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Ich saß in seinen Armen und genoss jeden Moment. Wir schauten irgendwas im Fernsehen, doch auf einmal unterbrach er die Stille. „Du hast mir nie etwas über deine Eltern erzählt". Ich sah ihn fragend an. „Da gibts nichts besonderes. Meine Mutter arbeitet mit meinem Stiefvater in seinem Hotel, aber das is nicht so wichtig. Ich hatte eigentlich eine „normale" Kindheit"". Bei dem Wort normal betonte ich es etwas. „Was meinst du damit?" ich sah zum Fernseher, aber ich spürte seinen Blick auf mir. „Naja ich verbrachte die meiste Zeit bei meinen Großeltern. Deswegen hab ich einen sehr guten Draht zu ihnen. Ich bin quasi bei ihnen aufgewachsen. Meine Mutter machte ihre Ausbildung nach, da ich dazwischen kam. Irgendwann lernte sie dann meinem Stiefvater kennen und ja. Eigentlich war ich glücklich ein Einzelkind zu sein, aber das Schicksal dachte sich Ne, das muss ich ändern. Mein Stiefvater hatte noch eine Tochter, welche ich nicht gerade.." ich machte eine lange Pause und dachte nach. „Ausstehen kann" beendete ich es knapp. Ich machte schnell weiter, bevor Joachim Fragen stellen konnte. „Dann dachte sich das Schicksal, eins reicht nicht, hauen wir noch eins drauf. Und so mit hat mein Vater eine Schabracke gefunden und die bekam noch ein Kind". Ich verzog das Gesicht. Ich mochte es nicht über meinen Vater zu reden. Er verdiente keine Aufmerksamkeit, soll er in der Hölle schmoren dieser Bastrad. „Und was ist mit deinem Vater?" hakte Joachim neugierig nach. Ich starrte schnurstracks auf den Bildschirm. „Ich habe keinen Vater". Antwortete ich knapp und schaltete um. „Wie meinst du das?" er ließ nicht locker, doch ich schwieg. Ich wollte das Thema nicht anschneiden. Ich spürte immer noch seinen Blick auf mir. „Ich hol was zum Trinken, willst du auch was?" Sofort wechselte ich das Thema schlagartig und stand auf. „Warte". Er zog mich am Handgelenk wieder runter zu sich. „Wieso willst du darüber nicht reden?" er traf einen wunden Punkt bei mir. „Es gibt halt Sachen über die man nicht reden will!" fauchte ich ihn an. Nach einer kurzen Stille ließ ich meinen Kopf etwas senken. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so anfahren". „Ist schon in Ordnung". Er legte seine Hand auf meinen Rücken. „Hat er dich irgendwie.." fing Joachim leise an und sah vorsichtig zu mir. Ich sah ihn fassungslos an. „Nein!". Joachim sah besorgt aus. Es tat mir leid ihn so zu sehen. Ich atmete laut aus und schloss meine Augen. Ich spürte seine Hand auf meiner Wange. „Was ist passiert?" fragte er ruhig. Ich sah ihn an und dann wieder zum Boden. „Ich hatte noch nie einen richtigen Vater. Ich kann mich nicht mal an Momente mit ihm erinnern. Er war nie für mich da". Ich stand auf und schaute aus dem Großen Fenster in die dunkle Nacht, sie war so dunkel wie mein inneres Ich, fest verschlossen. Joachim sah mich konzentriert an. „Wenn du darüber nicht reden willst.." fing er an und wartete auf meine Reaktion. „Mir fällt es enorm schwer mich Leuten anzuvertrauen, verstehst du?" ich drehte mich um und sah ihm tief in die Augen. Er nickte verständlich. „Er war nie da.." ich sah wieder zum Fenster und flüsterte ich. „Ich hab ihm-" sofort brach ich ab. Ich umklammerte mich selbst fest. Ich hasste dieses Thema, aber ich wollte keine Geheimnisse vor ihm haben. Es wurde Zeit mich jemanden anzuvertrauen. All die Jahre trug ich diese Last mit mir rum und hoffte sie würde eines Tages sterben. „Ich wollte immer einen Vater haben. Ich wollte immer 2 Elternteile haben, aber ich hatte sowas nie. All meine Freunde hatten einen Vater, waren eine glückliche vollkommene Familie, doch warum konnte ich das nicht haben?" zitternd atmete ich aus. „Er hat mir nie so richtig Beachtung geschenkt, er hat eher versucht mich mit Geschenken ruhig zu stellen. Ich hatte das Gefühl, dass er versucht hat immer, wenn er nicht da war, dass er mir immer wieder etwas Neues schenkte, um sein Gewissen zu beruhigen". „Emily.." flüsterte Joachim. Ich klammerte fester an mich. „Irgendwann dann, meldete er sich gar nicht mehr. Ich hörte nichts mehr von ihm. Mit den ganzen Verwandten von meiner Vaterseite hatte ich Kontakt und sah sie immer, wenn ich zu meiner Cousine gefahren bin. Alle sah ich, außer.." ich sagte nichts mehr. Es waren keine Worte mehr nötig.

"Eines Tages schrieb er mir eine SMS. Emily du hast eine kleine Schwester bekommen, schrieb er. Damals war ich noch klein und naiv. Ich freute mich damals, wusste nicht was genau abging. Meine Mutter sprach nie schlecht über ihn. Dafür" ich machte eine Pause. Wut kam in mir hoch. „Dafür er. Er beschimpfte meine Mutter auf dem AB, er machte sie fertig, er schrieb all meinen Verwandten, wenn er sich wieder zugesoffen hatte wie ein widerliches Schwein und beleidigte sie. Dazu  sagte er, er wolle meiner Mutter das Sorgerecht entziehen. Damals war ich dumm und naiv, ich dachte mein Vater wäre der Größte." Meine Stimme brach ab und ich unterdrückte mir ein Schluchzen. Meine Fingernägel bohrten sich in meine Unterarme. Joachim stand auf. „Er sagte mir, dass meine Mutter die böse sei". Tränen bildeten sich in meinen Augen. „Ich hörte wie er meine Mutter beschimpfte". Mir liefen leise Tränen die Wangen runter. Ich atmete tief durch. Mein Schwur hatte ich auch gebrochen. Ich zeigte Trauer vor Joachim, vor einem Menschen. Die Mauer, die ich jahrelang aufgebaut hatte, bröckelte. Ich rang mit mir selber. Er kam näher. Ich sah immer noch fokussiert aus dem Fenster, auf einen Punkt. „Trotz alledem, dachte ich immer noch, dass mein Vater ein Guter war. Irgendwann rief er nicht mehr an. Nicht mehr an meinem Geburtstag, Weihnachten oder Ostern. Nichts.." ich flüsterte das nichts leise. „Er schenkte mir nichts mehr, er meldete sich nicht mehr, er gab mir keine Beachtung mehr. Ich gab meiner Mutter unrecht, bei allem. Sie versuchte mich nur zu beschützen" mir liefen erneut Tränen hinunter. „Aber ich hörte nicht. Ich wollte nur ein normales Kind sein. Ich hatte meiner Mutter unrecht getan, trotz alledem, hat sie nie aufgehört mich zu lieben". Dann brach ich völlig ab. Mir rollten immer mehr Tränen über die Wangen. Joachim kam die letzten Schritte zu mir und nahm mich in den Arm. Er hörte die ganze Zeit aufmerksam zu.Er wusste nicht wie tief diese Wunde in mir lag und ich sie noch nicht verarbeitet hatte. Ich hatte nicht viele Freunde, ich bezeichne sie eigentlich nicht als Freunde, denn Freunde sind für einander da, aber sie waren es nie. Deswegen bin ich allein besser dran. Joachim ist der Erste, dem ich das alles erzählte. „Ich wusste nicht, dass es so schlimm damals für dich war". Er strich mir behutsam über den Kopf. „Es tut mir leid und ich danke dir, dass du es mir erzählt hast. Ich weiß es zu schätzen". Ich weinte nicht viel, vielleicht ein paar Tränen, aber diese Tränen waren wertvoll. Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich meinen Vater ins Grab bringen lassen, anstatt gute Menschen, die leider von dieser Welt gehen mussten. Meinen Hass auf ihn ging so tief, dass ich es nicht mal in Worte beschreiben konnte. Keiner konnte diese Wut, dieses Gefühl verstehen, geschweige denn Nachvollziehen, deswegen sage ich immer, dass man niemand zu schnell verurteilen sollte.

Ich schloss meine Augen und war froh, dass Joachim da war.Ich dachte an meine Mutter, jeder sollte seine Mutter lieben, niemand kennt dich besser als sie. Nicht umsonst nennt man Engel ohne Flügel Mama.

His blue eyes | Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt