Devil

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Sie war so alt wie ich, machte auch in diesem Jahr ihren Abschluss, aber sie war nicht auf meiner Schule, was erklärte, dass ich sie nicht kannte, obwohl sie so auffällig war. Sie war von ihrem Vater auf ein Internat geschickt worden, als sie sechzehn war und sich abzeichnete, dass sie nicht unbedingt das bravste Mädchen war. Zuerst hatte sie es gehasst dort, doch inzwischen hatte sie sich damit arrangiert und auch Freunde gefunden. Aber sie hatte auch noch Freunde hier und die besuchte sie dieses Wochenende, weswegen sie in der Stadt war.

Sie redete sehr viel und sehr schnell, was ich gut fand, denn so musste ich selber nicht so viel reden. Ich hätte nicht gewusst, was ich ihr hätte sagen sollen. Es war mir peinlich, von unserer beengten Wohnung zu erzählen, von meiner kranken Mutter, von dem Viertel in dem wir wohnten. Aber ich hätte sie auch nicht belügen können. Ich mochte sie irgendwie. Das war mir schon klar geworden, als sie sich vorgestellt hatte.

Nach einer Weile fiel mir auf, dass ich vielleicht mal nach meiner Schwester schauen sollte. Ich erzählte Devil von ihr und stand auf. Devil sprang sofort mit auf und hakte sich bei mir unter.

"Ich komm natürlich mit!", machte sie mir klar. Unwillkürlich verzogen sich meine Lippen zu einem Grinsen. Fühlte sich das so an, wenn man Freunde hatte?

Als wir das Bad verließen, sah ich mich kurz um. Ryan war nirgends zu sehen. Erleichtert atmete ich auf. Devil hatte mich nicht gefragt, was ich in der Badewanne gemacht hatte und ich hatte es auch von mir aus nicht erzählt. Wir gingen kurz in die Küche, inzwischen war es dort noch voller. Irgendjemand hatte ein Blech mit Cupcakes auf dem Herd abgestellt. Devil juchzte kurz und hatte sofort zwei in der Hand. Den einen gab sie mir, der andere war innerhalb von Sekunden verschwunden.

Mit vollem Mund erklärte sie mir: "Die hat Vivian gebacken. Sie macht die besten Cupcakes der Welt. Los, probier mal!" Etwas zweifelnd betrachtete ich den hellen Cupcake mit dem quietschpinken Frosting. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal einen Cupcake gegessen hatte. Vorsichtig biss ich hinein. Sofort war mein Mund voller süßer, klebriger Wunderbarkeit. Ich stöhnte kurz auf, so lecker war es. In einem ähnlichen Tempo wie Devil verschlang nun auch ich meinen Cupcake. Devil zog mich derweil weiter, da mir schon aufgefallen war, dass Mary nicht in der Küche war.

Wir fanden sie weder im Wohnzimmer noch im Flur, also gingen wir bis ganz auf die andere Seite des Hauses und traten dort aus der Terassentür. Ich blieb stehen. Der Garten war riesig und wunderschön beleuchtet mit verschiedenfarbigen Lampignons. Aber das Beste war einige Meter vor mir in den Boden eingelassen. Ich konnte nicht mehr an mich halten.

"Ich glaube es einfach nicht! Die haben einen Pool hier! Wie unfassbar cool ist das denn, bitte?"

Devil guckte mich kurz erstaunt von der Seite an. Dann schüttelte sie kurz den Kopf und zupte mich am Arm, um mich daran zu erinnern, dass wir eigentlich meine Schwester suchen wollten. Ich ließ meinen Blick über die Leute schweifen und tatsächlich, da war sie.

Sie saß mit einem Jungen auf einer Holzbank, etwas abseits von den meisten Leuten und schien sich angeregt mit ihm zu unterhalten. Ich überlegte kurz, wie ich es finden sollte, dass er seinen Arm um sie gelegt hatte. Doch sie sah so glücklich aus, auf ihren Wangen schimmerte das leichte Rot der Verliebtheit und ihre Augen glänzten, wie ich es noch nie gesehen hatte. Ich beschloss, dass wir ruhig noch eine Weile hierbleiben konnten.

"Ist das deine Schwester?", fragte mich Devil und ich nickte. Sie schien beeindruckt.

"Ich habe Louis noch nie lächeln sehen!" Ich blickte sie an.

"Du kennst ihn?" Sie konnte mir vielleicht mehr über seinen Backround erzählen. Sie zuckte mit den Schultern.

"Ich würde jetzt nicht sagen, dass ich ihn zu meinen engsten Freunden zähle, aber ja, ich kenne ihn." Sie schien jedoch zumindest jetzt nicht weiter über ihn reden zu wollten, denn sie packte mich an der Hand.

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt