Schlägerei

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Die restliche Stunde hatte ich zum Glück meine Ruhe, doch als es zum Stundenende klingelte, stand plötzlich Ryan neben mir.

„Liz, bitte, hör mir wenigstens zu. Es tut mir leid, das war so bescheuert von mir gestern..."

So gut es ging, ignorierte ich ihn, packte meine Sachen zusammen und verließ den Raum, ohne ihn auch nur ein einziges Mal anzusehen. Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Er hatte doch gestern deutlich gemacht, dass ich ihm egal war.

Heute allerdings folgte er mir, was die Mittagspause zur Hölle machte. Er kannte die Orte, an denen ich mich normalerweise aufhielt und egal wo ich hinging, er folgte mir. Schließlich ging ich sogar in die wie immer total überfüllte Mensa, die ich seit nun fast zwei Jahren mied. Das stellte sich allerdings als fataler Fehler heraus.

Ich stemmte die schweren Glastüren auf und sofort schlug mir Hitze und der schwere Geruch von fettigem Essen entgegen. Es war laut und kleinere Schüler flitzten zwischen den Tischen herum. Etwas überwältigt ging ich weiter hinein, weil hinter mir Ryan durch die Tür getreten war. Ich kam nicht besonders weit. Von einem Tisch in meiner Nähe erhob sich Ian und begrüßte Ryan. Ich sah meine Chance. Wenn Ian Ryan lange genug ablenkte, konnte ich verschwinden. Ich versuchte, mich unauffällig zur Seite zu schieben, doch ich hatte nicht mit Kyle gerechnet. Er war ebenfalls aufgestanden, mit zwei schnellen Schritten neben mir und hielt mich am Arm fest.

„Hey Babe, hast du mich vermisst?" Er zwinkerte mir zu und beugte sich nach vorn, als wolle er mich küssen. Instinktiv verpasste ich ihm mit meiner freien Hand eine Ohrfeige.

„Kyle, lass sie los!", hörte ich Ryan irgendwo hinter mir.

„Nenn mich nicht Babe, du Arschloch!", fauchte ich Kyle an. Er blinzelte, mein Schlag hatte ihn überrascht, dann färbte sich sein Gesicht rot vor Wut.

„Du kleine Schlampe!", brüllte er, holte aus und bevor ich mich ducken oder meinen Arm heben konnte, traf mich seine Faust. Mein Gesicht wurde zur Seite geschleudert. Er ließ mich los und ich fiel auf den Boden. Benommen hob ich meine Hand und tastete mein Gesicht ab.

Ryan kniete sich neben mich und nahm mein Gesicht in beide Hände. Besorgt betrachtete er mich.

„Ist alles in Ordnung?" Ich riss mein Gesicht aus seinen Händen. Wut loderte in seinen Augen. Feurige Flammen in ewigem Eis. Ruckartig stand er auf und drehte sich um.

„Das hättest du nicht tun sollen, Kyle!", seine Stimme war ein ganzes Stück dunkler als normal. Ian lachte auf.

„Läufst du etwa immer noch dieser Schlampe hinterher? Warum verteidigst du die?" Kyle pflichtete ihm bei und wie um seine Worte zu bekräftigen, schubste er Ryan.

Ohne Vorwarnung und so schnell, dass man seinen Arm nur verschwommen sah, schlug Ryan Kyle ins Gesicht. Es war ein verdammt harter Schlag gewesen und Kyle taumelte.

„Scheiße, Ryan, komm wieder runter!", rief Ian, doch er konnte weder Kyle noch Ryan aufhalten. Kyle schüttelte sich kurz, dann hatte er sich wieder gefangen. Mit einem tiefen, kehligen Brüllen ging er auf Ryan los. Der jedoch wich mit der Eleganz eines Tigers aus und verpasste Kyle den zweiten Schlag.

Fluchend wich Kyle zurück. Aus seiner Nase tropfte Blut auf sein weißes T-Shirt. In der gesamten Mensa war es still geworden. Langsam richtete ich mich auf.

„Lasst sie in Ruhe, ist das klar?! Und nennt sie nie wieder Schlampe!", drohte Ryan seinen besten Freunden. Um uns herum hatte sich eine Traube gebildet. Gefühlt hunderte Augen betrachteten uns und ich sah in den Gesichtern, dass sie Ryan nicht verstanden.

Das war der Moment, in dem ich mich umdrehte und ging. Die anderen Schüler wichen vor mir zurück, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Ich war schon wieder an den Glastüren angelangt, als ich Ryan meinen Namen rufen hörte.

So schnell ich konnte, verließ ich die Mensa. Doch wie schon vorher folgte Ryan mir wieder. Diesmal tat er es jedoch nicht leise und unauffällig, sondern rief mir die ganze Zeit zu, ich solle stehen bleiben und mit ihm reden.

Ich war kurz davor, mich umzudrehen und ihm zu sagen, er solle zu Hölle fahren, da fiel mir der perfekte Ort ein, an dem ich mich vor ihm verstecken könnte. Ich beschleunigte meine Schritte und war nach wenigen Minuten am nächsten Mädchenklo. Ryan schien zu ahnen, was ich vorhatte, denn er rief noch: „Nein, Liz, bitte..."

Dann schloss sich die Tür hinter mir und ich atmete erleichtert auf. Endlich Ruhe! Ich spritzte mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht, dann betrachtete ich mich im Spiegel. Scheiße, die Stelle, wo Kyle mich im Gesicht getroffen hatte, schwoll an und hatte sich leicht dunkelrot verfärbt. Hoffentlich war das bis morgen Abend wieder etwas besser geworden. So wenig es mir gefiel, ich brauchte das Geld, dass sie mir zahlen würden.

Bevor ich jedoch überlegen konnte, was ich jetzt die restliche Mittagspause hier machen sollte, öffnete sich die Tür wieder und plötzlich stand Ryan im Mädchenklo. Ich zuckte zusammen und fuhr herum.

„Sag mal, spinnst du? Das hier ist die Mädchentoilette!" Ryan sah sich unbehaglich um.

„Ich weiß, verdammt! Aber Liz, ich muss mit dir reden, bitte, hör mir doch zu!"

„Fahr zur Hölle!" Schnell flüchtete ich mich in eine der Kabinen und schloss ab. Hier musste ich immerhin nicht mehr in seine Augen sehen. Ich hörte, wie er tief seufzte.

„Ok, ich habe mir das etwas anders vorgestellt, aber hier kannst du immerhin nicht mehr vor mir weglaufen." Ich stöhnte auf.

„Es tut mir leid. Ich habe mich wie ein totales Arschloch verhalten und du hast alles Recht der Welt, mich zu verfluchen. Ich weiß auch nicht so genau, warum ich mich so scheiße verhalten habe. Kyle und Ian haben irgendwie so einen Effekt auf mich..." Er schwieg eine Weile.

„Das wird nie wieder vorkommen, ich verspreche es dir. Aber ich kann nur um Verzeihung bitten und hoffen, dass du meine Entschuldigung annimmst." Ich schwieg. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Schließlich wurde mir die Entscheidung vom schrillen Klingeln der Glocke abgenommen. Ich musste hier raus und wieder zum Unterricht.

Ich schloss auf und blickte ihm ins Gesicht. Er sah ehrlich bedrückt aus, in seinen Augen schimmerte Hoffnung. Aber der Schmerz in meiner Wange erinnerte mich wieder daran, was ich sagen wollte.

„Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?" Er runzelte verzweifelt die Stirn. Seine Stimme klang rau, als er mir antwortete.

„Ich weiß es nicht, aber es geht nicht..."


Hey ho, ich hoffe es hat euch gefallen. Was glaubt ihr macht Ryan als nächstes, damit sie ihm verzeiht?  ;)

Ich sehe in meinen Statistics immer wieder, dass ihr nicht alle aus Deutschland kommt. Würde mich total freuen, wenn ihr mal kommentiert, wo ihr herkommt :)

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt