Kapitel 13.

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-Nicolai- 

Ich war sprachlos. Nein, nicht nur das, ich war geschockt. Hatte ich eben noch eine tosende Wut und Angst vor diesem Mann verspürt, so empfand ich nun triefendes Mitleid. Er sah nicht so aus, als wenn er mir etwas vorlügen würde. Alles an ihm wirkte plötzlich so vertraut. Ihn hier bei mir zu haben schien Dinge in mir hervorzubringen, die unbeschreiblich waren. Die Stimme, die ich mir stets eingebildet hatte, gehörte zu ihm. Die Augen, von denen ich träumte, waren dieselben, die mich nun voller Trauer musterten. Er strahlte eine unbändige Sehnsucht, nach mir, aus und ließ mich schaudern. Eine sanfte Gänsehaut überzog mich, während er mir seine Sicht der Dinge schilderte. Die Tränen, die er meinetwegen vergoss, ließen auch mein Herz aufschreien. Auch ich war den Tränen nahe, als Levin mir von dem Unfall erzählte. Ich verspürte den Drang, ihn in meine Arme zu ziehen, ihn sanft zu liebkosen und ihm zu versprechen, dass alles wieder wie früher werden würde. Doch ich konnte nicht. Denn es würde nie wieder so sein, wie es einmal war. Noch dazu nagte plötzlich das Gefühl, der Schuld an mir, da ich erst vor wenigen Stunden mit Noah geschlafen hatte, obwohl ich scheinbar mit Levin zusammen war. Es war so furchtbar, ihn so verzweifelt zu sehen und nichts dagegen tun zu können.

„Ich wünschte, ich könnte mich an die Zeit mit dir erinnern. Aber ich kann es nicht erzwingen." Versuchte ich mich zu entschuldigen und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. „Du kannst nichts dafür. Es ist meine Schuld, Nic. Alles ist meine Schuld. Wenn ich dir nicht dieses blöde Auto geschenkt hätte.. Wenn ich einfach hier geblieben wäre.. dann wäre das alles nie passiert." Wimmerte er schwach und wirkte ausgelaugt. Die Erschöpfung schien ihn, wie ein Schnellzug zu überrollen.

„Ich weiß, wir können nicht da weiter machen, wo wir aufgehört haben, aber ich kann nicht mehr. Ich kann nicht mehr so tun, als wenn mein Leben ohne dich einen Sinn hätte, denn das hat es nicht. Ich will dir keine Schuld geben und erwarte auch gar nicht, dass du dich erinnerst, aber bitte gib mir die Gelegenheit, es wiedergutzumachen. Lass mich versuchen ein Teil deines jetzigen Lebens zu sein. Auch wenn es nur als guter Freund ist." Er rang verzweifelt nach Worten, die einen Sinn ergaben und versuchte sich mit dem letzten Funken Hoffnung an mich zu klammern. Deswegen war er also hier. Er wollte eine zweite Chance. Ich hatte so vieles verloren, wie könnte ich da nein sagen?

Außerdem, wenn es wirklich stimmte und ich ihn so geliebt hatte, wie er es beschrieb, dann vielleicht.. aber auch nur vielleicht.. bestand eine Möglichkeit, dass ich mich wieder in ihn verliebte? Ich wusste nicht wieso, doch ich wollte es für ihn versuchen. Ich wollte wirklich versuchen, mich noch einmal in diesen Mann zu verlieben.

Ich lächelte ihn zaghaft an und bevor ich realisierte, was ich da tat, strich ich ihm die Tränen von den Wangen. Levin wirkte mindestens genauso überrascht, wie ich. „Ich habe dir Schmerzen bereitet, ohne es zu wissen. Wie könnte ich es dann ablehnen, dir eine zweite Chance zu geben?" Er sah mich mit großen Augen an und atmete erleichtert aus. Seine Augen waren vom Weinen gerötet und noch immer wässrig, doch mir fiel etwas auf, was ich bisher nicht bemerkt hatte. In meinen Träumen.. in meinen Gedanken, wirkten diese Augen so grausam und kalt, doch jetzt wo ich sie genau vor mir hatte, sahen sie mich mit der Sanftheit einer Feder an. Sie wirkten schon fast liebevoll und waren wunderschön. Ich hatte die ganze Zeit Angst davor, diesen Augen gegenüberzutreten.. Ich hatte Angst davor Levin gegenüberzutreten, doch nun empfand ich eine gewisse Geborgenheit und innere Ruhe. Es war anders, als bei Noah. Bei Levin war es nicht das verschmitzte Lächeln oder der charismatische Umgang, der in mir das Gefühl von Vertrauen und Sympathie weckte, sondern seine Augen, die Ehrlichkeit versprachen und seine Stimme, die ein wohliges ziehen in meiner Brust verursachte. Als wenn er nur für mich existierte.

„Danke." Es war, als wenn ihm ein großer Stein vom Herzen fiel. „Es ist schon spät, ich sollte so langsam gehen." Murmelte er müde und stand auf.

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt