30 - Matthi

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„Du hast gelogen."

Matthi unterbrach seinen Versuch Erdbeere, Ananas und Traube gleichzeitig und jeweils auf einen Zinken der Gabel aufzuspießen. Er saß Raphael gegenüber, Junas Handtuch samt Tupperdose lag zwischen ihnen. Juna war zu Aaron und Nele herüber gegangen. Offiziell, um sie zu begrüßen und inoffiziell, um sich nach Matthis Worten wieder zu beruhigen.

„Man kann nicht lügen, wenn man über seine eigene Meinung redet", erwiderte Matthi. Raphael schüttelte den Kopf. „Das meine ich nicht. Es geht um die Sache mit dem matten Lack. Du wusstest es, hab ich Recht?" Matthi blinzelte gegen die Sonne und stöhnte leise auf.

„Es ist, wie Juna es gesagt hat. Ich hab dem verdammten Auto die Scheibe eingeschlagen." Raphael hob die Schultern. „Fensterglas ist nicht lackiert." Matthi biss sich auf die Unterlippe, sie war von einem dunklen Rot, als Raphael seinen Blick von ihm löste und auf die kräuselnde Oberfläche des Sees starrte. „Es haben sich auch noch Zeugen bei der Polizei gemeldet. Sie sprechen auch von einem matt lackierten Auto", sagte Matthi leise in die Stille hinein.

„Herr Marrlach", murmelte Raphael, mehr zu sich selbst als zu Matthi. „Ja, stimmt. Dieser Herr Marrlach. Hat uns Rhabarberkuchen vorbeigebracht. War nicht übel, wenn man davon absieht, dass die Kruste des Baisers nicht wirklich eine Kruste war, sondern vielmehr ein wabbelig schwabbeliges Etwas. Der Trick ist-" Matthi verstummte und räusperte sich verlegen. Raphael seufzte, sein Kopf tat weh, er hatte die ganze Zeit über die Zähne aufeinander gepresst.

„Ich hab wirklich geglaubt, dass du es nicht wusstest." Matthi legte die Gemeinschaftsgabel zurück in die Tupperdose. Wenn man von einem zerfetzten Stück Ananas absah, dass sich erfolgreich gegen jegliche Attacken gewehrt hatte, war nur noch Melone übrig geblieben.

„Willst du die Ananas?" Raphael lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Nein", antwortete er und fügte noch ein „nimm du sie ruhig" hinzu, als er bemerkte, dass es unfreundlich geklungen hatte. Matthi zuckte mit den Schultern und steckte es sich in den Mund. Er kaute, Raphael war noch nie zuvor so von Kieferknochen fasziniert gewesen. Wieder drehte Raphael den Kopf in Richtung See, dann hinunter auf sein Handtuch. Matthis Handtuch. Weil er ihn erst dazu überredet hatte, mitzukommen.

„Es tut mir leid, dass ich gelogen habe." Raphael sah auf. „Warum tut es dir leid? Es muss dir nicht leid tun." „Aber jetzt bist du wütend!" „Nein!" Matthi schloss die Dose und positionierte sie auf Junas Handtuch direkt über den großen blauen Kulleraugen der Barbie-Puppe. „Diese Augen sind gruselig", bemerkte er und kratze sich am Hinterkopf. Raphael schnaubte. „Deine sehen genauso aus." Dann verschränkte er die Arme vor der Brust.

Sie schwiegen eine Zeit lang, Raphael streifte sich die Schuhe von den Füßen und wackelte mit den Zehen. „Ich hatte mal Sonnenbrand auf den Füßen", startete Matthi einen neuen Versuch das Gespräch in Gang zu bekommen. Raphael sah zu Matthis Füßen herüber, die immer noch in seinen pinken Flip Flops steckten. „Ernsthaft?", gab er zurück. „Jaah", antwortete er und verzog das Gesicht. „Allerdings nicht nur auf den Füßen. War meine erste Woche Australien, die Sonne ist da echt heftig. Ich sah aus wie ein Krebs."

Raphael grinste. „Das hätte ich gerne gesehen." Matthi verdrehte die Augen. „Hinterher nicht mehr, da sah ich aus wie ein schimmliger Krebs. Die Haut hat sich angefangen zu Pellen und ich könnt schwören, dass so eine Brandblase-" Raphael hob die Hand. „Danke, ich kann es mir vorstellen." Matthi zuckte mit den Schultern und zog ebenfalls die Mundwinkel in die Höhe. „Aber Australien hört sich wirklich krass an."

Er nickte. „Ja, das war es", antwortete Matthi. „Wirklich krass", wiederholte er Raphaels Worte und seufzte gedankenverloren. „Hab ein Jahr dort verbracht, in der Hauptstadt." „Wenn du jetzt erwartet hast, dass ich dich frage, wie es in Sydney war: So schlecht in Erdkunde bin ich jetzt auch nicht." Matthi hob abwehrend die Hände. „Ertappt, ich gebe es zu." Er lachte, bis Raphael nicht anders konnte, als mit einzustimmen. Matthi hatte ein melodisches Lachen, es war so kehlig und rau, wie man es von alten Tonbandaufnahmen kannte.

Uranus ist auch nur ein PlanetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt