-Levin-
Sid's Räuspern ließ Nic und mich peinlich berührt auseinander fahren. Es war eine Schande, dass mich einer meiner Männer so sah. Und mit der Beschreibung so, meinte ich meine Erregung, die nicht offensichtlicher sein konnte. Meine Haare standen mir zu Berge, meine Lippen schwollen langsam vom wilden Geknutsche an und allein die Pose, in der ich mich befand, deutete definitiv darauf hin, dass wir kurz davor waren, es zu treiben. Oh mein Gott, Sid hatte gesehen, wie ich die Beine für Nic spreizte und mich an ihm rieb. Wir waren zwar noch bekleidet, doch das minderte meinen Scham nicht sonderlich. Nicht das ich mich für Nicolai geschämt hätte, es war einfach die Tatsache, dass jemand, der mich zu respektieren hatte, so sah.
Ich folgte Sid ins vordere Abteil, in dem wir ungestört reden konnten. Dabei starrte ich ihn unentwegt finster an, damit er bloß nicht auf die Idee kam, einen Kommentar abzulassen. "Was ist?" fragte ich außerhalb Nicolai's Hörweite und musterte meinen persönlichen Bodyguard, der für einen Moment besorgt auf meine Wunde starrte. "Ich wollte nachsehen, wie es dir geht, Jefe. Du warst eine Weile bewusstlos und ich war mir nicht sicher, ob ich dich in diesem Zustand allein bei.." er stockte kurz und überlegte, wie er Nicolai bezeichnen sollte. "..bei diesem jungen Mann lassen sollte. Aber ich habe mir scheinbar umsonst Gedanken gemacht." grinste er breit. "Wie lang hast du uns beobachtet?" fragte ich misstrauisch, worauf Sid's Grinsen noch größer wurde. "Lang genug, Jefe. Lang genug, um zu verstehen, wie sehr du ihn brauchst." Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Sid, nach dem Telefonat mit Tristan. Stimmt, es war das erste Mal, dass er Nicolai zu Gesicht bekam, nachdem ich wegen unserer Situation so geheult hatte. "Ich hasse es, wenn du mich so nennst. Lass das." murrte ich bei diesem blöden Titel, den sich jeder irgendwie aneignete. "Das ist leider nicht verhandelbar, Jefe. Die Anderen glauben sonst noch, dass ich dich nicht genug respektiere, wenn ich einfach nur Levin sage." erklärte er ernst und ich seufzte genervt. Immer diese Förmlichkeiten. Immerhin wagte er es nicht, mich zu siezen, sonst würde ich noch komplett ausflippen.
"Meinetwegen." murrte ich. "Wie lange fliegen wir noch?" fragte ich neugierig, da ich weder wusste, wie lange wir schon flogen, noch wohin es ging.
"Etwas über eine Stunde. Wir sind schon eine Weile unterwegs. Ich habe Robin gesagt, dass sie uns nach Washington bringen soll, da dort die Einrichtung besser ausgerüstet ist. Wir waren vorhin kurz in Florida und haben ein paar Sachen aus dem alten Anwesen geholt. Ich hoffe das war okay?" brachte er mich auf den aktuellen Stand und wartete meine Reaktion ab. Ich war froh, Sid an meiner Seite zu haben. Er hatte passend gehandelt, als ich bewusstlos war. Ich konnte mir denken, dass einige andere meiner Männer, Nicolai bei dem Chaos seinem Schicksal selbst überlassen hätten. Es war nicht so, dass meine Befehle nicht ernst genommen wurden, doch einige der Mafia versuchten noch herauszufinden, was sie sich erlauben konnten. Fazit, ich konnte mich nicht zu 100% auf jeden verlassen.
Ich nickte Sid noch zustimmend zu und ließ mir von ihm die Waffen zeigen, die sie aus dem alten Anwesen von Antonio haben mitgehen lassen. Naja rein theoretisch gehörten sie mir, also war es kein Diebstahl. Es waren einige interessante Dinge dabei, die uns ein wenig mehr Sicherheit versprachen. In Washington würde Nic vorerst sicher sein, doch es wäre erst alles gut, wenn er von der Liste verschwunden war. Der frühe Abend war angebrochen und mir wurde bewusst, dass uns die Zeit davon lief. Zwei Tage. Wie sollten wir in zwei Tagen den Auftraggeber finden und ihn dazu bringen, Nic von der Liste zu streichen? Ich würde Nicolai nicht auf Dauer verstecken können und das bereitete mir Kopfschmerzen. Wer auch immer die Aufträge erledigte, er tat es gut. Es wäre also nicht unwahrscheinlich, wenn derjenige Nic in Washington finden würde.
"Ach und noch etwas." Sid kramte eine Akte aus seiner Tasche, die er aus Antonio's Anwesen mitgenommen hatte. "Ich bin mir nicht sicher ob es eine Spur ist, aber irgendwie kam mir das ein wenig suspekt vor." Ich überflog die Akte, in der es sich um einen Mann mittleren Alters handelte, dessen Strafregister das eines Kleinkriminellen war. Nichts besonderes. Eigentlich. Jedoch fiel auch mir etwas auf, das nicht so ganz hineinpasste. Obwohl es sich um einen Taschendieb handelte, stand in der Akte, dass er in einer Wohngegend in einem LKW gesichtet wurde und auffällig oft seine Runden fuhr und das, obwohl er weder die Zulassung dafür, noch eine Ladung bei sich hatte, die er hätte abliefern können. Ein weiteres Detail stach mir ins Auge und plötzlich ergab alles einen Sinn.
Collin, der nette Pfleger aus dem Krankenhaus, war niemand geringeres, als der Sohn des Mannes, der Nicolai mit dem LKW platt gewalzt hatte. Es war kein Unfall. Es war kein Unfall! Es war schon damals geplant. Aber wieso? Und warum haben sie Nicolai nicht getötet, als er allein war? In meiner Abwesenheit hätten sie ihn leicht..
Meine Abwesenheit? Ich fuhr mir gestresst durchs Gesicht. Es war meine Schuld. Natürlich war es das. Ich war mit ihm zusammen, er wurde verletzt. Wir waren getrennt und sie ließen ihn in Ruhe. Erst als wir wieder Kontakt zueinander aufgenommen hatten, begannen die Angriffe. Aber ich konnte ihn jetzt doch nicht einfach allein lassen. Was wenn sie ihn doch töteten, sobald ich ihm den Rücken kehrte. Das Risiko war zu hoch. Das konnte ich nicht eingehen, auf keinen Fall.
Ich dachte an den Moment, als ich bei Nicolai im Krankenhaus lag und Collin Schritt für Schritt beobachtet hatte. Wieso war mir das nicht eher aufgefallen? Ich war so sehr von meinen Emotionen geblendet, dass ich die Gefahr vor meinen Augen nicht erkannt hatte. Ich war mir inzwischen sicher, dass es Collin's Aufgabe war, Nicolai im Krankenhaus zu töten, nachdem er den "Unfall" überlebt hatte. Als mir bewusst wurde, welches Ausmaß diese Sache hatte, erkannte ich erst, wie viel Glück Nic hatte. Wie viel Glück ich hatte, dass ihm nichts passiert war.
"Hol mir diesen Mann. Er weiß, wer hinter Nic her ist und ich schwöre bei allen Dämonen, die in der Hölle schmoren, ich werde jedes einzelne Detail aus ihm herausquetschen." Ich reichte Sid die Akte und deutete auf den Eintrag von Collin. Dieser nickte überrascht und leitete meinen Befehl an die anderen weiter. Die Männer, die in New York geblieben waren, sollten Collin ausfindig machen und ihn vorerst festhalten, bis ich mit ihm reden konnte.
Ich machte mich auf den weg, zurück zu Nicolai, der im hinteren Abteil des Jets auf mich wartete, doch mir ging diese eine Sache nicht aus dem Kopf. Ich erinnerte mich gut an den Tag, an dem ich Nicolai allein im Krankenhaus zurückgelassen hatte, um mich auszuruhen. "Ich will ja nicht unhöflich sein, aber bist du dir sicher, dass du ihm so entgegentreten willst? Er ist nachher und morgen und übermorgen auch noch hier. Du solltest dich erst mal um dich kümmern und dann wiederkommen."
Ich hätte es bemerken müssen. Er wollte mich für einen Augenblick loswerden, um zuzuschlagen. Doch was hatte ihn davon abgehalten? Ich war bei Trist und hatte, wie er es wollte, mich ausgeruht. Wieso hatte er diese Chance nicht genutzt? War jemand bei Nicolai, als ich nicht da war? Jemand, der ein ungebetener Zeuge wäre? Wer auch immer es war, der Collin dazwischen gefunkt hatte, ich war dankbar dafür.
Ich öffnete die Schiebetür zum hinteren Abteil und sah zu Nicolai, der verträumt aus dem Fenster blickte. "Es wird alles gut." sagte ich mit fester Stimme und ging auf seinen Sitz zu. Überrascht wendete er seinen Blick zu mir und sagte nichts, als ich mich auf seinen Schoß setzte. "Ich verspreche es dir." ergänzte ich und lehnte meine Stirn an seine. "Was macht dich so zuversichtlich?" kam es nachdenklich zurück. "Du gehörst mir und ich gestatte niemanden dich zu töten." Bei meiner Ansage wurden seine grauen Augen plötzlich groß und sahen mich verwundert an. "Ich gehöre dir?" erwiderte er amüsiert und grinste spöttisch. "Natürlich. Da kannst du sagen was du willst, du gehörst mir und ich werde dich mit niemandem teilen." sagte ich ernst und zwang ihn dazu, mir in die Augen zu sehen. "Ich sehe.. Noah hatte von Anfang an keine Chance?" Es überraschte mich, dass das von Nic kam, doch offenbar hatte er sich damit abgefunden, dass wir zusammen gehörten. "Noah ist ein Witz." knurrte ich und wollte nicht weiter über diesen Typen reden. Wir hatten noch etwas weniger, als eine Stunde Flug vor uns und ich würde diesen kurzen Augenblick der Ruhe nicht dafür verschwenden, über Noah zu reden. Dies war die Ruhe vor dem Sturm. Sobald wir landeten, da war ich mir ziemlich sicher, würde das Chaos ausbrechen. Ich wollte die Zeit mit Nic genießen. Ich wollte ihn an mir spüren, wissen dass es ihm gut geht und ihm zeigen, dass er sich auf mich verlassen konnte.
"Sobald wir landen, werde ich viel damit beschäftigt sein, den Verantwortlichen zu suchen. Wir werden also nicht viel zeit miteinander verbringen, bis du endgültig in Sicherheit bist." säuselte ich gespielt traurig und legte ihm meine Hände in den Nacken. Er kam mir näher und sah mich mit einem frechen blitzen in den Augen an. "Dann sollten wir jetzt die Zeit nutzen."
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See You Again (Band 2)
RomanceNachdem Nicolai sich von seinen Verletzungen erholt hat und endlich aus dem Koma erwacht, muss Levin erschütternd feststellen, dass er vergessen wurde. Während Nicolai sein Leben, ohne dem Wissen, seinen Geliebten im Dunkeln stehen zu lassen, weite...