34 - Matthi

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„Heilige Scheiße", murmelte Raphael ehrfürchtig, während der Wind die schwarzen Wolkentürme in ihre Richtung blies. Windböen peitschten über die Wasseroberfläche, nahmen auf dem Weg Regentropfen mit auf ihre Schwingen, um sie über dem See fallen zu lassen. Wie paradox es war. Über ihnen die Reste des strahlenden Blaus und über den Wipfeln der angrenzenden Bäume eine Gewitterfront, die ihre Vorboten bereits zu ihnen schickte.

„Na zum Glück hat Juna uns nicht vorgewarnt, dass es heute Abend regnen soll. So besteht immerhin keine Gefahr, dass sie uns das bis in alle Ewigkeit vorhält", bemerkte Matthi sarkastisch. „Falls es dich beruhigt", warf Raphael ein, „ich hab auch nicht gedacht, dass sie das ernst meint." Sie schwiegen einen Augenblick lang, während der aufbrausende Sturm an ihnen zerrte und sie frösteln ließ.

„Was hältst du von Wer als erstes aus dem Wasser ist?", fragte Raphael. Matthi ließ sich ein paar Schwimmzüge lang Zeit, bis er die Frage beantwortete. Raphael spürte die sanften Strömungen auf seiner Haut und wie sie langsam ihre Kreise zogen.

„Der letzte endet als verkohlte Wasserleiche, vom Blitz geröstet." Matthi grinste. „Und schuldet dem Gewinner ein Fischstäbchen", fügte Raphael seine Bedingung hinzu. „Achtung, Ellie, bei drei geht es los." Matthi hob drei Finger aus dem Wasser. In einiger Entfernung war ein schwaches Donnergrollen zu hören. Raphael atmete aus und rieb sich die Hände. „Da kommt dein Blitz, Matthi. Der macht sich gerade für dich warm." Matthi lachte. „Bis zu dreihundert tausend Grad. Der ist sogar richtig heiß." Seine Zähne blitzen auf, dann hielt er nur noch zwei Finger in die Höhe. Raphael machte sich dazu bereit, schon im nächsten Moment um sein Leben zu schwimmen. „Eins", zählte Matthi herunter und ließ den verbleibenden Finger zucken. „Null."

Unter einem großen Platschen ließen sie sich ins Wasser fallen, Matthis Ferse traf Raphael in der Magengrube, er stieß sich an ihm ab, lag ihm ein gutes Stück voraus. Raphael vollbrachte ein paar kräftige Schwimmzüge, bekam ihn an der Wade zu fassen. Zog ihn zurück und schob sich selbst gleichzeitig nach vorn. Jetzt lagen sie gleichauf, Raphaels Ohren klingelten vom ständigen auf und ab, seine Augen brannten vom Seewasser. Er hörte Matthis protestierende Rufe. „Das war nicht fair!", rief er, aber Raphael machte sich erst gar nicht die Mühe, ihm zu antworten. Schluckte Wasser, spie es im selben Moment wieder aus und zwang sich, weiter zu schwimmen.

Hätte der Regen nicht trommelnd auf die Wasseroberfläche geschlagen, hätte er sich Sorgen gemacht, wie ein sterbendes Walross zu klingen. Sein Atem ging schwer, Matthi holte auf. Versuchte, ihn an den Fesseln zu packen. Raphael schwamm zur Seite, wich ihm aus. Das Ufer kam immer näher, die Felsen waren nicht so weit weg wie die Wurzeln der Bäume, die sich am Seeufer an das letzte Stück Erde krallte, dass ihnen blieb.

Aber Matthi war dort, wo die Felsen waren und drängte ihn immer weiter von seinem ursprünglichen Ziel ab. „Du verdammter Idiot", knurrte Raphael, versuchte ihn wegzudrücken und zu den Felsen zu gelangen. „Hab ich dir gesagt, dass ich in Australien mal eine Weile Rugby gespielt habe?", rief Matthi ihm zu und hielt dagegen. „Nie im Leben hast du Rugby gespielt", entgegnete Raphael. „Ich hab's mal ausprobiert. Eine Stunde lang", gab Matthi zu und ließ Raphael während seiner Antwort Zeit zum Verschnaufen. „Hättest du dich mal lieber mit dem Apnoetauchen beschäftigen sollen", sagte er dann und drückte Matthi unter die Wasseroberfläche.

Er sträubte und schlug mit den Händen, dann tauchte er unter Raphaels Armen hinweg. Raphael selbst warf sich wieder bäuchlings ins Wasser uns kraulte zu den Felsen hinüber. Das Wasser kam ihm zunehmend vor wie dickflüssiger Sirup, jeder Schwimmzug wurde kräftezehrender. Ihm blieb nicht mehr die Zeit, sich nach hinten umzudrehen, aber Matthi schien er abgeschüttelt zu haben.

Uranus ist auch nur ein PlanetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt