Welcome to my life

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Ich wachte wie immer vom Piepsen des Weckers auf. Sechs Uhr, Zeit zum Aufstehen. Ok, Liz, Zeit für einen neuen Tag in der Hölle... Ich blieb noch ein paar Sekunden liegen, schaute an die Decke und versuchte, wach zu werden. Mein Blick fiel auf Mary, die noch friedlich auf der anderen Seite des Zimmers in ihrem Bett lag und schlief. Mary war meine kleine Schwester, wobei, so klein war sie tatsächlich gar nicht mehr. Bald würde sie sechzehn werden und wir waren schon seit einiger Zeit gleich groß.

Möglichst leise, um Mary nicht zu wecken, stand ich auf und ging ins Bad. Beim Studieren des Duschplans fiel mir auf, dass Tyler, mein vierzehnjähriger, momentan mitten in der Pubertät steckender Bruder, schon wieder viel zu lange geduscht hatte. Scheiße, das war es dann wohl mit meiner warmen Dusche am Morgen. Der würde noch was zu hören kriegen! Angepisst flocht ich mir meine strähnigen, schwarzen Haare zu einem festen Zopf. Beim Blick in den Spiegel merkte ich, wie schlimm ich aussah. Dunkle Augenringe hatten sich tief in die Haut unter meinen braunen Augen gegraben. Mein Gesicht wirkte bleich und abgespannt. Mutter hatte gestern wieder einen schlimmen Tag gehabt. Die Spuren davon hatten sich auf meinem Gesicht verewigt. Da würde auch der beste Abdeckstift nichts mehr ausrichten können. Ganz abgesehen davon hatte Mary ihn gestern leer gemacht.

Leise ging ich wieder zurück in das Zimmer, das ich mir mit Mary und meiner noch jüngeren Schwester Lily teilte. Aus unserem gemeinsamen Schrank suchte ich mir ein T-Shirt, eine einfache Jeans und eine Jacke heraus. Zum Glück waren wir inzwischen fast gleich groß und konnten somit alle Klamotten teilen. Tyler machte mir da schon mehr Sorgen, er wollte einfach nicht aufhören zu wachsen. Für den Winter würde ich auch für ihn noch einmal nach warmer Kleidung schauen müssen. Fertig angezogen deckte ich in unserer kleinen Küche den Tisch für das Frühstück und begann schon mal, für die anderen die Tüten mit dem Mittagessen zu füllen. Mary bekam einen Apfel und ein Brot mit Käse, Tyler bekam eine Banane und zwei Brote, David und Lily, meine noch jüngeren Geschwister, würden in ihrer Schule Essen bekommen. In ihrer Grundschule hatte eine gemeinnützige Organisation die Bezahlung für das Mittagessen übernommen.

Um halb sieben, weckte ich Mary und eine Viertelstunde später Tyler. Mary jammerte mal wieder dass wir nur so wenig Schminke besaßen und kam trotzdem nach genau 15 Minuten wunderschön aus dem Bad. Tyler brauchte wie immer länger und mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, ihn zu ermahnen, nicht wieder so viel Wasser zu verbrauchen. Um viertel nach sieben weckte ich David und Lily und wie immer wurde Finn, mein jüngster Bruder, davon wach und begann zu weinen. Seufzend nahm ich ihn aus seinem kleinen Bettchen und wiegte ihn in meinen Armen. In der Küche saßen währenddessen alle schon am Tisch und aßen mehr oder weniger leise ihr Frühstück. Mary war als erste fertig und bekam Finn, um ihm die Milch aus der Flasche zu geben, die ich mit ihm auf dem Arm angemischt hatte. Währenddessen wärmte ich die Suppe vom Vorabend auf. Mit dem heißen Teller in den Händen, betrat ich vorsichtig das Schlafzimmer meiner Eltern, wo inzwischen nur noch meine Mutter schlief. Wenn mein Vater die Nacht mal zuhause verbrachte, zog er es vor, auf dem Sofa im Wohnzimmer zu schlafen. Mutter schlief noch, die Schmerzmittel wirkten also noch. So schlafend, mit den geschlossenen Augen, sah sie friedlich aus, fast wieder so schön wie sie einst gewesen war. Aber nur noch ich und vielleicht noch Marc und Mary konnte sich an Mutter erinnern, wie sie früher gewesen war, wunderschön und liebevoll. So leise wie möglich, stellte ich den Teller mit der Suppe auf ihren Nachttisch und füllte schnell ihr Wasserglas im Bad auf. Nach einem letzten Blick schloss ich die Tür hinter mir und atmete erleichtert auf.

Inzwischen war es schon viertel vor Acht und wir würden uns alle beeilen müssen, um nicht zu spät zur Schule zu kommen. Schnell überprüfte ich, ob David und Lily genug anhatten und ihre Schulrucksäcke aufhatten. David war erst zehn und Lily sogar erst sechs Jahre alt, ich fühlte mich für sie verantwortlich. Tyler und Mary waren groß genug, sie mussten selber schauen, dass sie alles dabei hatten. Dann wickelte ich Finn in einen warme Decke und schloss die Tür hinter mir ab. Zum Glück waren an diesem Morgen keine Junkies im Treppenhaus. Zwei Stockwerke weiter unten klingelte ich und übergab Finn Miss Mueller, einer alleinstehenden, älteren Frau, die sich bereit erklärt hatte, sich um ihn zu kümmern, bis David und Lily um drei Uhr nachmittags aus der Schule kommen würden. David und Lilys Grundschule lag auf dem Weg zur Tram-Station, zu der Tyler, Mary und ich mussten, um zur Highschool zu kommen. Die Tram war wie immer brechend voll und ich war froh als wir einige Stationen später ausstiegen und den Rest in der kühlen Morgenluft liefen. Mary schwärmte wieder von einem Jungen, den sie gerade toll fand und ich spürte, wie Tyler auf meiner anderen Seite unruhig wurde. Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter. Er hasste die Vorstellung, dass ein Junge etwas mit Mary anfangen könnte. Kurz lächelte ich wehmütig. Er war Marc so unglaublich ähnlich.

Gerade noch rechtzeitig kamen wir an der Schule an und wir beeilten uns, zu unseren Klassen zu kommen. Ich hatte als erstes Biologie, ein Fach das ich sehr mochte, auch wenn der Lehrer eher nicht so toll war. Erleichtert ließ ich mich auf meinen Platz fallen und atmete einmal tief durch. Es war mein letztes Jahr in der Schule und eins meiner Abschlussfächer würde Biologie werden. Ich machte mir keine besonders großen Hoffnungen auf einen guten Abschluss. Ich hatte einfach nicht genug Zeit, um zu lernen. Andererseits würde mir ein guter Abschluss sowieso nichts bringen. Ich würde kaum auf ein College gehen können. Es klingelte und der Lehrer begann mit dem Unterricht.

"Ein paar werden dieses Jahr in Biologie ihren Abschluss machen. Um euch darauf vorzubereiten, werden wir die nächsten drei Wochen Partnerarbeiten anfertigen in Form von wissenschaftlichen Aufsätzen sowie einer Präsentation. Da ich schon von der Schulleitung weiß, ob ihr Biologie als Prüfungsfach gewählt habt, habe ich mir erlaubt, euch Partnern zu zuteilen, die entweder wie ihr Biologie schreiben werden oder nicht."

Kurz schluckte ich. Das hieß, ich konnte mit absolut jedem zusammen kommen. Und Partnerarbeit hieß, mehr Arbeit als nur Hausaufgaben. Der Lehrer hatte inzwischen angefangen, Blätter auszuteilen, auf denen unser Partner, unser Thema und ein paar Materialien standen, die wir verwenden konnten. Als ich mein Blatt bekam, freute ich mich zuerst. Das Thema war Populationsökologie, ein wie ich fand sehr spannendes Thema. Dann jedoch fiel mein Blick auf den Namen meines Partners und ich lehnte mich erschrocken zurück.

Ryan Parker

Scheiße, das hieß, ich musste mich mit dem Badboy der Schule herumschlagen und wahrscheinlich die ganze Arbeit alleine machen. Vielleicht war er ja heute gar nicht in der Schule? Vorsichtig hob ich meinen Blick von meinem Blatt und ließ ihn schweifen. Und dort, in der letzten Reihe am Fenster saß er. Er hatte den Kopf ein winziges bisschen schief gelegt und betrachtete mich interessiert aus seinen eisblauen Augen. Dann stand er betont langsam auf und schlenderte durch das Zimmer auf mich zu. Lässig setzte er sich auf den Stuhl neben mir.

"Ich schätze, du bist Elisabeth Brooks."


Hey, freut mich, dass du dich hierherverirrt hast. Das war das erste Kapitel meiner neuen Geschichte. Ich hoffe, es gefällt dir ;) Ich fänds toll, wenn du voten würdest und vielleicht in einem Kommentar schreibst, was du bis jetzt von Liz hältst...


The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt