38. ~ "Du bist ja noch verkorkster als ich."

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Adele - Rolling in the deep

T ~

Ich schrecke auf, aus meinem Traum, gerade als sich meine Zimmertür öffnet und starre Melinda an.
Mein Atmen hat sich auch nach einer Minute nicht beruhigt, Melinda setzt sich gegenüber von mir und schaut mich einfach nur an. "Du hast geschrien.", sagt sie nur und ich fahre mir über meine verschwitze Stirn. Doch sie schmerzt nicht, fühlt sich nicht verletzt an. "Hast du wieder diese Träume, Travis?", fragt sie leise, doch ich erwidere nichts und streife mir mein Shirt über den Kopf, welches ich durchgeschwitzt habe. "Ich bin keine zwölf mehr.", greife ich neben meinem Bett nach einem neuen Shirt, stehe auf und ziehe es mir über den Kopf. "Travis,", sagt sie meinen Namen energisch. "Du hast in deinem Schlaf geschrien, als ob du gerade getötet wirst."
Ich setze mich auf den Hocker, vor die Staffelei und blicke das leere Gemälde an. "Wird nicht wieder vorkommen.", meide ich den Blick meiner Schwester und reibe meine verschwitzen Hände an meine Hose ab. "Travis.", steht Melinda auf und ich starre aus dem Fenster, verbanne alle Gedanken aus meinem Kopf und knalle mit den Handflächen auf meine Oberschenkel, aus dem Augenwinkel erkenne ich wie meine Schwester zusammen zuckt, ehe sie ausatmet. "Na dann.", schreitet sie wieder zur Tür und lässt mich auf dem Hocker vor der Staffelei alleine. "Dann bleib halt in deinem zwölfjährigem ich stecken."

~

"Hallo.", ertönt es neben mir, sodass ich hinunter blicken muss und erkenne sie, wie sie den Regenschirm über mich und über sich hält, als sie mich eingeholt hat. Aus Reflex drücke ich den Stapel nasser Papiere an meine Brust, doch starre weiter geradeaus auf den Weg. Der geschmolzene und matschige Schnee unter meinen Füßen lässt mich die Dunkelheit in meinem Kopf sehen, doch die noch weißen Bäume vor und neben mir lassen mich in der Realität bleiben. Sie sagt nichts mehr, also sage ich auch nichts. Mein Weg führt mich ins Earlsriver, um aus dem House zu kommen, denn dort verliere ich den Verstand. Ich atme tief durch, ehe ich den Regenschirm ihr aus der Hand nehme, da er mir die ganze Zeit an den Kopf stößt, da sie viel kleiner ist als ich. Ich berühre ihre Finger nicht, doch spüre ihre Wärme, umfasse den Henkel des Regenschirms fest und entspanne meine Schultern, die nicht mehr vom prasselnden Regen getroffen werden. Ein Wagen fährt an uns vorbei, doch keiner achtet auf ihn und mein Blick schweift zum Wald.
"Du warst da, stimmt's?" Beth folgt meinem Blick und starrt in den Wald. "Was meinst du?"
"Du weißt ganz genau was ich meine.", blicke ich wieder auf die Straße vor mich, versuche mich dabei nicht an meinem Traum zu erinnern. "Deswegen weißt du auch, dass ich sie nicht getötet habe. Du hast sie vor mir gefunden.", man erkennt schon die Bar und Beth hat mir noch immer keine Antwort gegeben, doch das ist Antwort für mich genug. "Hast du sie umgebracht?", plötzlich ist sie nicht mehr neben mir. Ich drehe mich um, sehe zu, wie sie im Regen stehen bleibt und mich anschaut. Mich einfach nur anschaut. Dann schnaufe ich amüsiert darüber und schüttle den Kopf. "Tut mir leid.", entkommt mir ein Zucken der Mundwinkel. "Dazu wärst du nicht in der Lage.", hebe ich den Regenschirm an, um ihr zu verdeutlichen wieder unter den großen schwarzen Regenschirm zu kommen, doch sie rührt sich nicht. Ihre Augen sind schmal durch den Regen und ihre Lippen zittern, als ob sie gerade erfriert. "Beth.", ihr Verhalten lässt meinen Kopf arbeiten. "Heilige Scheiße.", schaue ich kurz rauf, in den Regenschirm und dann zu Beth, dessen kurzes Haar platt ins Gesicht hängt und gehe einige Schritte auf sie zu, während ich den Regenschirm über uns halte. Sie schaut nicht auf, sondern weiter einfach vor sich, also nun auf meine Brust. Das frierende und in gedankenverlorene Mädchen vor mir regt sich nicht mehr, auch als ein weiterer Wagen, direkt neben uns an uns vorbei fährt und hupt, da wir auf der Straße stehen. Ich bin unschlüssig, denn so in Trance habe ich noch niemanden gesehen. Ich nehme den Stapel Papier in die Hand indem ich den Regenschirm halte und habe eine Hand nun frei. Ich schaue mich um, weit und breit ist keiner zu sehen, nur das Ealrsriver und der Wald neben uns. Ich beiße die Zähne zusammen und umfasse Beth's Nacken, mache einen Schritt auf sie zu und lege ihren Kopf an meine Brust, an die dicke Winterjacke. Und dann ertönt ihr Schluchzen, es ist leise, aber aus dem Herzen und schmerzvoll. Ich presse die Lippen zusammen, denn ich komme mir dämlich vor. Noch nie habe und musste ich jemanden in den Arm nehmen. Doch sie, ihr Schmerz ist mir bekannt. Nicht beängstigend, sondern er zieht mich praktisch an. Deswegen streiche ich Beth ihr Haar aus dem Gesicht und lege mein Kinn an ihren Kopf. Der Regen fällt um uns herum, doch ihre Tränen durchweichen meine Jacke, ehe ich bemerke wie meine Schultern zuerst wieder angespannt waren und nun sich lockern, mit jedem Schluchzen, den Beth von sich gibt.

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