Kapitel 9.

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-Nicolai-

„...and when I see you, I realize it's so obvious baby, that I love you. I can't stand losing you, stay with me, baby and I'll buy the whole world for you. Let me suffer more, so I will never be able to forget you."

Ich lauschte der Stimme im Radio, während ich im Internet nach einem Job suchte. Oder zumindest nach einer Gelegenheit, wie ich Geld verdienen konnte, ohne Amanda's Mitleid auf mich zu ziehen. Als der Refrain startete, sang ich leise mit und konnte nichts dagegen tun, dass mein Herz schnell in meiner Brust schlug. Es klang überheblich, doch es fühlte sich an, als wenn dieser Song für mich war. Er gehörte mir und löste jedes Mal dieses warme ziehen in meiner Brust aus.

„.. Both of us, baby, belong together.

Forever!

Forever!

Forever!

Let me hold your hand when you die. Let me steal your soul and drag you into hell, so we can stay together forever!"

Mag sein, dass der Teenager in mir erwachte, doch bei diesem Lied, stellte ich mir bildlich vor, wie Jenna und die anderen auf der Bühne standen und nur für mich sangen. Ihre Stimmen klangen so verzweifelt. So innig und verletzt, als wenn sie wussten, wie sich wahre Sehnsucht anfühlte. Als wenn sie nie etwas anderes gespürt hätten. Es ließ mein Herz weinen und zugleich hoffen. Es war das schönste, was ich je gehört hatte. In dem Lied ging es um einen Dämon, der sich hoffnungslos in einen Menschen verliebt hatte und nur auf dessen Tod wartete, damit sie für immer zusammen sein konnten. Jedoch erwiderte der Mensch diese Liebe nicht und versuchte mit allen Mitteln, die Unsterblichkeit zu gewinnen.

Diese Sehnsucht, ich stellte sie mir unsagbar schmerzhaft vor. Diese kalte Leere, die sich immer weiter ausbreitete und einen innerlich erfrieren ließ.. Dieses Gefühl schien ich besser zu kennen, als ich dachte. Ich konnte mich merkwürdigerweise mit diesem Dämon identifizieren. Auch in mir nagte eine unerträgliche Sehnsucht, doch wonach?

Ich blickte überrascht auf, als eine Anzeige aufblinkte.

„Offene Stelle als Praktikant/in im Bereich Bühnentechnik." Die Firma kam mir irgendwoher bekannt vor.. „ONS. One Night Stage.. Diese Firma arbeitet doch oft mit The Blast." Grübelte ich vor mich hin und wurde, zugegebenermaßen, neugierig. Ich scrollte weiter und verschaffte mir ein paar Informationen, die interessant sein könnten.

Das schaffe ich eh nicht. Als Krüppel steht man nur im Weg rum. Ich kann nicht mal einen Teller auffangen. Meine Hand ist doch total nutzlos. Wie soll ich helfen, etwas aufzubauen, wenn ich nicht einmal schreiben kann. Ich sollte es vergessen und etwas Einfaches machen.

Immer wieder versuchten die dunklen Gedanken sich in meinen Kopf zu drängen. Gedanken, die mich einschüchterten. Gedanken, die mir jegliche Hoffnung nehmen wollten. Hoffnung, die ich unbedingt brauchte.

-Wir arbeiten als Individuen im Team und zaubern einzigartige Bühnendesigns. Werde auch du Teil des Teams!-

Wieso sollte ich es nicht einfach ausprobieren? Ein Praktikum war perfekt. Ich bekam die Chance, einen neuen Weg im Leben einzuschlagen. Ich brauchte diese Veränderung, sonst würde ich eines Tages noch verrückt werden. Und das ging schneller, als man dachte. Ich spürte, wie der Wahnsinn mir den Rücken hinaufkroch. Ich brauchte Beschäftigung. Ich brauchte Leute, die mich nicht voller Mitleid ansahen, sobald ich den Raum betrat. Ich brauchte Aufgaben, die sich nicht auf Blumen bezogen und vor allem brauchte ich etwas, das dafür sorgte, dass ich nicht ständig mit meinen Gedanken allein war. Genau aus diesen Gründen, fing ich direkt an, eine passende Bewerbung zu schreiben, die mir, hoffentlich, ein Praktikum sichern würde. Es wurde kein genauer Zeitraum angesprochen, was für mich ein Zeichen dafür war, dass sie momentan genug Zeit zur Verfügung hatten.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie jemanden, wie mich wollen? Es gibt zig Bewerber, die viel besser sind, als ich. Leute, die auch ihre Hand richtig verwenden können. Leute, die nicht behindert sind.

Ich stockte, als ich die E-Mail absenden wollte. Sollte ich es wirklich wagen? Bevor ich die Chance dazu hatte, zu kneifen, drückte ich auf die Taste und schickte die Mail ab. Einen Versuch war es wert. Nachdem ich mir einen Kaffee aus der Küche geholt hatte, durchsuchte ich das Internet noch nach anderen Anzeigen, doch leider fand sich nichts, was meinen Interessen gerecht wurde. Ich stand auf, stellte die Heizung an, schnappte mir aus dem Schlafzimmer eine Decke und mummelte mich gemütlich auf die Couch, während Dylan O'Brien im Fernseher die Männerherzen eroberte. Naja, zumindest mein Männerherz. „The First Time" war möglicherweise nicht die erste Wahl der meisten Männer, in meinem Alter, dennoch sprachen einige Gründe für diesen Film.

1. Dylan O'Brien spielte die Hauptrolle

2. Sollte man es sich nicht entgehen lassen, seinen Körper zu betrachten

3. War es unglaublich süß, wie schüchtern er in seiner Rolle als Dave war

4. Sollte man prinzipiell seine Filme lieben

 Und 5. Ist sein Lächeln umwerfend. Das sollte jeglichen Widerstand aus dem Weg räumen. Wie konnte jemand nur so süß sein? Ich verliebte mich jedes Mal aufs Neue in sein Lächeln. Jeder, der dazu Einwände erheben wollte, konnte nun getrost still sein. Man konnte womöglich soweit gehen und ihn als meinen Jugendschwarm betrachten. Zumindest als einen unerreichbaren Schwarm. Egal was jetzt kommt, jeder hatte in seinem Leben einen Schwarm, der unerreichbar war und doch hat der Gedanke allein gereicht, um zufrieden zu sein. Ich wurde hiermit offiziell, als Dylan O'Brien - Fanboy enttarnt. Nicht, dass es mich stören würde, mich als solchen zu outen. Ich musste mich in meinem Leben schon wegen ganz anderen Dingen outen. Außerdem gehörte es quasi in das Regelbuch der Schwulen, Dylan zu lieben. So konnte ich auch nichts dagegen tun, aufgeregt zu quietschen, als er sein T-Shirt auszog und das Mädchen im Film küsste. Es ist nicht erwähnenswert, dass das Mädchen mir pupsegal war. Sie war so unwichtig, wie ein Requisit, das im Zimmer lag. Ich biss mir grinsend auf die Lippe, als Dylan sie wild küsste und stellte mir vor, wie wir uns küssten. Verbesserung: Wie ich ihn küsste.

Die Pornos waren zwar ein Reinfall gewesen, doch dafür wirkte der junge Schauspieler auf mich, wie Viagra bei alten Männern. Was ein wenig bedenklich war, da er eher der süße-unschuldige-Typ war und nicht zu den Sexbestien unter den Männern gehörte. Es war ebenfalls nicht erwähnenswert, dass es äußerst schamlos war, wegen ihm eine Erektion zu bekommen. Geschweige denn, den Film dafür zu benutzen, sich zu erleichtern. Ich bin nicht stolz darauf. Es kam wie es einfach kommen musste. Ich konnte nichts dagegen tun. Die Dinge nahmen so ihren Lauf, während meine Hand etwas anderes zu sich nahm. Was ich an diesem Tag auf der Couch tat, würde ich mit ins Grab nehmen. Es war eine Sache, zu masturbieren. Es war auch noch akzeptabel, wegen einer bestimmten Person zu masturbieren, doch deswegen auf den Fernseher zu ejakulieren, war, ist und bleibt unanständig. Noch dazu war es verdammt peinlich, den Bildschirm wieder sauber zu machen. Ich fühlte mich deswegen noch tagelang schuldig. Vor allem, wenn Besuch in mein Wohnzimmer trat. Ich bildete mir jedes Mal ein, sie könnten sehen, was ich hier getrieben hatte. 

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt