{ III } 46. ~ "Silhouette."

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Und wenn sie nicht gestorben sind,
dann leben sie noch heute ..


















{ Teil III }
















Alina Baraz ft. Khalid - Electric

"Wer die deutsche Königin findet und wieder zu mir an den Thron bringt, möge an Reichtum und Anmut verdienen.", höre ich den König sprechen, laut und deutlich, doch schaue aus dem bunten Fenster, in den Regen hinaus.
"Dieser Ball ist besonders.", überkommt mich eine zweite Haut, als es donnert, doch ich nur starr vor mich hin schauen kann.
"Ihr könnt das Gesicht Eures nebenan nicht erkennen. Außer an der Kleidung, könnt ihr sie nicht ausmachen.", verschwimmt die Sicht vor mir, sodass ich blinzeln muss und mache einen Schritt zurück. Mein Blick schweift umher, der Saal ist voll gefüllt mit Menschen, in ähnlichen Farben - Weiß, Rot oder Blau.
"So müsst ihr die Königin Deutschlands finden. Egal ob Mann oder Frau, englischer Nation. Anmut und Reichtum gehören Euch. Ihr habt bis Mitternacht.", erhebt der König sein Krug, als ich den Blick auf ihn richte.
"Lasset uns beginnen!"
Um mich herum beginnt das Getümmel, Männer und Frauen schwirren umher, fassen sich an und versuchen sich unter die Maske zu schauen, doch keiner findet mich. Ich erkenne große Männer und zierliche Frauen, als ich am Ende des Saals stehe, kurz vor den Türen, die in oder aus dem Saal führen, in einem weißen langen Kleid. Ich beobachte, wie der König auf seinem Thron sein Lachen nicht mehr verstecken kann und muss schlucken, fasse mir an die Maske, auf meinem Gesicht und rücke sie zurecht.
Dieses Szenario ist mir bekannt, ich stehe nur da und habe ein déjà vu.
Mein Hals schnürt sich dabei zusammen, als die Menschen neben mir aus oder in den Saal stürmen, im Saal ein wirrer Haufen entsteht, sodass ich das Kleid anhebe, um aus dem Saal zu stürmen. Doch ehe ich mich umdrehen will und den Flur vor mir habe, erkenne ich ihn.
Er, ohne eine Maske auf dem Gesicht in der Menschenmenge. Er packt eine Frau mit langem schwarzen Haar an den Schultern und reißt ihr die Maske vom Gesicht, die ihn daraufhin entsetzt anschaut. Ohne weiteres wendet er sich von ihr, dreht sich einmal um seine eigene Achse, suchend und schaut in meine Richtung, doch sieht oder erkennt mich nicht.
"Johnathan?", entkommt es mir, denn wenn ich Johnathan's Gesicht sehe, erkenne ich auch seins.
Mit erhobenem Kleid stürme ich aus dem Saal, den Flur links entlang. Meine Schritte sind schnell, doch ich renne nicht, als ich vor eine Treppe ankomme. Mir kommen drei Männer entgegen, an denen ich einfach vorbei laufe und die Treppen hinauf steige, mit dem Saum meines sanften Kleides in den Händen. "Verzeihung?", ertönt es hinter mir, sodass ich mitten auf einer Treppe mich herumdrehen muss. Ich blicke die drei Männer in englischen Farben an, die sich am Ende der Treppe zu mir gewendet haben. "Ihr seht umwerfend aus.", nickt der in der Mitte zu mir hinauf, was mich die Augenbrauen zusammen ziehen lässt. "Vielen Dank, der Herr.", versuche ich meine Stimme nicht zu zerbrechlich wirken zu lassen, nicke, wende mich wieder den Treppen zu und steige sie hinauf. Oben angekommen bemerke ich erst, wie einer der Männer, der der mich gerade angesprochen hat ebenfalls wieder hinauf steigt. Ich verdrehe die Augen und schreite am Gelände entlang, komme am nächsten Treppenpaar an und nehme jede zweite Stufe, denn der Mann ist mir dicht auf den Fersen.
Hier im zweiten Stock ist weit und breit kein weiterer und die Treppen und Flure sind mit nur ein oder zwei Fackeln beleuchtet.
Im dritten Stock des Schlosses angekommen schaue ich mich rechts und links um, als ich den Mann hinter mir auf den Treppen höre. "Nicht so scheu, meine Liebe.", ruft er zu mir hinauf und ich spüre mein Herz mir bis zum Hals schlagen. Ich entscheide mich in der Eile für rechts und laufe das Geländer schneller entlang. Und als der Mann, dem ich nicht mal ins Gesicht geschaut habe, ebenfalls im dritten Stock ankommt, nehme ich die letzte Tür auf dieser Seite, öffne diese und knalle sie hinter mir zu, schließe sie mit dem Schlüssel, der bereits im Schloss steckt ab, lehne mich dagegen, halte die Luft an und schließe die Augen.
Eine Sekunde später wird die Türklinke hinunter gedrückt, immer und immer wieder, es wird gegen die Tür geklopft, sodass ich die Augen ganz fest zusammen kneife, in der Hoffnung er verschwindet.
Ich horche meinem Herzen, wie es schlägt. Schlag für Schlag, sodass ich nicht weiß wie lange ich mich gegen die Tür presse, bis es plötzlich still wird.
Es regt sich nicht mehr vor der Tür, die Klinke wird nicht hinunter gedrückt, gegen die Tür wird nicht geklopft und außer meinen Atmen höre ich weit und breit nichts, ausgenommen vom Regen, der mir jetzt erst wieder bewusst wird.
Ich lasse die Tür hinter mir und wage einen Schritt ins Zimmer hinein, ohne wirklich etwas zu erkennen. Doch ich lasse jegliches Licht aus und entscheide mich dagegen eine Kerze anzünden, die auf der Kommode vor mir liegt. Ich lege meine Hand aufs dunkle Holz und öffne eine Schublade, die ich darauf leer auffinde. Dann wende ich mich zum Schreibtisch, auf dem jedoch einige Spielzeuge stehen, sowie Stofftiere. Einen Löwen nehme ich in die Hand und setze mich aufs Bett, gegenüber vom Schreibtisch, auf der anderen Seite des Zimmers. Der Löwe in meiner Hand ist weich und flauschig, etwas warmes in meinen Händen. Ich spüre wie mir eine Strähne ins Gesicht fällt, die sich von meinen geflochtenem Haar gelöst hat und streiche sie zurück, lege das Stofftier zur Seite, um mir die Maske vom Gesicht zu nehmen, als mein Blick auf den Nachttisch, neben dem Bett, fällt. Dort steht nichts weiter, als ein kleines Gemälde. Ich neige mich rüber, um es in die Hand zu nehmen und halte es mir vor Augen, als es mir fast aus der Hand rutscht, vor Schreck.
Er sitzt neben mir am Esstisch und haben beide jeweils einen Teller voller Spaghetti vor uns. Ich schaue grimmig, während er in meinen Teller greift und amüsiert isst. "Travis.", neige ich den Kopf und spüre wie sich meine Tränen anbahnen, ehe ich das Gemälde auf dem Bett mit dem Stofftier zurück lasse und wohl aus seinem Kinderzimmer stürme, nachdem ich die Tür hektisch wieder aufgeschlossen habe.
Erneut drücke ich mich an die Tür, jedoch nun von außen und schaue mich um, weit und breit ist keiner zu sehen, auch der seltsame Mann von gerade eben nicht mehr, als ich einen nahen Schrei höre. Ich ziehe die Augenbrauen zusammen, denn es ist kein ängstlicher oder Hilfeschrei eines erwachsenen Menschen, es hört sich eher an wie ein Schrei eines kleinen Kindes. Ich trete einen Schritt von der Tür weg und stehe eine Tür weiter, genau das Zimmer neben seinem und klopfe leise, doch nichts regt sich, außer die quengelnden Schreie des kleinen Kindes.
Leise öffne ich die Tür und kneife leicht die Augen zusammen, denn das Zimmer wird von Kerzen beleuchtet, sodass mir als aller erstes eine Brise warmer Luft entgegen kommt. Ich schließe die Tür wieder hinter mir, als ich eingetreten bin und eine Frau am Fenster erkenne, die ihre Arme hin und her wiegt. Das kleine Kind in ihren Armen windet sich, doch hört nicht auf zu schreien und ich spüre, wie auch mir warm wird. Ich bleibe jedoch relativ weit weg stehen und klopfe leicht gegen das Holz des Schrankes, neben mir, sodass es jetzt zu hören sein müsste.
Die Frau, die ich bis jetzt nur von hinten gesehen habe, legt ihr Kind in ein kleines erhöhtes Bett, wendet sich dann zu mir, schaut mich an und schreckt mit großen Augen zurück.
"Anabeth.", ihre Stimme ist leise, doch ich höre sie, lege den Kopf schief, doch kann nichts sagen. Sie schaut zum Kinderbett und dann wieder zu mir, während ich mich nicht rege und das Geschrei des Kindes in meinem Kopf dröhnt. "Was hat es denn?", frage ich mit trockenem Hals, als ich es wage einen Schritt auf sie zu zu gehen und schlucken muss. "Ich-", bricht sie ab. "Ich weiß es nicht. Er hört einfach nicht auf zu schreien.", hört sie sich verzweifelt und erschöpft an und ich spüre die Hitze an meiner Stirn, ehe ich mich zu einer Kerze wende und sie auspuste und die nächste und die nächste auch, bis nur noch zwei von ihnen aufleuchten.
Dann gehe ich um sie herum, öffne weit das Fenster, vor dem sie gerade noch stand und bleibe vor dem Kinderbett stehen, blicke hinunter und beobachte, wie der kleine Junge den Daumen in den Mund steckt, aufhört zu schreien und zu mir aufschaut. "Wieso hast du es mir nicht gesagt?", frage ich ohne Aufregung oder andere Emotion, denn der kleine Junge hebt seine Hand in die Höhe und umfasst meinen kleinen Finger, den ich ihm hinhalte. Sie schweigt, doch ich antworte für mich selbst. "Natürlich, ich war ja auch lange weg.", beuge ich mich zu ihm herunter und betrachte sein dunkles Haar, denn ihres ist hell. "Wie alt ist er?", frage ich und lege einen Finger an seine Stirn und streiche ihm darüber. "Vier Monate."
"Ich war so lange weg?", schaue ich auf, sie an. Wie sie einfach nur da steht, nickt und mir nicht in die Augen blicken kann.
"Und wer ist der Vater?", kneife ich die Augen zusammen und beobachte ihre Reaktion genau, denn sie wendet sich von mir, hält sich die Hände vors Gesicht und fängt an zu weinen. "Kirsten?", erhebe ich mich wieder, doch der Kleine hat noch immer meinen Finger in seinen. Sie reagiert nicht, denn ihre Reaktion lässt mich an eine Legende denken, die Melinda mir erzählt hat und ich muss schmunzeln. "Du hättest es mir sagen können.", meine ich nur und schaue den Kleinen wieder an.
"Und wie ist sein Name?"
"Er-", Kirsten, meine Dame, schnieft und ich blicke kurz zu ihr hinauf und dann wieder zurück zum kleinen Jungen. "Er hat noch keinen Namen.", öffnet er seine Augen und seine dunklen braunen Augen funkeln mich an, die mich an seinen Erzeuger erinnern. Mir entkommt ein Lächeln, als er meinen Finger drückt und ich wieder zu meiner einst treuen Dame schaue. "Gib ihm den Namen seines Vaters.", zucke ich leicht mit den Schultern, worauf Kirsten abgehackt nickt und ich ihr aufmunternd zu lächele. "Ehre ihn mit dem Namen: Alexander."

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