Bent but not broken

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Einige Elektroschocks später gelangte ich zu der Überzeugung, dass Ryan es wirklich ernst meinte. Nach dem vierten oder fünften Mal konnten meine Beine mein Gewicht nicht mehr halten und ich hing wieder mit meinem vollen Gewicht in den Handschellen um meine Handgelenke. Ryan wendete sich ab und ließ mir einen Moment Zeit, um mich ein bisschen zu erholen.

Ich keuchte vor mich hin und starrte wie paralysiert seinen Rücken an. Den Rücken, den ich schon so oft liebkost habe, beeindruckt von dem Spiel der Muskeln unter der gebräunten, weichen Haut. Ich hätte gerne geweint, doch es kamen keine Tränen mehr. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich Angst hätte haben sollen, doch ich fühlte mich einfach nur entsetzt und erschöpft von den Krämpfen, die der Strom in meinem Bauch auslöste.

Als Ryan sich wieder zu mir umdrehte, hatte ich für einen Moment das Gefühl, das Entsetzten das ich empfand würde sich auf seinem Gesicht widerspiegeln, doch so schnell der Moment gekommen war, so schnell war er auch schon wieder vorbei.

„Bereit für die nächste Runde?", fragte Ryan mit wieder ausdruckslosem Gesicht. Meine Augen weiteten sich geschockt. Wie konnte er das nur tun? Er sah mich mit leicht schiefgelegtem Kopf an.

„Du musst mir einfach nur meine Frage beantworten und ich lasse dich sofort in Ruhe. Es ist ja auch keine schwere Frage. Ich möchte lediglich wissen, wo Mary ist.", meinte er seelenruhig.

„Was habt ihr mit ihr vor?", keuchte ich.

"Muss dich nicht interessieren...", entgegnete er kalt.

"Sie ist meine Schwester!", schrie ich ihn an. Seine Miene wurde hart.

„Anscheinend willst du es so." Und er hielt mir den Elektroschocker wieder an den Bauch. Mein Bauch krampfte sich zusammen und Wellen von Schmerz wanderten von meinem Bauch aus in den Rest meines Körpers. Ich schrie, sowohl aus Schmerz als auch vor Angst, Demütigung, Entsetzen.

Als Ryan den Schocker wieder wegnahm, brach ich keuchend zusammen. „Ryan, bitte, hör auf...", jammerte ich. Mein Kopf wurde zu schwer für mich und ich ließ ihn nach vorn sinken. Ryan drückte ihn mit dem Schocker wieder hoch. Ein Laut entwich mir, eine Art Schluchzen, nur dass ich nicht weinte.

„Noch mal von vorne: wo ist Mary?", wiederholte Ryan seine Frage. Ich schüttelte nur schwach den Kopf. Ich konnte nicht mehr. Aber was sollte ich schon sagen? Dass ich es nicht wüsste? Das würde er mir sowieso nicht glauben.

„Na schön, ich wollte Scott zwar einen Gefallen tun und dich nicht zu sehr verletzen, aber du lässt mir ja keine Wahl..." Er klang resigniert. Er warf den Elektroschocker in Richtung Tasche, wie ein unnützes Werkzeug. Dann griff er in seine Hosentaschen und zog Zigaretten und ein Feuerzeug heraus. Gekonnt zündete er sich eine Kippe an und nahm einen Zug.

„Normalerweise rauche ich ja nicht, viel zu ungesund, aber heute mache ich eine Ausnahme..." Er nach noch einen Zug, äscherte auf den Boden, dann drehte er die Zigarette in seinen Fingern. Ich hatte ihm bisher nur apathisch zugesehen, jetzt begann ich zu ahnen, was er vorhatte und meine Atmung beschleunigte sich.

Langsam bewegte er die glühende Zigarettenspitze in meine Richtung. Ich wurde nun wirklich nervös und begann, mich in meine Fesseln zu winden. Er würde doch wohl nicht...?

„Ryan, nicht...", flehte ich ihn an. Er runzelte ungnädig die Stirn.

„Sagst du mir, wo Mary ist?", fragte er. Als ich nicht reagierte und ihn nur anstarrte, hielt er unwillkürlich die heiße Zigarettenspitze an die Haut direkt unter meinem BH. Es zischte und mir stieg der Geruch von verbrannter Haut in die Nase. Im selben Moment schoss ein unsäglicher Schmerz durch mich. Er war so heftig, brennend und intensiv, dass ich der festen Überzeugung war, ich müsse sterben. Ryan zog die Zigarette wieder zurück und zündete sie erneut an. Der Schmerz, der eben noch heiß aufgeflammt war, klang zu einem dumpfen Brennen ab. Ich stellte plötzlich fest, dass ich doch wieder Angst haben konnte. Ryan nahm noch einen Zug und betrachtete mich ruhig.

„Nein, das kannst du nicht...", meine Stimme brach, auch weinen konnte ich anscheinend wieder. Eine heiße Träne rann mir über die Wange und ich sah Ryan geradeaus an. Er sollte sehen, was er mir antat. Wieder hatte ich für einen Moment das Gefühl, in seinen Augen würde etwas aufblitzen.

„Warum tust du das?", schluchzte ich auf. „Bitte, bitte, hör auf!" Ich sah seine Kiefermuskeln spielen. Ich blickte ihm in die Augen und diesmal war ich mir einigermaßen sicher, etwas sehen zu können. Eine Art Regung, ein Gefühl, irgendwas, das mir denken ließ, ich wäre ihm vielleicht doch nicht so egal.

„Ich weiß, dass du das nicht tun willst! Bitte, Ryan, siehst du nicht, was du mir antust?", bettelte ich weiter und betete, er würde mich nicht erneut schlagen. Ryan sah mich einige Sekunden wie erstarrt an. Dann warf er plötzlich seine Zigarette auf den Boden und trat sie energisch aus. Mit abgehackten Bewegungen wandte er sich von mir ab und ich dachte kurz, er würde einfach gehen und mich hier allein lassen, doch stattdessen rammte er seine Faust mit einer Wucht gegen die Tür, dass das Holz knackte. Ich atmete zischend ein. Das musste wehgetan haben.

Als Ryan sich wieder zu mir umdrehte, sah ich meinen alten Ryan. In seinen Augen standen Tränen. Seine gesamte Körperhaltung sagte: Es tut mir leid. Er kam wieder zu mir, griff nach oben und löste die Handschellen. Meine Beine trugen mein Gewicht immer noch nicht und so wäre ich haltlos auf den Boden gefallen, hätte Ryan mich nicht aufgefangen. Ich kauerte mich in seinen Armen zusammen und die gesamte Anspannung der letzten Stunden und Tage brach in einem nervlichen Zusammenbruch aus mir heraus. Zitternd schluchzte ich in Ryans Pulli.

„Es tut mir so leid", flüsterte er mir ins Ohr. Immer wieder wiederholte er diese Worte, murmelnd, sanft, so wie mein alter Ryan reden würde. Es dauerte eine Weile, bis ich mich etwas beruhigt hatte, doch Ryan hielt mich geduldig umschlungen und murmelte immer wieder, wie leid es ihm täte.

Als meine Heulattacken langsam nachließen, versuchte ich, mich aus Ryans Armen zu befreien. Ich brauchte etwas Luft. Erschöpft sah ich Ryan an, er sah verzweifelt zurück.

„Ich hätte dir übrigens gar nichts sagen können. Ich weiß nicht, wo Mary ist. Ich habe sie mit Marc weggeschickt, aber habe sie mir absichtlich nicht sagen lassen, wo sie hingehen.", gestand ich mit dünner Stimme.


The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt