Kapitel 41.

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-Levin-

Ich war fix und fertig. Nachdem ich mich von den ganzen Besuchern verabschiedet und die restlichen Formulare abgeschlossen hatte, fiel ich wie ein Stein ins Bett. Nicolai war in Sicherheit. Ich hatte meinen Ruf drastisch verbessert und eine neue Armee, die hinter mir stand. Endlich konnte sich unser Leben normalisieren. Ich würde gemeinsam mit Nic nach einem hübschen Haus gucken. Jetzt wo er keine Wohnung mehr hatte, war dies die perfekte Gelegenheit ihn zu fragen, ob wir offiziell zusammenziehen sollten. Ich wusste ja selbst, dass es irgendwie noch ziemlich früh war. Immerhin waren wir länger getrennt, als zusammen gewesen, doch ich wollte mir gar nicht vorstellen, wieder von ihm getrennt zu sein. Die letzten Tage, in denen ich ihm aus dem Weg gegangen war und in einem anderen Zimmer geschlafen hatte, waren  äußerst anstrengend. Ich wollte ihn gar nicht ignorieren, doch ich konnte nicht in seiner Nähe sein, wenn ich wenige Stunden zuvor das Blut meines Onkels an den Händen kleben hatte. 

Ich sah auf meine vernarbten Hände und entdeckte nichts als das Blut meiner Feinde. Ich wusste nicht, wie viele Menschen ich schon mit diesen Händen getötet hatte. Zu viele. Jeder Mörder kannte es. Egal wie oft man sich die Hände wusch, egal wie sauber sie auch waren, dass Blut würde nie verschwinden. Nachdem ich meinen aller ersten Menschen getötet hatte, war ich psychisch total zusammengeklappt, da mich Albträume und Schuldgefühle verfolgt hatten. Ich hatte danach Monatelang eine Zwangsneurose, bei der ich mir alle paar Minuten krampfhaft die Hände gewaschen hatte. Inzwischen hatte ich mich schlichtweg daran gewöhnt. Albträume hatte ich trotzdem manchmal. Ich fürchtete mich nicht vor dem Töten. Genauso wenig fürchtete ich mich vor meinem eigenen Tod. Doch was mir Angst machte, war das Gefühl versagt zu haben. Das Gefühl, wenn die Person, die man liebte vor den eigenen Augen getötet wurde und man absolut nichts dagegen tun konnte. Wenn man hilflos dabei zusehen musste und über keinerlei Kontrolle verfügte. 

Es gab genau Drei Szenarien, die immer wieder meine Gedanken kreuzten und mir den Schlaf raubten. Manchmal traten sie vereinzelt auf, manchmal alle hintereinander. 

Szenario Eins war meine Mutter, die sich selbst verletzte. Sie schlug ihren Kopf so oft gegen die Zimmerwand, bis sie das Bewusstsein verlor oder jemand anderes sie davon abhielt. Dies hatte sie relativ oft getan, da Antonio's Männer ihr jegliche Objekte entzogen hatten, mit denen sie sich hätte umbringen können. Manchmal hatte sie sich mit den Zähnen die Handgelenke aufgerissen. Manchmal auch mit den Fingernägeln. 

Ihr dabei zuzusehen war, als wenn jemand anderes Sie nach und nach zerstörte. Das war nicht sie selbst gewesen. Und ich konnte nichts dagegen tun. Ich stand als Kind nur ratlos daneben und musste es ertragen, bis ich ihre Leiche in der Badewanne vorfand. Gezeichnet von tiefen Schnitten an den Unterarmen und blutigen Augen, die sie sich hatte auskratzen wollen. Der Anblick war für mein achtjähriges Ich traumatisierend, doch im Laufe der Zeit verstand ich, dass jeder irgendwann sterben würde und ich es einfach akzeptieren musste. 

Szenario Zwei war mein älterer Cousin mütterlicherseits. Ich fand ihn ziemlich cool und hatte mir immer mal wieder ein Vorbild an ihm genommen, da er so etwas wie eine Bruder-Rolle einnahm, auch wenn ich ihn nur alle paar Jahre mal gesehen hatte. Er wollte seine Mutter vor Antonio beschützen, da er sie als Verräterin der Familie abgestempelt hatte und foltern lassen wollte. Er hatte sich ihm in den Weg gestellt und dafür eine Kugel in den Schädel kassiert. Normalerweise knallte die Mafia nicht jedes Mitglied nach Lust und Laune ab. Immerhin stand das gegenseitige Vertrauen an erster Stelle, aber mein Erzeuger hatte nach seinen eigenen Regeln gespielt und seine Regeln waren milde gesagt, beschissen. 

Als mein Cousin starb war ich Vierzehn oder so. Sein Tod hatte meine rebellische Seite ausgelöst, denn ich hatte nichts mehr zu verlieren und fragte mich zu diesem Zeitpunkt, ob Antonio auch mich ohne weiteres erschießen würde. Jedoch hatte mein Alter wesentlich mehr Geduld, was mich betraf, da er mich von Anfang an zu seinem Nachfolger machen wollte. 

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt