27 - Raphael

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Zwei Anrufe in Abwesenheit zeigte Raphael sein Handy an und dazu auch noch eine neue Nachricht. Der erste Anruf war von Matthi gewesen um 08:34, der zweite von Rica. Raphael nahm sein Handy und legte sich wieder in sein Bett zurück. Was war? Schickte er an Rica und während er auf senden drückte fiel ihm ihr Streit wieder ein. Wie paradox es war, sich wegen so etwas in die Haare zu bekommen. Er konnte sich schon fast nicht mehr daran erinnern, was jetzt so schlimm gewesen war.

Nichts, hab mich verwählt. Sry, kam Ricas Antwort kaum eine Minute später. Anscheinend konnte sie sich noch besser daran erinnern als er. Raphael starrte auf das Display, das grelle Licht brannte in seinen Augen, er hatte vergessen das Fenster zu schließen und die Rollladen wieder runter zu machen. Sollte er ihr antworten? Immerhin war es mehr als klar, dass sie sich nicht verwählt hatte. Andererseits hatte sie ihm befohlen, sie in Ruhe zu lassen. Außerdem hatte Raphael Kopfschmerzen, ihm war schlecht und das einzige, was er wollte, war ein tiefer traumloser Schlaf.

Also antwortete Raphael nicht und ging stattdessen auf seinen Chat mit Matthi. Und, wie sieht's aus? Lautete seine letzte Nachricht um 07:56, eine halbe Stunde später hatte er dann angerufen. Raphaels Hals brannte, Matthis Profilbild drängte sich ihm entgegen. Er konnte immer noch nicht klar denken und gestern Nacht hatte er das noch weniger gekonnt. Demnach gab es nichts, worüber er sich den Kopf zerbrechen musste. Er würde Matthi ganz einfach morgen antworten, wenn er wieder einen klaren Kopf hatte.

Raphael legte sein Handy in die Schublade seines Nachttisches, damit sein Anblick ihn nicht mehr an die unbeantworteten Nachrichten erinnerte. Dann zog er seine Bettdecke bis zum Kinn und knickte die Beine ein, damit seine Füße nicht unten herausschauten.

Die Zeit verging quälend langsam, er musste sich dazu zwingen, die Lider geschlossen zu halten. Raphael überkam immer wieder der Drang, sie zu öffnen und die karge weiße Wand anzustarren. Er hörte, wie es unten im Erdgeschoss klapperte und seine Eltern sich unterhielten. Und Raphael konnte immer noch nicht klar denken, er fühlte sich, als befänden sich viel mehr Gedanken als sonst in seinem Kopf.

Irgendwann hielt er es nicht mehr aus. Raphael kam sich einfach dämlich vor, mit offenen Augen an einem Sonntagvormittag im Bett zu liegen. Außerdem hatten sich die Textnachrichten in seinem Gehirn festgebrannt. Liebend gerne hätte er einfach Rica angerufen, aber das schien jetzt einfach unmöglich.

Langsam richtete er sich auf und nahm sein Handy wieder hervor. Musste sich dazu zwingen, seinen Blick nicht zur oberen Ecke schweifen zu lassen, wo Matthi ihm entgegengrinste. Hi tippte er zögerlich und drehte sich zur Seite, vom hellen Licht der Fenster weg. Ich hab mich gestern Abend vertan, wir fahren über das lange Wochenende weg zu meiner Oma. Sie hat Geburtstag. Aber Danke, dass du gefragt hast. Viel Spaß dir und Juna!

Raphael spürte, wie die Übelkeit wieder Besitz von ihm ergriff. Keine drängende Übelkeit, es erinnerte ihn mehr an ein schleichend wirkendes Gift. Wieder und wieder las er seine Nachricht, schlang die Decke noch enger um seinen Oberkörper, bis er sich darin fühlte wie eine Raupe in ihrem Kokon. Gefangen, ihm blieb einfach keine andere Möglichkeit, die fliegenden Gedanken in seinem Kopf in den Griff zu bekommen.

Raphael drückte auf Senden, sah ein letztes Mal in Matthis lächelndes Gesicht und fragte sich wieder, was der englische Satz zu bedeuten hatte. Dann nahm die Übelkeit überhand und er begab sich ins Bad. „Ellie? Ist die Celine noch da?"

Raphael blieb im Türrahmen stehen, seine Mutter kam mit einem Wäschekorb die Treppe hinauf. „Ne, die ist eben gegangen."

Seine Mutter verharrte auf der vorletzten Treppenstufe und allein der Wäschekorb in ihren Händen verhinderte, dass sie die Hände über dem Kopf zusammenschlug. „Ellie, was ist mit deinem Kopf passiert!" Bestürzt sah sie ihn an, die braunen Augen, die sie an Raphael weitergegeben hatte, quollen voller Sorge aus ihrem Kopf hervor. „Ma, das ist nichts", versuchte Raphael sein blaues Einhorn herunterzuspielen. „Nichts?" Raphaels Mutter drückte ihm einen Stapel frisch gewaschener Handtücher in die Hand. „Das nennst du nichts? Wie konnte das denn passieren? Ich hoffe, du hast das über Nacht gekühlt!" Raphael seufzte leise.

Uranus ist auch nur ein PlanetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt