-Levin-
Ich fühlte mich furchtbar, nachdem mir bewusst wurde, wie viel Angst ich Nicolai mit meinem Gebrüll eingejagt haben musste. Er war nun mal eine zart beseidete Seele, die nicht viel aushielt. Wie ein reumütiger Hund wanderte ich in meinem Büro auf und ab und verlor den Blick auf die Zeit. Als ich mich zurückgezogen hatte war es noch mitten in der Nacht, doch als ich das nächste Mal aus meinen Gedanken schreckte, war die Sonne bereits am Himmel.
Das schlechte Gewissen nagte an mir und ich spielte mit dem Gedanken, mich bei ihm zu entschuldigen. Ich hatte kein Auge zugetan und starrte einem Zombie ins Gesicht, als ich im Bad vor dem Spiegel stand. Die letzten Tage waren anstrengend und hatten sich in Form von dunklen Augenringen auf mir abgesetzt.
Mir war bewusst, dass Nicolai strikt gegen die Hinrichtung war, doch er hatte diesen Umstand nicht zu entscheiden und ich wollte nicht, dass er bei dem Bankett auch nur ansatzweise in der Nähe war. Es würden viele Besucher mit hohen Rang anwesend sein und ich hatte keine Lust, dass irgendjemand Hand an ihn legte. Am besten wäre es, wenn Nic noch vor der Versammlung nach Amerika ging. Mir gefiel der Gedanke, dass er allein zurück ging genauso wenig, doch es war sicherer. Er würde damit nicht zufrieden sein. Außerdem brauchte ich jemanden, der auf ihn aufpasste, doch ich würde Sid und Ivan hier benötigen. Es gab da eine Person, der ich Nicolai anvertrauen würde und ich wusste, dass er zuverlässig war.
Ich schob mein schlechtes Gewissen beiseite und organisierte alles, sodass ich nur noch Nicolai dazu bringen musste zu kooperieren. Ich hatte ja geglaubt, dass er sauer auf mich war und er sich quer stellte bis ich mich entschuldigte, doch das genaue Gegenteil schien der Fall zu sein. Mit gesenkten Kopf tapste er aus dem Zimmer und folgte Dexter schweigsam zum Jet. Ich erhaschte einen kurzen Blick auf sein Gesicht, welches genauso erschöpft wie dem meinen wirkte. Jeder konnte die Anspannung zwischen uns spüren, es war einfach unübersehbar, wie wir uns anschwiegen. Ich beobachtete, wie Nic ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen in den Jet stieg und Dexter im folgte.
Ich zwang mich dazu, nicht an die Dinge zu denken, die alle schief gehen könnten, sondern brachte meinen Körper dazu, mich auf die bevorstehende Arbeit zu konzentrieren. Ich versendete etliche Einladungen für das Bankett und sorgte dafür, dass etliche zukünftige Geschäftspartner auftauchten. Man brauchte Kontakte um voranzukommen und dieses Fest diente dazu neue Connections aufzubauen.
Laut der Uhr an der Wand war es erst kurz vor zwölf, doch ich griff bereits zur Flasche und vergrub mein Gewissen im Whisky. Gestresst fuhr ich mir durch die Haare und versuchte nicht an Nicolai zu denken. Welch eine Ironie des menschlichen Gehirns. Natürlich dachte man an genau das, was man zwanghaft vergraben wollte. Es klopfte an der Tür und nach meinem Einverständnis betraten Ivan und Sid das Büro.
"Ich konnte Alexej überreden zum Bankett zu kommen, auch wenn die Asiaten anwesend sein werden. Mach dir darum keine Sorgen. Ich kümmer mich darum, dass die Jungs anständig bleiben." trällerte Ivan zufrieden, der die Idee mit der Hinrichtung befürwortet hatte. Seine gute Laune zerbrach jedoch, sobald er meinen grimmigen Zustand bemerkte und legte sein Grinsen ab, um mich nicht zu provozieren. Sid war jedoch die Provokation in Person, denn er strahlte mich frech an. "Immer noch Ärger im Paradies?" fragte er dümmlich und wackelte mit der Augenbraue. Vollkommen aus Reflex schleuderte ich das Glas in meiner Hand in seine Richtung und verfehlte ihn nur um wenige Zentimeter. Das Glas zersprang an der Wand neben ihm und schleuderte etliche Splitter durch den Raum.
"Ich bin im Keller." giftete ich die Beiden an und zwang mich zwischen sie hindurch, um mein Büro verlassen zu können. Im Keller angekommen betrat ich den Raum, in dem Francisco schon seit der Gefangennahme verrottete. Er schnaubte, als er mein Gesicht erkannte und verzog angewidert das Gesicht.
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See You Again (Band 2)
RomanceNachdem Nicolai sich von seinen Verletzungen erholt hat und endlich aus dem Koma erwacht, muss Levin erschütternd feststellen, dass er vergessen wurde. Während Nicolai sein Leben, ohne dem Wissen, seinen Geliebten im Dunkeln stehen zu lassen, weite...