Dealer

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Es war gegen halb elf, als ich zur U-Bahnstation ging. Devil und ich hatten noch sehr lange oben vor dem Museum of Arts gesessen und geredet. Sie erzählte mir von ihrem Vater, wie ignorant und streng er sein konnte. Ich erzählte ihr, dass sie mein erster Kuss gewesen war. Daraufhin schaute sie mich erst ungläubig an und lachte dann, als sie sah, dass ich es ernst meinte. Sie fand, es wäre wirklich höchste Zeit, dass wir uns kennengelernt hatten. Sie würde schon dafür sorgen, dass ich ein bisschen mehr Erfahrung bekam. Ich muss so erschrocken ausgesehen haben, dass sie schon wieder anfing, laut zu lachen.

Nach einer Weile wurde es uns dann wirklich zu kalt dort oben und wir standen auf. Devil wollte unbedingt in eine Bar, aber wir wurden nicht reingelassen, obwohl Devil lange beteuerte, wir wären schon 21 Jahre alt. Schließlich gab sie auf und wir streiften eine Zeit lang durch die Innenstadt, um uns schließlich in einem kleinen Imbiss niederzulassen. Wir hatten beide nicht besonders Hunger und bevor ich ihr sagen konnte, dass ich kein Geld dabei hatte, meinte sie schon, dass es heute auf sie ging und bestellte uns zwei Cola.

Wir redeten und kicherten und waren furchtbar aufgekratzt und benahmen uns wie zwei kleine Mädchen, aber trotzdem war es mir nicht peinlich. Im Gegenteil, ich hatte schon lange nicht mehr so einen Spaß gehabt. Irgendwann wurde es zehn Uhr und wir beschlossen, dass es langsam Zeit wäre, nach Hause zu gehen. Irgendwie dauerte es dann doch nochmal eine halbe Stunde, bis wir uns verabschiedet hatten.

Inzwischen war es so kalt geworden, dass ich meinen Atem sehen konnte und ich zitterte in meiner dünnen Jacke. Ich hatte den Weg zur nächsten U-Bahnstation fast geschafft. Mein Körper sehnte sich nach der Wärme in den Wagen.

Es war pures Glück, dass ich die Stimmen hörte, bevor ich um die Ecke bog. Irgendetwas, vielleicht mein Bauchgefühl, hielt mich davon ab, normal um die Straßenecke zu gehen. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, es könnte gefährlich sein.

Ich hätte mich umdrehen sollen und einfach einen anderen Weg nehmen sollen. Ich weiß bis heute nicht, weshalb ich vorsichtig ein, zwei Schritte nach vorn machte und um die Ecke schaute.

In der kleinen Straße im Schatten eines Baumes standen drei Männer. Sie schienen alle noch jung zu sein, jedenfalls bewegten sie sich so, aber ich konnte weder ihr Gesicht, noch sonstige Merkmale erkennen. Zwei schienen zusammen zu gehören, der eine von ihnen trug einen Rucksack. Der andere Mann stand ihnen gegenüber, er war nervös, ständig öffnete und schloss er seine Faust.

Innerhalb von einer Minute griff er in seine Jackentasche, holte etwas Kleines heraus, ich hörte etwas rascheln, gab es den beiden anderen und nahm von ihnen ein kleines Paket entgegen, etwa so groß wie ein Buch und in braunes Papier gewickelt.

Es war offensichtlich, ich beobachtete gerade einen Drogendeal, und zwar nicht einen kleinen zwischen Dealer und Konsument, sondern etwas Größeres, zwischen einem Dealer und seinem Lieferanten. Das Paket war groß genug gewesen, um einen enorm hohen Wert zu haben, fast egal was es war...

Als mir das klar wurde und mir gleichzeitig bewusst wurde, in welcher Gefahr ich mich befand, ergriff kurz die Panik von mir Besitz. Bevor ich wusste, was ich tat, entwich mir ein Laut, ein Zwischending von einem Keuchen und einem Quicken.

Auf der Stelle drehten sich alle drei Männer in meine Richtung. Ohne nachzudenken, drehte ich mich um und rannte los. Hinter mir hörte ich die Männer.

„Fuck!"

„Warum hast du nicht aufgepasst?"

„Verdammt, schnappt sie euch!"

Ihre Rufe kamen näher. Ich kam an eine Kreuzung. Kurzerhand entschied ich mich für links. Ich kannte mich hier nicht aus. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hinlaufen könnte und tief in meinem Inneren war mir auch klar, dass ich eigentlich keine Chance hatte. Aber die Panik hatte vollständig von mir Besitz ergriffen und trieb mich voran.

Mein Herz pumpte. Kurz bedauerte ich, dass ich nicht besser in Form war. Die Männer waren näher gekommen. Ich konnte ihre Schritte und ihr Atmen hinter mir hören. Der eine fluchte immer wieder, der andere rief mir wüste Beschimpfungen zu. Nur der dritte gab keinen Laut von sich.

Vor mir kam wieder eine Kreuzung. Ich warf einen kurzen Blick zurück, ich wollte wissen, wie weit sie noch von mir entfernt waren.

Das war eindeutig ein Fehler. Ich hatte denjenigen unterschätzt, der nichts gerufen hatte. Er war direkt hinter mir, vielleicht einen Meter von mir entfernt. In diesem Moment fiel das Licht einer Straßenlaterne auf sein Gesicht und ich keuchte auf. Scheiße, das konnte nicht wahr sein...

Vielleicht wurde ich durch den Schock langsamer, vielleicht war ich auch einfach erschöpft, jedenfalls schaffte er es in diesem Moment mich zu packen.

Ich schrie auf. Seine Hand hatte meine Schulter gepackt. Er blieb stehen und riss mich an der Schulter zurück. Durch den Schwung, den ich noch hatte, konnte ich mich nicht auf den Beinen halten und knallte unsanft auf den Boden.

Ich stöhnte benommen. Doch mir blieb kaum Zeit, wieder zu mir zu kommen. Er packte mich vorn an der Jacke und riss mich hoch. Einen Moment später fand ich mich an eine raue Hauswand gepresst wieder.

„Du kleine Schlampe, jetzt hast du ein Problem!" Die beiden anderen Männer hatten aufgeholt. Der eine mit dem Rucksack beugte sich schwer atmend nach vorn. Anscheinend war er genauso schlecht in Form wie ich. Der andere, der mich gerade Schlampe genannt hatte, packte mich am Hals und drückte zu.

Erschrocken wollte ich aufschreien, doch heraus kam nur ein hohes Gurgeln. Unwillkürlich griffen meine Hände nach oben, an den Armen vorbei, die immer noch meine Jacke festhielten und mich an die Ziegelwand drückten, packten sein Handgelenk und versuchten, ihn von meinem Hals wegzubekommen.

Er drückte mir meine Luftröhre ab. Ich bekam keine Luft mehr. Meine Augen weiteten sich. Mein Herz pumpte. Durch meine Adern schoss die pure Todesangst. 


The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt