Kapitel 6.

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-Levin-

Ich stürzte mich in die Arbeit und blieb nächtelang vor meinem Schreibtisch hängen. Wer glaubte, es sei leicht, bei der Mafia zu sein, der hatte sich geschnitten. Wir waren grade dabei, eine neue Struktur einzuführen. Bisher war es üblich, dass jede Gruppe einen eigenen Boss hatte, der sich um alles kümmerte. Da es jedoch in den letzten Jahren zu größeren Auseinandersetzungen kam, hatten einige andere Oberhäupter und ich beschlossen, eine Art Allianz zu gründen, bei der es eine Jährliche Sitzung zwischen den Köpfen der Gruppen gab. Die Idee war gut, doch es erst einmal umzusetzen, wurde schwer. Durch meinen Kontakt zu den Russen, hatte ich von ihrer Seite zumindest schon eine positive Rückmeldung. Mir bereitete jedoch die japanische Mafia Gruppe, die Yakuza, ein paar Probleme. Sie hatten ihr ganz eigenes Konzept und sahen es nicht ein, ihre Pläne, geschweige denn ihre Mitglieder, mit uns zu teilen.

„Was willst du?" fragte ich Sid, der unauffällig ins Zimmer kam. Naja, unauffällig war etwas anderes. Er war ein Trampeltier. „W-Wie hast du mich bemerkt?" fragte er erschrocken und zuckte zusammen. Ich ging nicht weiter darauf ein und sah ihn einen kurzen Moment an.

„Ich wollte nachsehen, ob du noch wach bist."

„Jetzt weißt du es." Erwiderte ich und tippte auf meinem Laptop rum. Ich war grade dabei Eduardo eine E-Mail zu schreiben. Er war einst ein guter Freund meines Erzeugers gewesen und schien noch ein paar Sachen zu haben, die ich abholen musste. Ich runzelte die Stirn, da Sid sich nicht von der Stelle rührte. „Sonst noch was? Du störst." Giftete ich ihn an und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme gereizter klang, als nötig. Ich bereute es inzwischen, dass ich Sid als einen meiner Leibgarde bestimmt hatte. Er war eine Nervensäge. Zurzeit lebte ich einem, eher bescheidenen Haus, wenn man das, meines Vorgängers als Vergleich nahm. Ich hielt mich meistens im oberen Stockwerk auf, während Sid, Vaith, Alvaro, Miguel und Elena in den unteren Stockwerken verteilt waren. Die Jungs sollten für die Sicherheit sorgen und Elena war sowas, wie meine Assistentin. Wobei sie meistens nur am Kochen war, da wir davon keine Ahnung hatten. Vaith beschwerte sich zwar immer wieder darüber, dass ich endlich eine richtige Köchin anheuern sollte, doch ich hasste es, von Menschen umringt zu sein. Schlimm genug, dass die anderen bei mir sein mussten. Wenn es nach mir ginge, würde ich allein sein. Doch das ging natürlich nicht.

„Wann hast du das letzte Mal länger als eine Stunde geschlafen?" fragte Sid leise und lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Ich zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Letzte Woche?" überlegte ich, wusste es jedoch nicht genau. Er wollte etwas sagen, schien es sich dann anders zu überlegen.

„Spuck es schon aus." Brummte ich genervt, da er erst verschwinden würde, wenn er alles gesagt hatte, was er sagen wollte. „Liegt es am Inhalt, der Schatulle, die ich letztens entsorgen sollte?" flüsterte er und sah mich, wie ein reumütiger Hund an.

Meine Finger krallten sich in die Tastatur.

„Wie kommst du darauf?" fragte ich kalt und musterte ihn eindringlich. Er zuckte nur mit den Schultern. „Ich hatte das Gefühl, dass du deswegen nicht mehr schlafen kannst. Hätte ich sie nicht entsorgen sollen?"

Ich versuchte meine verkrampften Finger zu entspannen und ließ sie laut aufknacken. Dann schrieb ich, wie gewohnt weiter und versuchte, meine Gefühle zu sortieren.

„Das hat damit nichts zu tun. Ich bin wegen der Arbeit gestresst. Das ist alles." Gab ich, wie ein Roboter wieder und deutete ihm, mich endlich allein zu lassen. Als die Tür hinter ihm in Schloss fiel, atmete ich erleichtert aus. Das war knapp. Meine Fassade hatte Risse bekommen, die groß genug waren, um das es sogar jemanden, wie Sid auffiel. Er hatte mit der Vermutung nicht ganz Unrecht. Ich vermisste Nicolai und jede Nacht wurde mir schmerzhaft bewusst, dass ich einen Fehler begangen hatte. Ich musste mich selbst, Tag für Tag davon abhalten, Sid auszufragen, wo er das verfluchte Armband entsorgt hatte. Ich war ein armseliger Mann.

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt