Kapitel 11.

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-Nicolai-

Um die Situation noch einmal genauer zu beschreiben, Noah und ich hatten uns im Laufe der Tage immer mal wieder unbewusst abgecheckt. Ich wusste nicht genau, ob er auf Männer stand oder nicht, aber zwischendurch waren dort Blicke, die darauf hinwiesen, dass er Interesse zeigte, Ich ging jedoch immer noch davon aus, dass wir nur dank des Alkohols miteinander schliefen. Ich war wirklich kein guter Trinker.

Es war nicht weit, bis zu Noah und wir konnten kaum die Finger voneinander lassen. Er schloss die Tür zappelig auf und ich drängte ihn in den Flur, bis die Wand in seinem Rücken war. Ich spürte seine warmen Hände in meinen Haaren und seine Lippen auf den meinen. Während wir in dem Kuss untergingen, versuchte ich sein Shirt loszuwerden.

„Schlafzimmer.." hauchte er atemlos und zeigte auf eine geschlossene Tür. Auf dem Weg ins Nebenzimmer verloren wir unsere Klamotten und landeten anschließend kichernd im Bett. Ich lehnte mich über ihn und küsste ihn erneut, diesmal stürmischer. Noah war wirklich attraktiv. Die wuscheligen, braunen Haare fielen ihm ins Gesicht und seine ebenso braunen Augen funkelten mich spitzbübisch an. Was dann folgte konnte man nicht anders, als wildes rumgeknutsche nennen. Es fühlte sich befreiend und zugleich beengend an, doch ich ließ mich drauf ein. Ich ließ mich fallen und vergaß für einen Moment meine Probleme.

Ich ließ meine Finger über seinen Körper gleiten, bis ich zwischen seinen Beinen ankam. Er schlang sie voller Bereitschaft um meine Mitte und hieß mich willkommen.

Es war ein schönes Gefühl, nicht allein zu sein und doch war es, als wenn ich nur ein Loch in meinem Herzen stopfen würde, welches ein anderer verursacht hatte. Unsere verschwitzten Körper rieben sich aneinander und ich hörte ihn leise meinen Namen stöhnen. Es fehlte etwas. Ich schloss die Augen und ließ mich einfach treiben, versuchte nicht nachzudenken, sondern einfach zu genießen. Ich drang tiefer in ihn und spürte immer mehr, wie sich mein Körper für die Erlösung bereit machte.

Vor meinem inneren Auge entdeckte ich den schwarzen Haarschopf, der mir so bekannt vorkam. Ich bildete mir ein, eine Stimme zu hören, die gar nicht da war und wurde von grünen Augen begrüßt. Gierig verlangte die Stimme nach mehr. Sie war angenehm warm und ließ mein innerstes beben. Dann hörte ich Noah und war wieder im hier und jetzt. Er hatte den Kopf in den Nacken geworfen und genoss den Rhythmus, den wir angenommen hatten. Er schien überhaupt nicht bemerkt zu haben, dass ich kurz mit den Gedanken woanders gewesen war. Ich konzentrierte mich wieder auf den Mann vor mir und küsste seine Brust. Dann wanderte ich zaghaft zu seinem Hals und verwöhnte ihn mit der Zunge. Ich wollte mich wirklich auf Noah konzentrieren, doch meine Gedanken schweiften während dem Sex immer wieder zu einer ganz anderen Person. Levin. Es war eindeutig Levin. Jenna's Bruder. Tristan's bester Freund. The Blast's Gitarrist. Und mein.. was auch immer wir waren. Ich wusste es nicht. Oder sollte ich sagen mehr wusste ich nicht, weil die anderen mir Dinge verheimlichten?

Ich spürte Noah's Finger über meinen Rücken schaben und stöhnte sowohl vor Schmerz, als auch vor Lust auf. Ich wollte das hier. Ich wollte es so sehr. Ich wollte mein Leben genießen, doch Levin's Blicke durchbohrten meine Gedanken. Noah's Lippen lagen wieder auf meinen, als wir uns dem Orgasmus hingaben. Er seufzte wohlig auf, während ich, unbeabsichtigter Weise, Levin's Namen stöhnte.

„.. Lev!" Sofort schlug ich mir die Hand vor den Mund und sah nervös zu Noah. Dieser grinste mich erschöpft an und musste lachen, als er meine Reaktion beobachtete. „Ich behalt es für mich. Versprochen."

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, brauchte ich einige Momente, um zu begreifen, dass ich bei Noah war. Ich sah mich vorsichtig um und fand ihn schlafend vor. Es wäre nicht nett, einfach zu gehen, ohne ihm Bescheid zu geben. Wir waren schließlich keine Fremden. Aber sollte ich ihn deswegen wirklich wecken? Das kam mir auch nicht passend vor. Ich entschied mich dafür, wenigstens Frühstück zu machen, doch als ich den leeren Kühlschrank entdeckte, musste ich erst zum nächsten Laden laufen. Zum Glück wohnte Noah mitten in der Stadt. Ich wusste nicht, ob es okay war, seinen Schlüssel zu nehmen, doch als ich wiederkam, schlief er immer noch. Ich machte uns also Kaffee und deckte den Tisch, damit ich ihn anschließend wecken konnte.

„Hm? Es riecht nach Essen." Nuschelte Noah verschlafen und sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. Süß. Ich zuckte unschuldig mit den Schultern. „Ich habe es mir erlaubt Frühstück zu machen."

Er rappelte sich verwundert auf und lächelte mich verschmitzt an. „Fantastischer Sex und Essen? In meiner Wohnung? In welchem Universum bin ich denn gelandet?" Ich reichte ihm lachend die Tasse, die er dankend annahm. „Du hattest nichts mehr im Kühlschrank, also war ich eben kurz im Laden." Erklärte ich beiläufig. Er trank einen Schluck vom Kaffee und sah mich aus großen Augen an. „Und guter Kaffee." Fügte er zu seiner Aufzählung hinzu, ehe er aufstand. „Ich habe selten was zu essen im Haus, weil ich die meiste Zeit unterwegs bin. Ich esse mit den anderen außerhalb." Erklärte er und wirkte zufrieden.

„Du weißt, wie man einem den Tag versüßt." Murmelte er und biss glücklich in die Pancakes.

„Es freut mich, dass es dir schmeckt." Gab ich grinsend zurück und kümmerte mich um meinen eigenen Hunger. Ich bemerkte, wie er mir zwischendurch einen neugierigen Blick zuwarf und mir war klar, dass wir wohl über die letzte Nacht reden sollten. Wir waren immerhin sowas wie Arbeitskollegen und sollten Missverständnisse aus der Welt schaffen. „Ich.. also wegen letzter Nacht.." Ich versuchte irgendwie auf das Thema zu kommen, was Noah glücklicherweise zu verstehen schien. „Mach dir deswegen keinen Kopf. Wir sollten beide nichts hineininterpretieren, was nicht da ist. Es hat Spaß gemacht, aber das war's dann auch." Ein weiterer Pancake verschwand in seinem Mund und ich nickte zustimmend. „Ich bin froh, dass du das so siehst. Ich habe nicht gelogen, als ich gestern meinte, dass ich Single bin, aber mein Leben ist momentan noch zu kompliziert, um etwas Festes anzufangen."

Er nickte verständnisvoll und grinste plötzlich schief. „Ich denke Lev ist dann wohl der komplizierte Teil in deinem Leben?" Ich verschluckte mich an dem Kaffee und versuchte ruhig zu bleiben. „Ja es ist.. er ist.."

„Kompliziert?" lachte er auf und brachte mich dazu, mitzulachen. „Ich frag gar nicht mehr weiter nach." Erwiderte er ausgelassen, schien mich aber wieder neugierig zu mustern. „Ich hab da eine andere Sache, die mich beschäftigt. Ich weiß, es geht mich nichts an, aber was hat es mit dem Zucken und der Narbe auf sich?"

Sofort wirkte er, als hätte ich ihn bei etwas verbotenen ertappt, denn er nuschelte schnell eine Entschuldigung hinterher. Mir war klar gewesen, dass es irgendwem auffallen würde. Die anderen von ONS hatten es noch nicht bemerkt, doch die Narbe, die sich über meine Brust zog, konnte ich letzte Nacht schlecht vor Noah verstecken. Er hatte wahrscheinlich auch die anderen Narben gesehen, die seit dem Unfall meinen Körper zierten. Sie waren ein Teil von mir geworden und hielten mir immer wieder vor Augen, wie knapp ich dem Tod entkommen war. Ich wollte es ihm eigentlich nicht erzählen. Ich wollte nicht das Mitleid in seinen Augen sehen, mit dem mich die anderen immer ansahen. Doch etwas in mir brachte mich dazu, es ihm zu sagen.

„Ich hatte vor etwas über einem Jahr einen Autounfall, bei dem ich fast gestorben wäre. Soweit ich weiß, lag ich eine ganze Weile im Koma und musste danach viele Dinge wieder lernen." Bevor er etwas sagen konnte, versicherte ich ihm, dass ich allein zurecht kam und keine Hilfe brauchte. Zumindest nicht mehr, als jeder andere Mensch. Ich wollte nicht, dass er mir beim Arbeiten alles abnahm. Ich erzählte Noah nur die wichtigsten Dinge und ließ Details, wie zum Beispiel mein Gedächtnisverlust oder die Tatsache, dass ich mein Studium nicht mehr fortführen konnte, aus.

„Ich bin froh, dass du überlebt hast. Nein so sollte ich es nicht sagen. Ich bin froh, dass ich kennenlernen durfte." Grübelte er und grinste mich weiterhin mit seinem frechen Lächeln an.

Als wir mit dem Frühstück fertig waren, wurde es langsam Zeit, nachhause zu gehen. „Kann ich noch kurz Duschen gehen?" fragte ich verlegen, konnte mir die Antwort jedoch schon denken. „Klar. Soll ich mitkommen?"

„Es ist deine Dusche. Ich kann dich schlecht davon abhalten, mitzukommen." Gab ich kichernd zurück, doch bevor Noah die Gelegenheit hatte, mit mir zu Duschen, wurde er angerufen. „Es ist Frank." Er verdrehte enttäuscht die Augen, während ich lachend im Bad verschwand.

Alles in allem, war ich länger geblieben, als gedacht und kam erst gegen Mittag zuhause an. Wäre ich doch nur bei Noah geblieben, denn im Wohnzimmer erwartete mich eine böse Überraschung.          

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt