Fuck my life

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Mit angespannten Schultern stieg ich die Treppe zu unserer Wohnung hinauf. Hinter mir lief der junge Mann, der die elegante Körperspannung eines Panthers hatte. Da seine schwarzen Haare ebenfalls die Assoziation eines Panthers in mir hervorriefen und ich seinen Namen bereits wieder vergessen hatte, beschloss ich, ihn innerlich so zu nennen.

Wir hatten den richtigen Stock erreicht und mit zitternden Fingern kramte ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche. Ich spürte Panthers Blick in meinem Rücken. Seit wir das Büro über einem kleinen Restaurant verlassen hatten, ließ er mich nicht aus den Augen.

Als das Schloss klickte, drehte ich mich zu Panther um.

„Du wartest hier, okay? Ich hole kurz das Geld, das ich da habe." Sofort wurde sein Blick noch misstrauischer, falls das überhaupt möglich war.

„Vergiss es! Am Ende verschwindest du noch spurlos und ich muss mir die Hände an deinem Vater dreckig machen..." Seine Stimme ließ keine Zweifel zu, dass er es ernst meinte. Trotzdem versuchte ich es noch ein letztes Mal. Da drinnen waren meine Geschwister, meine Familie, alles was ich noch hatte. Und ich wollte nicht, dass sie Panther sahen. Ich wollte nicht, dass er sie sah und noch ein weiteres Druckmittel hätte. Ich wollte nicht, dass er ihnen Angst machen konnte und ich wollte nicht, dass sie wussten, wie tief wir in der Scheiße steckten.

„Wir sind im vierten Stock! Wie soll ich hier denn abhauen können? Wir haben nicht mal eine Feuerleiter. Gib mir einfach fünf Minuten, wenn ich dann noch nicht mit dem Geld zurück bin, kannst du ja nachkommen. Flehend sah ich ihn an, doch ihn schien das kalt zu lassen.

„Nein!"

„Zwei Minuten, bitte!" Mit einer Geschwindigkeit, die mich vollkommen überrumpelte, schlang er seinen Arm um meinen Hals, drehte mich gleichzeitig um 180 Grad und im nächsten Moment musste ich, an seinen muskulösen Oberkörper gepresst, nach Luft schnappen, weil sein Arm auf meine Luftröhre drückte. Verzweifelt zerrte ich an seinem Arm, doch er bewegte sich kein Stück. Ich spürte, wie er sein Gesicht von hinten nahe an mein Ohr brachte.

„Jetzt pass mal auf, Kätzchen, du kannst vielleicht ganz gut schauspielern, dass du die Ruhe behältst, aber ich durchschaue dich. In Wahrheit hast du panische Angst und wer Angst hat, verhält sich manchmal wahnsinnig dumm und irrational. Und genau aus diesem Grund komme ich mit rein!" Er ließ mich wieder los. Ich keuchte auf und fasste mir unwillkürlich an den Hals. Auf wenn es mir nicht gefiel, musste ich zugeben, dass er nicht völlig Unrecht hatte, jedenfalls was den Teil mit der panischen Angst betraf.

Resigniert stieß ich die Tür auf. „Hallo, Leute", rief ich in die Wohnung und hoffte inständig, dass die anderen den warnenden Unterton in meiner Stimme hörten. Tyler saß im Wohnzimmer und zockte auf meinem alten Gameboy. Finn lag zu seinen Füßen auf dem Boden und nagte sichtlich zufrieden auf einem Bauklotz herum.

„Hey Liz, hast du schon...", Tyler sah erst mitten im Satz auf und stockte irritiert, als Panther hinter mir durch die Tür trat. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu und schüttelte unmerklich den Kopf. Tyler verstummte. Durch das Wohnzimmer kamen wir in die Küche. Hier saßen David und Lily am Küchentisch und spielten ein Kartenspiel. Mary stand vor dem Kühlschrank und schien Inventur zu machen. Sie sah Panther, bevor sie etwas sagte, und schien sofort zu begreifen, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war.

Von der Küche kamen wir in Marys und mein Zimmer. Ich ging zu meinem Bett und hob die Matratze an der rechten oberen Ecke an. Mit der linken Hand hielt ich sie oben und suchte mit der rechten Hand nach dem kleinen Loch, das ich einmal hineingeschnitten hatte. Es war eines der wenigen Verstecke, die Vater noch nicht gefunden hatte.

Ich war erleichtert, als ich das Loch fand und die Scheine herauszog. Insgesamt etwas über hundert Dollar. Ich zweigte ein paar ab, ließ die Matratze wieder an ihren Platz fallen und drückte Panther genau hundert Dollar in die Hand. Er zählte die Scheine durch und nickte dann.

„Eine ziemlich kleine Anzahlung, aber immerhin. Wir erwarten dich am Freitagabend." Mit diesen Worten drehte er sich um, ging durch die Küche und das Wohnzimmer und verließ unsere Wohnung. Ich war ihm gefolgt, um sicherzugehen, dass er die Wohnung ohne Umwege verließ, und ließ mich nun langsam an der Haustür hinabgleiten. Die ganze Anspannung fiel von mir ab und ich spürte, wie müde ich war. Müde und bis zum Umfallen erschöpft.

Tyler war aufgesprungen und kniete sich besorgt neben mich.

„Ist alles in Ordnung? Sag doch was!" Auch Mary war aus der Küche gekommen und sah mich mit gerunzelter Stirn an.

„Wer war der Typ? Und was wollte der von dir?" Ich seufzte einmal tief.

„Lasst uns Abendessen machen, dann erklär ich euch das alles."

Als wir mit dem Abendessen fertig waren, schickte ich David und Lily ins Bett. Tyler brachte Finn ins Bettchen und ich saß völlig fertig am Küchentisch, während Mary das Wohnzimmer aufräumte. Während des Abendessens hatte ich versucht, zu erklären, was passiert war, ohne sie allzu sehr durch die Details zu beunruhigen. Das hatte nur so halb funktioniert, zumindest Mary und Tyler hatten kapiert, dass wir echt tief in der Scheiße steckten.

Sie hatten gesagt, sie würden Vater gehen lassen, wenn Panther mit der Anzahlung zurückkam. Selbst wenn Panther auf dem Rückweg getrödelt hatte, hätte er schon vor spätestens einer Stunde bei ihnen ankommen müssen. Inzwischen war es halb neun und Vater war immer noch nicht aufgetaucht.

Langsam begann ich, mir Sorgen zu machen. Wenn sie ihn nun gar nicht freigelassen hätten? Oder wenn ihm etwas passiert war? Oder hatte er gar kein Bedürfnis verspürt nach Hause zu kommen, sondern war direkt in die nächste Bar marschiert, um noch mehr Schulden anzuhäufen? Ich spürte, wie leid ich es war, mich um ihn zu sorgen, und in was für Schwierigkeiten er uns brachte. Vielleicht hatte Großmutter damals Recht gehabt, als sie zu Mutter gesagt hatte, er wäre nur ein Nichtsnutz und Tagedieb. Mutter war damals komplett ausgerastet. Seitdem hatte ich Großmutter nicht mehr gesehen. Das war schon sehr lange her, mindestens zehn Jahre und trotzdem konnte ich mich noch sehr gut daran erinnern.

Der Gedanke an Großmutter brachte mich zum Lächeln. Ich stand auf und begann, die Küche aufzuräumen. Um mich von meinen Sorgen abzulenken, machte ich das Radio an. Es kamen Nachrichten. Zuerst Nachrichten über Politik und Wirtschaft, was mich eher mäßig interessierte. Dann jedoch kam die Rubrik Sport und wie hätte es anders kommen können, wurde natürlich auch über das Spiel berichtet, dessen erstes Viertel ich heute Nachmittag noch selbst angeschaut hatte, die Philadelphia Eagles gegen die Detroit Lions. Entgegen Ryans Einschätzung und Hoffnung hatten die Eagles verloren.

Ich wusste nicht genau, warum aber plötzlich war ich unsagbar niedergeschlagen. Wahrscheinlich war es diese Nachricht, die das Fass zum Überlaufen brachte. Ich spürte, wie meine Unterlippe zu beben begann und sich meine Augen mit Tränen füllten. Ich fühlte mich so unfassbar elend. Mein Leben schien die ganze Zeit nur schlimmer und schlimmer zu werden. Ich wusste nicht, wie lange ich das noch aushalten würde. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass der Mensch nur eine bestimmte Anzahl furchtbarer Erlebnisse ertragen konnte, bis er zerbrach. Meine Beine wollten mein Gewicht nicht mehr tragen und ich ließ mich unkontrolliert zitternd  zu Boden gleiten, während mir heiße Tränen über das Gesicht liefen. Wie viel konnte ich noch aushalten? Hatte ich meine Grenze erreicht?

The dark inside meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt