Knockout

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In diesem Moment brach das Chaos aus. Tyler sprang auf. „Nein! Ihr nehmt sie nicht mit!", schrie er und ich sah die wilde Panik in seinen Augen, als er sich auf Mitch stürzte.

„Tyler, nicht!", schrie ich. Gleichzeitig schaffte David es, sich aus der Umklammerung um seinen Hals zu lösen und er begann, mit seinen kleinen Fäusten auf den Bauch von Goldkettchen einzuschlagen. Der ließ Lily los und sie flitzte, so schnell sie konnte, zwischen den anderen beiden Männern hindurch und verschwand in die Küche.

Ich setzte eilig Finn ab und er folgte Lily. Mitch, der von Tylers plötzlichem Ausbruch wohl überrascht worden war, hatte tatsächlich einen Schlag ins Gesicht bekommen. Doch Tyler war noch vom Fieber geschwächt und als sich Mitch von seiner Überraschung erholt hatte, hob er wütend die Fäuste.

Der Mann, den David attackierte, versuchte, seine kleinen Hände festzuhalten. Cassel und der vierte Mann, ein Typ mit langem Vollbart, kamen von beiden Seiten auf mich zu. Ich sah kurz panisch hin und her, dann flüchtete ich quer über das Sofa. Doch unser Wohnzimmer war klein und nicht einmal zwei Meter hinter dem Sofa kam die Wand.

In die Enge getrieben drehte ich mich um. Cassel und der andere Mann kamen von beiden Seiten auf mich zu. Ich täuschte einen Angriff auf den Vollbart an, wandte mich dann in letzter Sekunde zu Cassel und trat ihm mit voller Wucht in die Eier. Er stöhnte und fiel auf die Knie. Der andere packte mich plötzlich von hinten, doch ich ließ meinen Kopf nach hinten sausen und hörte, wie seine Nase böse knackte.

Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Goldkettchen seine Taktik änderte, seinen schweren Stiefel hob und David gegen die Brust trat. Er hatte so fest zugetreten, dass David zurückgeschleudert wurde und erst von dem Sessel gestoppt wurde. Mit einem Stöhnen sackte er auf dem Boden zusammen.

„David!", schrie ich schrill auf. Ich kämpfte mit aller Macht, dass Vollbart mich los ließ, doch er trat mir die Füße weg und ich krachte ungebremst auf den Boden. Bevor ich mich wieder aufrappeln konnte, bekam ich von Cassel, der sich wieder etwas erholt hatte, einen Tritt in den Bauch. Etwas knackte laut und Schmerz schoss durch meinen Körper. Gut möglich, dass eine Rippe gebrochen war. Ich rollte mich herum und kam auf alle viere. Verzweifelt sah ich zu David. Er lag immer noch auf dem Boden, sein Gesicht war weiß. Durch den Türrahmen konnte ich in die Küche sehen, wo sich Lily mit Finn zusammengekauert hatte und schluchzend zurückstarrte.

Ich konnte auch Tyler sehen, der gerade von Mitch nach allen Regeln der Kunst vermöbelt wurde. Goldkette half ihm dabei. Er hatte Tyler an den Armen gepackt und hielt ihn fest, während Mitchs Schläge auf ihn einprasselten.

Mit einer letzten Kraftanstrengung kam ich wieder auf die Füße. Wild blickte ich Cassel an. Strähnen meiner schwarzen Haare hingen mir ins Gesicht und schränkten meinen Gesichtsbereich ein. Vollbart packte mich von hinten an den Oberarmen. Ich riss heftig die Arme nach vorn, doch er ließ nicht los und egal, was ich versuchte, ich konnte ihn nicht abschütteln. Cassel gestattete sich ein schmales Lächeln, bevor er dem Vollbart einen Wink gab und der anfing, sich Richtung Tür zu bewegen.

Panik wallte erneut in mir hoch. „Nein!", schrie ich, so laut ich konnte. Goldkette hatte Tyler losgelassen und jetzt lag er am Boden und sie traten zu dritt auf ihn ein. „Tyler!", schrie ich nochmal und kämpfte gegen den festen Griff vom Vollbart an. „Nein, bitte, lasst ihn in Ruhe!", meine Stimme brach. Mitch blickte auf und ich konnte die Grausamkeit in seinen Augen sehen. Ein letztes Mal holte er aus und versetzte Tyler einen heftigen Tritt gegen den Kopf. Tylers Körper erschlaffte. Ein hoher, dünner Schrei entwich mir, der das Grauen, welches ich empfand, nicht einmal annähernd ausdrücken konnte.

Meine Beine gaben nach und der Vollbart hatte tatsächlich kurz Mühe, mich weiter aufrecht zu halten. Mitch gab den beiden anderen einen Wink und sie folgten uns aus der Wohnung.

„Lily, ruf den Krankenwagen! Wähl die 911!", schrie ich heiser, dann waren wir durch den Türrahmen und der Vollbart schubste mich Cassel in die Arme. Der drehte mir die Arme auf den Rücken, sodass der Schmerz kaum auszuhalten war, und zwang mich die Treppe hinunter.

Ich versuchte immer noch, mich gegen ihn zu wehren, doch meine Versuche waren halbherzig geworden. Ich wusste, dass ich allein gegen vier Männer nichts ausrichten konnte. Meine Gedanken kreisten um Tyler und David. Sie waren beide bewusstlos gewesen, als wir die Wohnung verlassen hatten. Mein Herz klopfte mir heftig im Takt meiner Angst gegen die Rippen.

Als wir auf der Straße ankamen, hatte ich jegliche Gegenwehr aufgegeben. Meine Schultergelenke taten wahnsinnig weh. Cassel schubste mich in einen grauen Sprinter und folgte mir mit Mitch zusammen. Die beiden Männer, deren Namen ich nicht kannte, schlossen die Türen. Während der Motor ansprang, fesselte Cassel meine Hände mit Kabelbinder auf den Rücken und stieß mich dann, sodass ich auf den harten Boden des Sprinters fiel.

Die beiden Männer hatten sich auf eine schmale Bank gesetzt, die in die Seite des Sprinters eingelassen war und musterten mich bösartig. Ich rappelte mich auf, sodass ich in eine sitzende Position kam und ließ meine Haare in mein Gesicht fallen. Die Wirkung des Adrenalins in meinem Blut ließ langsam nach und damit kamen gleichzeitig die Tränen. Ich wollte den beiden nicht die Genugtuung geben, mich weinen zu sehen. So versuchte ich, möglichst keinen Laut von mir zu geben, während mir die Tränen über die Wangen liefen.

Doch Mitch hatte nicht die Absicht mich in Ruhe zu lassen. Wir fuhren kaum eine Minute, da lehnte er sich schon nach vorne. „Du steckst in ganz schön großen Schwierigkeiten, aber das weißt du schon, nicht wahr?", fragte er mich und ich konnte das Lauernde in seiner Stimme hören.

„Fick dich doch, du Hurensohn!", gab ich mit allem Trotz zurück, den ich aufbringen konnte. Cassel lachte auf. Mitch gab keinen Laut von sich. Bedächtig stellte er seinen linken Springerstiefel auf mein rechtes Knie und übte leichten Druck aus. Schmerz schoss durch mein Bein. Ich zuckte zusammen. Mühsam unterdrückte ich ein Stöhnen.

„Nenn mich noch einmal so und du wirst für den Rest deines Lebens humpeln", drohte er mir kalt. Ich schluckte. Eingeschüchtert nickte ich und er entlastete mein Knie wieder.

„An deiner Stelle würde ich mir Sorgen machen", fuhr er seelenruhig fort. „Die Nummer Eins hat was ganz Besonderes mit dir vor..."

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt