Raphael ging nach Hause, ohne seine Cola bei Rica leergetrunken zu haben. Als er den Schlüssel im Schloss herumdrehte, kam seine Mutter die Kellertreppe hoch. „Dein Vater hat gerade angerufen, das Auto ist leider immer noch nicht fertig. Es gab wohl einen dringenden Fall, der nicht verschoben werden konnte." „Mmh", machte Raphael und zog sich die Schuhe aus.
„Wie kommt er denn dann wieder hoch?" Raphaels Vater arbeitete unten in Warnheim. So wie jeder, der nicht in Grundschule oder Kindergarten beschäftigt war. Die gab es immerhin noch in Hausen. „Maurers nehmen ihn mit, aber das heißt er kommt später. Evangeline erledigt noch ihre Einkäufe." Sie seufzte, so als sei es untragbar, dass ihr Mann mit Evangeline Maurer zusammen ihre Wocheneinkäufe tätigen musste. Mit einem dumpfen Geräusch legte Raphaels Mutter den Brotlaib, den sie aus der Gefriertruhe geholt hatte in die Sonne auf die Küchenarbeitsplatte.
„Was gibt es heute Abend?", fragte Raphael und nahm sich zeitgleich vor, sein Versprechen beim Abendbrot einzulösen. „Linsensuppe. Bei diesem Wetter habe ich einfach keinen Appetit auf etwas Größeres." „Gut", erwiderte Raphael abwesend, in seinem Kopf spielten sich die unterschiedlichen Gesprächsszenarien ab. „Du etwa?" „Nein, nein. Ist schon in Ordnung." Er setzte ein überzeugendes Lächeln auf. „Ich bin oben", verabschiedete Raphael sich in Richtung Treppe, bevor er zum Tischdecken verdonnert werden konnte.
In seinem Zimmer angekommen, fiel er rücklings aufs Bett. Der Akkustand seines Handys zeigte erfreuliche hundert Prozent, seine Ohrstöpsel waren nicht ganz so verheddert wie normalerweise. Raphael drehte die Musik auf, bis es unerträglich wurde. Aber es schaltete seine Gedanken auf stumm und im Moment brauchte er nichts dringender als das.
Er schaffte es ein Lied komplett zu hören, dann unterbrach eine ankommende Nachricht den Schutzwall aus Tönen, mit dem er sich gegen die Außenwelt abgeschirmt hatte. Drauf und dran den Stufenchat bis zur Unendlichkeit zu Verfluchen, bemerkte er, dass die Nachricht von Rica stammte.
17:56 Bitte sag mir, dass du nur eine mittelmäßig große Scheiße produziert hast.
Es folgte ein Bild, in dessen Hintergrund man unscharf Ricas Zehen bestaunen konnte. Raphael entwich ein gepresster Fluch. Er hatte große Lust, sich sein Kunstbuch gegen den Kopf zu hämmern. Im Vordergrund des Bildes lag Lissas Handy auf dem Waschbeckenrand des Gäste-WCs. Mit hell erleuchtetem Bildschirm.
Eine neue Nachricht von Juna <3
Raphael Finger schwebten über seiner Handytastatur, er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Rica fassungslos vor Lissas Handy stand und es wahrscheinlich noch nicht angerührt hatte.
17: 57 Ich glaube es ist ein etwas größeres Geschäft.
17:57 Wenn nicht sogar Durchfall.
Raphael schloss die Augen, er wollte sich ihre Reaktion erst gar nicht vorstellen.
17:58 Danke für die Weiterführung meiner Metapher. Kannst du mir vielleicht sagen, wie zum Teufel du an dieses Handy gelangt bist?! Und was du damit vorhast?!
17:59 Beruhig dich, okay?
Raphaels Finger trommelten nervös gegen seine Bettpfosten, er brauchte eine Lösung, eine möglichst plausible Erklärung für das alles. Leider gab es keine.
17:59 Ich komm rüber und erklär es dir, okay?
Ricas Antwort kam erst nach einigen qualvollen Sekunden.
18:00 Ok
Raphael schwang sich aus seinem Bett.
18:01 Und bitte lass das Handy in Ruhe, ja? Ich erkläre es dir.
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Uranus ist auch nur ein Planet
Novela JuvenilMit einer überragenden Körpergröße von einem Meter sechsundneunzig ist das Untertauchen in der Menge Raphaels Superkraft, die er bis zur Perfektion betreibt. Nie hätte er damit gerechnet, dass sich genau das an einem gewöhnlichen Freitagnachmittag...