Sell your body

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Am Donnerstag hatte ich die ersten vier Stunden in der Schule meine Ruhe. Ich war zwar körperlich anwesend, aber ich konnte mich kaum konzentrieren und meine Gedanken schweiften ständig ab. Zum Glück wurde ich nicht aufgerufen, denn ich hätte zu keinem Zeitpunkt gewusst, was ich hätte antworten sollen.

Meine Gedanken sprangen von einem Thema zum anderen, während ich stumm vor mich hinstarrte. Ich wusste, die Anzahlung gestern war eigentlich viel zu wenig gewesen. Gleichzeitig hatte ich Bauchschmerzen wegen dem Angebot, das Noah mir gemacht hatte. Er hatte irgendwie mitbekommen, dass ich bei meinem Job im Supermarkt gefeuert worden war. Als er mich gefragt hatte, wie ich die Schulden bezahlen wollte, hatte ich keine Antwort gewusst. Daraufhin hatte er mir ein sehr fragwürdiges Angebot gemacht.

Die Hounds of Hell unterhielten nicht nur diverse Restaurants, sondern auch einige Striplokale. Um es kurz zu machen, sie wollten, dass ich anfing, in einem der Striplokale als Tänzerin zu arbeiten. Ich hatte das entschieden abgelehnt, meine Stimme hatte sich überschlagen, so entsetzt war ich gewesen. Daraufhin hatte Noah vorgeschlagen, ich könne ja auch erstmal als Kellnerin im „Dirty Love", einem Striplokal in der Nähe unserer Wohnung, arbeiten, wobei ich jedoch als Tänzerin mehr Geld kriegen würde. Bei diesen Worten war mein Vater, der das ganze Gespräch über einen immer röteren Kopf gekriegt hatte, endgültig ausgetickt.

Er war komplett ausgerastet, hatte rumgeschrien, dass er das nicht zulassen würde, dass seine Tochter keine billige Nutte wäre. Panther hatte ihn ein paar Mal kräftig geschlagen bis er Blut auf den Boden spuckte, danach war er ruhig gewesen.

Ich hatte Einwände erhoben, wollte das nicht tun, wollte nicht akzeptieren, dass ich für die Schulden meines Vaters verantwortlich sein sollte. Noah hatte Panther zugenickt und dieser war ganz nah an mich herangetreten, hatte sich seelenruhig vorgebeugt und mir ins Ohr geflüstert, sie könnten mich und meine Schwester auch zwingen, für sie anschaffen zu gehen, das wäre gar keine große Sache... Nachdem ich meinen ersten Schock überwunden hatte, gab ich klein bei, sagte, dass ich es machen würde, zumindest als Kellnerin (wie schlimm konnte das schon sein), aber sie dürften auf gar keinen Fall Mary da mit reinziehen. Noah war zufrieden gewesen und ich war erleichtert, dass er Mary nicht mehr erwähnte.

Jetzt saß ich in der Schule und hatte Bauchschmerzen. Ich wollte das nicht machen. Ich wollte nicht in einem Striplokal arbeiten, selbst wenn ich nur hinter der Bar stehen müsste. Ich wollte nicht von fremden, mittelalten Männern wie ein leckerer Nachtisch angeschaut werden. Allein bei der Vorstellung bekam ich Gänsehaut und mir lief es kalt den Rücken hinunter.

Viel öfter jedoch, und viel öfter als mir lieb war, dachte ich an Ryan. Ich hatte ihn noch nicht gesehen und war froh darüber. Ich konnte nicht verstehen, was gestern passiert war. Er war so nett gewesen und ich hatte zumindest das Gefühl gehabt, dass wir Spaß gehabt hatten und uns gut verstanden hätten. Aber dann waren Ian und Kyle aufgetaucht und er war plötzlich wieder das Riesenarschloch gewesen, dass er auch in der Schule immer war.

Ich war so sauer auf ihn und gleichzeitig voller Unverständnis. Wie er mit Kyle über mich geredet hatte, wie über eine kleine, dumme Schlampe und das alles auch noch während ich direkt neben ihnen stand. Und wie er Ian indirekt zugestimmt hatte, dass ich nur ein hässliches kleines Kind war.

In meinem Kopf lief die Szene immer und immer wieder ab, aber ich wusste einfach nicht, warum Ryan auf einmal so gewesen war. Andererseits wusste ich doch eigentlich, dass er ein herablassender Wichser war, warum wunderte ich mich also? Ich hätte gar nicht erst zusagen sollen, mit ihm zu dem Footballspiel zu gehen. Ich hätte ihn allgemein nicht so nah an mich heranlassen dürfen. Aber am Sonntagabend, als wir nebeneinander an der Hauswand saßen, hatte ich das Gefühl gehabt, da wäre irgendetwas zwischen uns gewesen, etwas, das uns verband. Anscheinend hatte ich mich geirrt...

Dementsprechend wenig Lust hatte ich auf die nächsten beiden Stunden, weil Mathe wieder ein Kurs war, den ich mit Ryan zusammen hatte. Ich würdigte ihn keines Blickes, als ich in den Raum kam und ließ mich auf meinen Platz fallen. Unglücklicherweise saß ich in Mathe direkt vor ihm. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken und meine Schulten verspannten sich.

„Liz!", zischte er von hinten, doch ich ignorierte ihn. Ich hörte, wie er Anstalten machte aufzustehen.

Zum Glück kam unser Mathelehrer Herr Pollakowski rein und begann quasi auf der Stelle mit dem Unterricht. Normalerweise mochte ich Mathe, es war so schön logisch und man hatte eigentlich immer ein Schema, das man abarbeiten konnte. Außerdem waren Zahlen immer genau das, was sie zu sein schienen. Diese Stunde jedoch war furchtbar. Ich hatte ständig das Gefühl, Ryan würde Löcher in meinen Rücken starren, jedoch weigerte ich mich, mich umzudrehen und nachzuschauen, ob er es tatsächlich tat.

Ich war schrecklich unkonzentriert und ärgerte mich noch zusätzlich, dass Ryan mir so den Unterricht vermieste. Schule war sowieso... na ja, Schule halt, aber der heutige Tag war wirklich der Horror.

Als Herr Pollakowski uns eine Stillarbeit gab und sich seinerseits in die Korrektur von Klassenarbeiten vertiefte, spürte ich, wie etwas in der Kapuze von meiner Sweatshirtjacke landete. Ich knirschte mit den Zähnen, dann griff ich danach und fischte einen zusammengerollten Zettel heraus.

Kurz überlegte ich, ob ich ihn aufmachen und lesen sollte, doch dann dachte ich wieder an gestern und schmiss den Zettel, so wie er war wieder nach hinten. Ich hoffte, der Zettel würde Ryan am Kopf treffen.

Keine Minute später spürte ich schon wieder, wie etwas in meiner Kapuze landete. Ich seufzte tief. Ich sollte mich auf die Aufgaben konzentrieren, aber wenn ich den Zettel wieder zurückwarf, würde ich wahrscheinlich den Rest der Stunde mit Zetteln genervt werden. Also rollte ich das kleine Stück Papier auseinander und blickte auf Ryans geschwungene Schrift.

Es tut mir leid!

Könntest du wenigstens mit mir reden?

Ohne lange nachzudenken, kritzelte ich eine Antwort auf das Papier.

Nein.

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt