Kidnapping

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Drei Männer sprangen aus dem Ford. Der eine, der mir am nächsten war, hob seine Hand. Er richtete eine Pistole auf mich. Ich hatte kaum Zeit: „Ach du Scheiße!", zu rufen, da hatten die beiden anderen auch schon meine Arme auf den Rücken gefesselt und stülpten mir eine schwarze Kapuze über. Ich wurde grob ins Auto gestoßen und wenige Sekunden später fuhr der Wagen mit aufheulendem Motor los.

Es war stickig unter der Kapuze und ich musste mich mit aller Macht dazu zwingen, nicht zu schreien und wild um mich zu treten. Mühsam unterdrückte ich meine Panik und versuchte, ruhiger zu atmen. Anscheinend wurde ich gerade entführt. Heilige Scheiße!

Es war unbequem, mit auf den Rücken gefesselten Händen in einem Auto zu sitzen und bei jeder Kurve nach links oder nach rechts geschleudert zu werden. Meine Gedanken rasten. Was zur Hölle sollte ich tun? Was konnte ich überhaupt tun? Ich hatte mich noch nie so hilflos gefühlt.

Ich spürte, dass ich auf dem Rücksitz des Fords saß. Links und rechts von mir zwei der Männer, die jedoch keine Anstalten machten, mich festzuhalten, wenn der Wagen mal wieder um eine Kurve fuhr. Der dritte von ihnen musste vorne sitzen, neben dem Fahrer. Denn soweit ich mich erinnern konnte, war der Fahrer sitzen geblieben.

Wir fuhren nicht lange genug, dass sich mein Herz wieder beruhigen konnte. Nach nicht einmal fünf Minuten hielt der Wagen, ich hörte, wie sich die Türen öffneten. Ich wurde unsanft am Oberarm gepackt und aus dem Wagen gezerrt. Im Stechschritt überquerten wir vermutlich den Bürgersteig. Dann ging es durch eine Tür und wir befanden uns in einem Gebäude, eine Holztreppe hoch (dem Knarzen nach stammte sie jedenfalls nicht aus diesem Jahrhundert), ein Stück geradeaus und einmal nach rechts abbiegen.

Ich wurde so grob auf einem Stuhl abgesetzt, dass ich beinahe mitsamt dem Stuhl zu Seite gekippt wäre. Mein Atem ging stoßweise. Immer wieder stieg Panik in mir auf. Das Band um meine Handgelenke, vermutlich Kabelbinder, schnitt mir das Blut ab.

Ich hörte, wie sich Schritte entfernten und eine Tür zugezogen wurde. War ich allein? Verzweifelt versuchte ich, etwas durch den dicken Stoff der Kapuze zu erkennen, doch umsonst. Nachdem ich nach ein paar Minuten nichts mehr gehört hatte, beruhigte ich mich ein Stück weit. Anscheinend drohte mir zumindest momentan keine direkte Gefahr.

Dennoch blieben viele Fragen offen: wo war ich? Wer hatte mich entführt? Und vor allem warum? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Mir gefiel es nicht, auf so wichtige Fragen keine Antwort zu haben.

Gerade als ich wieder einen klaren Kopf bekam, hörte ich, wie sich die Tür öffnete. Schwere Schritte, ein Mann betrat das Zimmer. Er kam auf mich zu.

Ich musste die Augen zukneifen, als mir mit einem Ruck die Kapuze vom Kopf gerissen wurde und helles Licht mein Blickfeld flutete. Nach ein paar Sekunden hatte ich mich jedoch wieder daran gewöhnt und konnte den Mann vor mir mustern.

Er sah auf eine verstörende Art gut aus, schwarze Haare, markantes Gesicht, aber gleichzeitig wirkte er so gefährlich, dass ich Gänsehaut bekam. Sein kalter Blick lag auf mir.

Er trat beiseite und machte den Blick frei auf einen fiesen Schläger, der wohl nach ihm durch die Tür gekommen war und nun wie ein Wächter neben ihr stand. Der Mann war gebaut wie ein Schrank mit kleinen Schweinsaugen und einem gemeinen Grinsen. Trotzdem machte das Symbol auf seiner Lederjacke mir mehr Angst als sein Aussehen. Auf der linken Seite, etwa auf Höhe des Herzens, prangte das Abbild eines dreiköpfigen Hundes. Das Symbol der Hounds of Hell, der Gang, der mein Vater 15 000 Dollar schuldete.

Ich hatte den Gedanken daran in den letzten Tagen erfolgreich verdrängt, doch jetzt fiel mir siedend heiß ein, dass ich immer noch keinen Plan hatte, wie man die Schulden begleichen könnte, beziehungsweise mit welchem Geld. Ich schluckte trocken. Falls es darum ging, und das schien mir doch sehr wahrscheinlich, war ich womöglich in ziemlich großen Schwierigkeiten. Falls diese Männer Geldeintreiber waren, standen mir vermutlich ein paar nicht sehr angenehme Stunden bevor. Allerdings blieb noch eine Frage: Wenn die Leute vor mir Geldeintreiber waren, wo war dann mein Vater?

Während diesen unschönen Gedanken, sah ich mich um. Ich befand mich in einem kleinen Raum mit Holzoptik. Er machte den Anschein, ein Büro zu sein, was von dem riesigen Schreibtisch aus Massivholz zu meiner linken nur noch unterstützt wurde. Ich vermutete hinter mir Fenster, da von der Richtung leiser Straßenlärm zu hören war. Allerdings zu leise, um direkt an eine Straße zu grenzen, wahrscheinlich gingen die Fenster auf einen Hinterhof hinaus.

Bevor ich mich fragen konnte, wem wohl dieser monströse Schreibtisch gehörte, hörte ich Schritte und Stimmen. Ein Anzugträger trat durch die Tür, betrachtete mich kurz herablassend und glitt dann hinter den Schreibtisch wie ein Fisch im Wasser. Er zog sein Jackett aus, richtete kurz seinen Schlips und setzte sich dann. Er blickte zu dem jungen Mann, der sofort hinter mich trat und den Stuhl mit mir drauf um 90 Grad drehte, sodass ich dem Anzugträger gegenüber saß. Ohne jegliche Regung sah er mich eine gefühlte Ewigkeit aus wässrigen blauen Augen an. Unwohl zog ich die Schultern hoch. Ich wusste nicht, vor welchem der drei Männer im Raum ich mehr Angst haben musste.

„Ihren Namen, für das Protokoll." Die Stimme des Anzugträgers klang gleichgültig, fast schon gelangweilt, doch ich meinte, eine gewisse Schadenfreude in seinen Augen erkennen zu können. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Die wussten doch schon, wer ich war, wozu sollte ich das nochmal bestätigen?

Als ich keine Anstalten machte, zu antworten verengten sich seine Augen und er sagte nochmal eindringlicher: „Ihren Namen!"

„Elisabeth Victoria Brooks", brachte ich heraus, meine Stimme klang heiser. Er nickte, seine Miene wieder gelassen.

„Elisabeth Victoria Brooks, ihr Vater, Christian Brooks, schuldet uns Geld. Was haben sie dazu zu sagen?"

Was zur Hölle wollte dieser Typ von mir?

„Hey, Sie wissen meinen Namen, dann dürfte es ja wohl nicht zu viel verlangt sein, Ihren erfahren zu wollen." Ich hatte keine Ahnung, warum ich das sagte, vielleicht aus Trotz.

„Sie dürfen mich Noah nennen. Wissen Sie, wann und wie Ihr Vater gedenkt, seine Schulden zu begleichen?" Er ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Ich zuckte mit den Schultern. Durch die Panik, die schon wieder in mir aufstieg, wurde meine Antwort lauter als geplant.

„Keine Ahnung, Mann, fragen Sie doch meinen Vater!" Wo auch immer der gerade war... Noah lächelte dünn.

„Das haben wir schon, allerdings konnte er uns keine befriedigenden Antworten geben..." Er hob die Hand und schnipste. Ich wandte den Kopf zur Tür und keuchte auf.

Mein Vater wurde von einem anderen Schläger hereingezerrt. Seine Lippe war aufgeplatzt, er hatte ein blaues Auge und seine alte ehemals marineblaue Jacke, war fleckig und schmutzverkrustet.

Ohne nachzudenken, sprang ich auf.

„Vater!" Ich wollte zu ihm, doch bevor ich einen Schritt machen konnte, packte mich der junge Mann an den Schultern, drückte mich zurück auf den Stuhl und hielt mich dort fest.

Noah beugte sich nach vorn und stützte sich auf seine Arme.

„Hören Sie mir gut zu, Miss Brooks, denn anscheinend ist ihr Vater nicht in der Lage, seine Finanzen zu regeln..." In seinen Worten klang eine unterschwellige Warnung mit.

„Sie schulden uns seit einer Weile schon Geld und nun haben wir die Geduld verloren. Wir erwarten eine Anzahlung..."

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt