Kapitel 55.

1K 68 17
                                    

-Nicolai-

Er hatte mich geschlagen. Zwar hatte ich nicht sonderlich viel mitbekommen, da ich mit einem gezielten Hieb zwischen Auge und Schläfe direkt ausgenockt wurde.

Ich musste ein paar Stunden bewusstlos gewesen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen öffnete, befand ich mich im Krankenhaus und starrte irritiert an die kahle Zimmerdecke.

Ich wusste nicht, seit wann ich schon wach war, hatte überhaupt kein Zeitgefühl und empfand mein ganzes Dasein nur als leer. Man sollte meinen, dass mein Kopf vollgestopft mit Gedanken war. Beispielsweise, Wieso Lev mich geschlagen hatte, wo er war oder wie lang ich bewusstlos gewesen war. Doch mein Kopf war leer gefegt und so fühlte es sich erst so richtig an, dass ich wach war, als sich die Tür öffnete und meine Augen endlich von dieser trostlosen Decke fort kamen.

"Er ist fort, oder?" hörte ich mich fragen, obwohl ich die Antwort bereits wusste. Ja, ich wusste es. Womöglich hatte er mich Geschlagen, damit ich nicht allzu traurig war, wenn er fortging. Damit ich ihn mit Wut verabschieden konnte. Dabei sollte er mich etwas besser kennen. Nichts was er mir antun würde, könnte mich dazu bringen, ihn zu hassen.

Ivan kam langsam auf mein Bett zu und strich mir die Haare aus dem Gesicht, um den Bluterguss in meinem Gesicht mustern zu können.

"Ich würde ihn am liebsten in Grund und Boden stampfen, weil er es gewagt hat, dich zu verletzen." knurrte der Russe aggressiv und ließ mich schmunzeln.

"Es ist Lev." erwiderte ich mit einer Selbstverständlichkeit, die Ivan in den Wahnsinn trieb.

"Das ist nichts was du so einfach wegstecken solltest. Eigentlich hat er es gar nicht verdient, dass ich dir den hier gebe." beschwerte er sich erneut und kramte einen Brief hervor, der an mich gerichtet war.

"Ich will ihn nicht." sagte ich Kopfschüttelnd und stand auf. Für einen kurzen Moment drehte sich das Zimmer, doch ich hatte mich nach wenigen Sekunden vollkommen im Griff und war bereit aufzubrechen.

"Ich werde mich persönlich bei ihm verabschieden. Immerhin bin ich ihm noch einen Schlag schuldig." Ich wollte nicht wissen, was in dem Brief stand. Ich wollte mich nicht mit einfachen Ausreden zufrieden geben, aber vor allem wollte ich ihm meine Meinung sagen.

Ich hatte nicht vor, mich in der Zukunft an ein kleines Stückchen Papier zu klammern und jedes Wort in und auswendig zu können. Ich akzeptierte es nicht, dass er mir seine Gedanken nicht ins Gesicht pfefferte, so wie er es sonst tat. Wenn er der Meinung war mit mir Schluss zu machen, dann wollte ich es aus seinem Mund hören. Ich wollte ihm ins Gesicht sehen, wenn er diesen Weg wählte und ich hatte jedes Recht dazu.

"Bring mich zu ihm." Ich sah Ivan mit einer Intensität an, die ich mir selbst nicht zutraute und beobachtete, wie er nachdenklich seufzte, ehe er nach seinem Handy griff. "Ich hake mal nach wo er sich aufhält."

Dankend nickte ich ihm zu und begab mich zu einem kleinen Spiegel, der an der Wand hing. Erschrocken musterte ich die Gestalt vor mir. Das war ein deftiges, blaues Auge. Ein dunkelblauer Bluterguss hatte sich um mein Auge gebildet und wanderte in einem zähen Lila-Ton zu meiner Schläfe. Das war jedoch gar nicht das Schlimmste. Ich sah aus wie ein Zombie. Es musste eine kleine Ader im Auge geplatzt sein, denn die gesamte Sklera war blutrot, fast schwarz gefärbt und sah schlimmer aus, als es eigentlich war. Für einen Augenblick hatte ich mich ziemlich erschrocken, da es ziemlich unschön aussah.

"Du bist wieder auf den Beinen, das freut mich." begrüßte mich Dr. Harper und ich nickte ihm zur Begrüßung zu. "Ja, mir geht es gut. Kann ich das Krankenhaus gleich schon verlassen?" fragte ich eilig, da ich ein Wörtchen mit Lev zu besprechen hatte.

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt