-Levin-
"Es ist wirklich nicht schön mit anzusehen, wie du ihn anlügst." beschwerte sich Sid, als ich bei meinem Wagen ankam. Mit knirschenden Zähnen nahm ich ihm den Inhalator ab, der nicht für ihn, sondern für mich bestimmt war. Ich hatte nicht mitgezählt wie viele Lügen ich Nicolai bereits aufgetischt hatte, doch es waren mehr als er verdient hatte. Ich war den ganzen Tag im Krankenhaus gewesen und wurde erneut untersucht. Dr. Harper hatte recht behalten und der primäre Krebs befand sich in der Lunge. Ich konnte nur über mich selbst lachen, immerhin hatte ich mich lauthals darüber beschwert, dass ich nicht vom Rauchen drauf ging. Das war selbst für mich zu viel Ironie. Zielstrebig kramte ich meine Kippen aus der Hosentasche und warf sie im hohen Bogen fort.
"Er hat meine Pillen gefunden." berichtete ich ihm von dem Gespräch mit Nic, ehe ich lautstark zu husten begann.
"Du hast die Pillen zuhause rumliegen lassen?!" fauchte Sid aufgebracht, ehe er mich besorgt musterte, als ich nicht aufhören konnte zu husten. Unauffällig wischte ich den blutigen Speichel fort und bediente mich großzügig an dem Inhalator, der laut Dr. Harper eine neue Form der Behandlung für Lungenkrebspatienten war.
"Ja klar, ich habe die Pillen auf meinem Nachttisch liegen, damit ich sie brav vor dem Einschlafen nehmen kann. Natürlich nicht! Ich habe sie hier im Wagen verstaut weil Nicolai ohne mich niemals den Wagen betreten würde." giftete ich Sid an und setzte mich hinters Steuer.
"Es muss eine raus gefallen sein als ich mich umgezogen habe, aber ich konnte es irgendwie klären, keine Sorge."
"Lass mich raten, dir ist eine brillante Lüge eingefallen, die du jetzt aufrecht erhalten musst."
"Was sollte ich denn sonst tun?!" schrie ich ihn nun an, da er ständig etwas an meinem Verhalten auszusetzen hatte."Du solltest ihm endlich die Wahrheit sagen oder wie willst du ihm deine regelmäßigen Besuche im Krankenhaus und den verdammten Inhalator erklären?!" schrie er zurück.
"Ich weiß es doch nicht!" Verzweifelt warf ich die Arme in die Luft und ließ den Kopf auf dem Lenkrad sinken. "Ich kann es ihm nicht sagen. Noch nicht. Erst muss ich eine Lösung finden."
"Wir werden eine Lösung finden. Ich kann nicht zulassen, dass du stirbst solange ich deine rechte Hand bin, denn sonst hätte ich in meinem Job kläglich versagt." sagte er ernst und seine Worte verliehen mir einen gewissen Halt. Ich durfte nicht die Fassung verlieren. Ich musste weiter machen. Für Nicolai. Er würde es mir niemals verzeihen, wenn ich jetzt einfach so starb.
"Hast du mit Joey geredet?" fragte ich nach und Sid nickte knapp. "Ich habe ihm, ohne ins Detail zu gehen, erzählt was das Problem ist, aber er wartet noch auf neue Organe. Bei einer legalen Transplantation müsste man Monate, wenn nicht sogar Jahre warten bis es funktioniert. Der Schwarzmarkt ist deswegen ziemlich überfüllt was das betrifft. Er meldet sich bei mir sobald er was passendes hat."
Ich nickte nur und atmete einmal tief durch. Das war doch schon mal etwas. Wenn jemand sich um mein Problem kümmern konnte, dann war es Joey. Er war im Untergrund ziemlich bekannt für seine gute Ware und der zuverlässigen Arbeit, die er leistete. Es hörte sich womöglich wie ein Schauermärchen an, doch Joey sammelte etliche Organe von Toten oder fast Toten Menschen und vertickte sie an die Leute, die die Gesellschaft Tod sehen wollte. Menschen wie wir hatten nichts in Staatlichen Krankenhäusern zu suchen. Wir waren der Abschaum, der es sich selbst verbockt hatte. Wir waren die Art von Menschen, vor denen Mütter ihre Kinder warnten. Aber wenn ich mir mein Leben so ansah, dann hatte ich mir nichts davon selbst ausgesucht.
"Rutsch rüber, Ich fahre." beauftragte Sid mich und ich gestattete es ihm ausnahmsweise. "Bring mich zum Quartier. Ich will noch nicht nach Hause. Außerdem will ich noch mit der Schlampe reden, die Nic angegriffen hat."
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See You Again (Band 2)
RomanceNachdem Nicolai sich von seinen Verletzungen erholt hat und endlich aus dem Koma erwacht, muss Levin erschütternd feststellen, dass er vergessen wurde. Während Nicolai sein Leben, ohne dem Wissen, seinen Geliebten im Dunkeln stehen zu lassen, weite...