51 - Rica

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Whoups, Überlänge im Anmarsch. Nehmt euch Zeit (;

Wahrscheinlich wäre Raphael überrascht gewesen, hätte seine Mutter wirklich ihre Unterschrift auf seinen Entschuldigungsbogen gesetzt. Aber die letzten Wochen hatten ihre Erziehungsgrundsätze nicht ins Wanken bringen können und so hatte Raphael in der folgenden Mathestunde keine Erklärung parat, die sein Unwissen über die Berechnung der Orthogonalität zweier Vektoren hätte erklären können.

Abgesehen von den zwei Fragen wo er in der letzten Stunde gewesen war und wie er gedenke die Lösungsmenge zu definieren, verlief die Schule jedoch in geordneten Bahnen. Der Rand von Collegeblockblättern löste sich immer noch nicht in einem Zug, die Lehrer waren nach Jahrzehnten der Berufserfahrung immer noch nicht auf die Idee gekommen, Arbeitsblätter direkt in einem Zug für alle zu lochen und die übrig gebliebenen Cafeteria Nudeln von Mittwoch kamen am Freitag wieder einmal als Auflauf auf den Tisch.

Am Ende ihres Briefes hatte Rica geschrieben, er solle sich den Freitagnachmittag frei halten. Was nicht sonderlich schwer gewesen war, denn Raphael hatte nicht vorgehabt, irgendetwas zu unternehmen.

Wahrscheinlich handelte es sich bei Ricas Idee um die gemeinsame Busfahrt nachhause, eine Partie Mau-Mau mit Victor und einer Pizza im Ofen. Vielleicht hatte sie es auch schlicht und ergreifend vergessen, dachte Raphael, als es klingelte und er sich langsam auf den Weg zur Bushaltestelle machte. Rica hatte ihm noch nicht geschrieben und bei ihr wusste man nie. Manchmal war sie Feuer und Flamme, plante ausufernde Aktionen samt Übernachtung bei ihrem Großcousin in Berlin und an anderen Tagen verbarg sich hinter derselben Aussage ein Eis am Stiel mit Mandelsplittern.

Neben dem verrosteten Bushaltestellenschild kniete Herr Marrlach mit krummem Rücken und verrenkten Nacken, da er sein Handy zwischen Schulter und Ohr einklemmte, um gleichzeitig mit einem nass bespuckten Taschentuch seine Schuhe zu polieren. „'lo", grüßte Raphael tonlos und nickte ihm zu. Es zuckte ihn in den Fingerspitzen seinen Rucksack abzusetzen und Ohrstöpsel sowie Handy hervor zu kramen, so wie er es früher immer getan hatte.

Schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite wässerte Frau Niederbach ihre Pflanzenleichen im Vorgarten, alles war wie immer. Der Raum hinter Lissas Fenster lag hinter bleichen weißen Vorhängen verborgen und hinter der Hausecke lugte das Netz eines Trampolins hervor.

Raphael legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und genoss einige Sekunden lang die Sonnenstrahlen des beginnenden Wochenendes auf seiner Nasenspitze. Es war friedlich, ruhig auf eine geschäftige Art und Weise. Bis plötzlich lautes Gelächter ertönte, Bremsen quietschten und eine Klingel rasselnde Tonsprünge von sich gab.

„Hellou Raphael!"

Würde irgendwann einmal ein Kinderanimationsfilm mit hyperaktiven Hamstern in der Hauptrolle Synchronsprecher suchen, Rica wäre bestens geeignet.

Er blinzelte. „Hi Rica",  sagte er und schirmte seine Augen mit einer Hand gegen die Sonnenstrahlen ab. Sie sprang von einem viel zu großen Herrenrad und hob es schwungvoll über die Bordsteinkante. „Gehört das dir?", fragte Raphael und musterte es kritisch. Rica entblößte ein breites Grinsen und schüttelte den Kopf.

„Lukas", entgegnete sie. „Aber keine Sorge, ich hab gefragt, du darfst es dir ausleihen." Sie hielt Raphael auffordernd den Lenker entgegen. „Na los! Wartest du auf den Startschuss?" „Eine gemeinsame Radtour mit einem Fahrrad." Anerkennend nickend nahm Raphael den Lenker entgegen. Lukas Fahrrad hätte genauso gut das Fahrrad von seinem Vater sein können. An den Stellen des Rahmens, an denen sich der Lack gelöst hatte, hatte sich rotbrauner Rost abgesetzt, nur der Gepäckträger schien neu und von der Klingel hatte Raphael ja auch schon eine Gehörprobe bekommen.

Uranus ist auch nur ein PlanetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt