Trouble

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Am nächsten Morgen fühlte ich mich schon wieder etwas besser. Vielleicht hatte ich Glück und die Grippe würde mich nicht ganz so schwer treffen wie Tyler, dem ich gestern Abend noch Paracetamol gegen das Fieber gegeben hatte.

Als ich aufstand, überkam mich die irrationale, aber trotzdem übermächtige Angst, Marc könnte auf einmal nicht mehr da sein, weswegen ich einigermaßen laut ins Wohnzimmer platzte und ihn aus Versehen aufweckte. Zum Glück lag er noch auf dem Sofa. Obwohl sich Marc und Ryan in keiner Weise ähnelten, fühlte ich mich an den Morgen erinnert, an dem ich Ryan auf dem Sofa schlafend beobachtet hatte. Beim Gedanken daran wurde ich leicht rot, obwohl wir inzwischen ja sogar zusammen waren und es eigentlich nichts gab, weswegen ich mich hätte schämen müssen.

Marc begrüßte mich verschlafen und drehte sich dann auf die andere Seite, um noch eine Weile liegen zu bleiben. Ich lächelte erleichtert. Er war noch da, der letzte Abend war kein Traum gewesen. Ich duschte schnell und machte dann Frühstück. Ich konnte es kaum erwarten, in die Schule zu kommen und Ryan zu erzählen, dass Marc wieder da war.

Doch Ryan tauchte nicht auf. Er verpasste die gesamte Biologiestunde und ich dachte mir, dass er vielleicht verschlafen hätte. Aber auch in Englisch kam er nicht. Unwillkürlich fing ich an, mich zu sorgen. Mein Kopf versuchte, logisch zu argumentieren, vielleicht war er auch einfach nur krank geworden, doch mein Bauch ließ sich davon nicht beruhigen.

Mitten in der Englischstunde hielt ich es nicht mehr aus und schrieb ihm eine Nachricht.

Hey, ist alles in Ordnung? Warum bist du nicht in der Schule, bist du krank geworden? Ich zuckte erschrocken zusammen, als sich Ms. Hobbs räusperte. Sie stand genau vor mir und sah einigermaßen wütend auf das Handy.

„Elisabeth, ich denke, du weißt, dass ich Handys in meinem Unterricht hasse", schimpfte sie und hielt die Hand auf. Ich verzog das Gesicht, trotzdem gab ich ihr das Handy.

„Du bekommst es nach der Stunde wieder." Ich fluchte innerlich. Jetzt würde ich frühestens nach Englisch erfahren, was los war. Allerdings hatte ich mir das wohl selbst eingebrockt. Jeder an der Schule wusste, wie gnadenlos Ms. Hobbs bei Handys war.

Die Zeit schien sich zu ziehen wie Kaugummi und die Stunde schien einfach nicht vorbeigehen zu wollen. Ungeduldig blickte ich alle zwei Minuten auf die Uhr, nur um jedes Mal aufs Neue entsetzt festzustellen, wie wenig sich die Zeiger bewegt hatten. Obwohl ich eigentlich keinerlei Grund dazu hatte, machte ich mir furchtbare Sorgen.

Als es endlich klingelte, sprang ich erlöst auf. Schnell packte ich meine Sachen zusammen und bewegte mich mit einigermaßen zerknirschter Miene nach vorn zu Ms. Hobbs. Sie betrachtete mich kurz, dann gab sie mir mein Handy wieder.

„Ist alles in Ordnung bei dir?", fragte sie und ich hatte das Gefühl, sie könnte mit ihren Adleraugen bis in mich hinein sehen. Ich zuckte mit den Schultern und sagte nichts.

„Du hast unkonzentriert gewirkt. Weißt du zufällig, wo Ryan heute ist?", fragte sie und ich hätte fast gegrinst, weil sie so genau den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

„Ich glaube, er ist krank", meinte ich, für den Fall, dass er schwänzte und eine Entschuldigung brauchte. Dann drehte ich mich schnell um und verließ schon fast fluchtartig den Raum. Ich verzog mich auf die Mädchentoiletten, dort konnte mir kein Lehrer das Handy wegnehmen. Sofort checkte ich, ob ich irgendwelche Nachrichten bekommen hatte. Marc hatte mir geschrieben, dass er einkaufen gehen würde, ob ich noch irgendetwas bräuchte, doch Ryan hatte sich nicht gemeldet. Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Bauch breit. Wenn er krank im Bett läge, würde er doch bestimmt ab und zu auf sein Handy gucken... Was war bloß los, dass er sich nicht meldete?

Den gesamten Tag über hörte ich nichts von Ryan und wurde immer nervöser. Als ich mich um kurz vor acht Uhr fertig machte, um zum Dirty Love zu gehen, hielt ich es nicht mehr aus und rief ihn an. Ein paar Sekunden lang erklang das normale Tuten, dann ein langes Tuten. Der Arsch hatte mich weggedrückt! Ich keuchte empört auf, der konnte was erleben, wenn ich ihn wieder sah. Ich wartete noch kurz, ob er mir wenigstens eine Nachricht zur Erklärung schreiben würde, doch als nach fünf Minuten immer noch nichts da war, machte ich mich wütend und gleichzeitig besorgt auf den Weg zum Dirty Love.

Marc hatte ich nur erzählt, dass ich in einem Club arbeitete. Ich wollte ihm nicht jetzt schon sagen, dass der Club eigentlich ein Stripclub war. Ich hatte Angst, er würde mich genauso verurteilen wie Vater.

Vielleicht lag es nur an meinen angespannten Nerven, doch ich hatte das Gefühl, auch im Dirty Love war die Stimmung gereizter als sonst. Normalerweise sah Panther immer nochmal nach uns, wenn wir uns fertig machten, doch heute tauchte er nicht auf. Auch Marion schien irgendwie angespannt. Obwohl sie eigentlich nett war, fuhr sie mich böse an, als ich sie fragte, ob ich eine andere Corsage haben könnte, weil meine drückte. Ich solle den Mund halten und mich damit abfinden, fauchte sie und ich zuckte zurück. Ich wusste nicht was los war, trotzdem versuchte ich mich den Rest des Abends so unauffällig wie möglich zu verhalten und ihr keinen Grund zu geben, ihren Frust an mir auszulassen.

An diesem Abend saß Noah wieder in seiner gewohnten Ecke, aber auch er sah angespannt aus. Tiefe Augenringe hatten sich in seine Haut gegraben und er fuhr sich immer wieder fahrig durch die Haare. Gegen halb zwölf tauchte Panther auf. Sein Kiefer war so angespannt, dass die Muskeln an den Seiten deutlich heraustraten. Mit schnellen Schritten durchmaß er den Raum und ließ sich neben Noah nieder. Er beugte sich vor und redete hastig und leise auf ihn ein. Ich runzelte die Stirn. Ich spürte mit jeder Faser meines Körpers, dass die Kacke heftig am dampfen war, doch ich wusste nicht, was genau los war und ich hatte Angst, jemanden zu fragen.

Als Marion mich mit Panthers Standardcocktail zu Noah Tisch schickte, versuchte ich, mich so gut es ging, unsichtbar zu machen. Ich hielt meine Augen gesenkt, als ich den Drink abstellte und zuckte zusammen, als Panther mit der Faust auf den Tisch schlug.

„Verdammt, Noah, das können wir ihm nicht durchgehen lassen und das weißt du!", fluchte er und ich atmete erleichtert aus, weil er nicht mich meinte. So schnell ich konnte, verschwand ich wieder und brachte mich hinter der Bar in Sicherheit.

Etwa eine Stunde später, Panther war schon seit einer Weile wieder gegangen, vibrierte mein Handy, das hinter der Theke lag. Ich griff sofort danach, hoffentlich hatte Ryan mir endlich geschrieben, doch es war nur eine Nachricht von Marc, noch dazu eine relativ kryptische.

Kannst du mal kurz Pause machen und zum Hintereingang kommen? Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. Wer hatte ihm gesagt, wo ich arbeitete? Doch ich wollte ihn nicht enttäuschen, ich hatte den Tag über das Gefühl gehabt, wir würden einander wieder näher kommen, und so sagte ich Marion, ich würde kurz Pause machen und ging nach draußen.

Ich hatte mir meine Jacke mitgenommen, denn es war immer noch verdammt kalt und als ich rauskam, verließ mein Atem als Dampf meine Lungen. Ich blickte mich kurz um und sah Marc. Er saß auf Holzkisten, die immer neben dem Hintereingang abgestellt wurden. Er musterte mich schweigend, das Gesicht versteinert.

„Was machst du hier?", wollte ich wissen, „und wer hat dir gesagt, dass ich hier arbeite?" Marc stand auf und machte ein paar schnelle Schritte auf mich zu. Seine Augen blitzten. Erschrocken wich ich zurück.

„Verflucht, Liz, du hast mir nicht gesagt, dass du hier arbeitest! Nein, besser, du hast mir nicht gesagt für wen du arbeitest!", fuhr er mich an. Sofort wurde auch ich wieder wütend. Was glaubte er, wer er war, dass er so mit mir redete?

„Was juckt es dich überhaupt?", giftete ich ihn an. Marc fluchte einmal laut.

„Scheiße, Liz, du arbeitest für die Hounds of Hell?"


So, das wars mal wieder. Alle kruden Theorien, was passiert ist, weswegen Ryan nicht zu Schule kommt etc. in die Kommentare ;) Habt noch einen schönen Tag

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt