete auf eine Antwort. Raphael räusperte sich.

„Ich...", begann er zögerlich, „ich hatte einen Regenschirm dabei." Rica kniff die Augen zusammen. „Ach wirklich?" „Ach wirklich", bestätigte Raphael und zeigte demonstrativ auf seine Hose. „Die war klitschnass!" „Na zum Glück ist die so schnell getrocknet", gab Rica leise zurück während Victor sich danach erkundigte, ob sie noch bei Raphael halt machen sollten, damit er sich umziehen konnte.

„Nein, das ist kein Problem", beeilte Raphael sich zu sagen. „Ich denke wir sollten Thomy nicht noch länger warten lassen." Rica nickte zustimmend. „Der ist bestimmt jetzt schon am Verzweifeln."

Wie es sich herausstellte, war Thomy nicht am Verzweifeln. Er wirkte geradezu tiefenentspannt, als er ihnen die Haustüre seiner Großeltern öffnete und hielt eine dampfende Tasse Tee in den Händen. „Ist die Straße also schon wieder frei?", fragte er überrascht und Raphael war froh, dass Victor schon wieder gefahren war. Immerhin hatte er die Kurvenstrecke hoch nach Hausen besonders schnell hinter sich gebracht, um Rica und ihn zumindest halbwegs pünktlich rauszuwerfen.

„Ja, kurz nachdem der Regen aufgehört hat, hat die Polizei die Straße wieder freigegeben. Das war nur ein kurzer heftiger Sturzbach", antwortete Rica. Hinter Thomy erschien die gekrümmte Gestalt seines Großvaters. „Sturzbach?", fragte er laut. „Sturzbach", wiederholte Rica und Thomy verdrehte die Augen.

„Ich denke wir sollten uns jetzt mal um unseren eigenen Sturzbachschaden kümmern", sagte er düster und stellte seinen Tee auf einem Beistelltisch neben der Haustür ab. „Kommt am besten mit, meine Großeltern bunkern noch einige Paar Gummistiefel im Keller. Der Garten hat sich in eine einzige Pfütze verwandelt."

Raphael und Rica folgte Thomy um das Haus herum. Das Haus lag nahe des Waldrandes an sowie der Schnellstraße und bot einen wolkenverschleierten Blick ins Tal. Hinter dem Haus erstreckten sich kleine Felder über die sanften Hügel, hinter denen Raphaels kleines Heimatdorf lag.

Weniger idyllisch sah jedoch die Senke aus, in der einmal der einfache Bretterverschlag gestanden hatte. In der Senke hatte sich das überschüssige Wasser gesammelt, das noch nicht im Boden versickert war. Überall lagen Bretter und Holzstücke verstreut.

Uranus ist auch nur ein PlanetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt