Kapitel 21.

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-Levin-

Ich war von mir selbst überrascht. Leider im negativen Sinne. Wie konnte ich so etwas grausames zu Nicolai sagen? Ich musste mich entschuldigen. Ich wusste, dass es ihn da getroffen hatte, wo es am meisten schmerzte. Ich wusste es, denn ich hatte mein Leben lang nichts anderes getan, als Menschen von mir zu stoßen und zu verletzen. Aber ich wollte das doch gar nicht. Nicht bei ihm. Es war wie ein Reflex, sobald ich mich angegriffen fühlte.

Ich fuhr mit dem Wagen durch die Gegend und versuchte mich zu beruhigen. Ich war keine große Hilfe. Ganz im Gegenteil. Ich war niemand, der Dinge reparierte. Ich war ein Zerstörer. Alles was in meine Hände gelangte, zerbrach mit der Zeit. Nicolai war zu gut für mich. Das wusste ich von Anfang an. 

"Verdammt!" Wieso konnte ich nicht wie er sein? Einfühlsam, Liebevoll, Vertrauenswürdig. Einfach der perfekte Freund. Oder eher gesagt, der perfekte Mensch. Ich hasste diese Seite an mir selbst und doch wurde ich sie einfach nicht los. Konnte man von Geburt an ein schlechter Mensch sein? 

Ich war die Antwort darauf. 

Seufzend fuhr ich an die Seite und hielt an. Ich schlug meinen Kopf gegen das Lenkrad und hoffte darauf, dass der Airbag mir das Hirn wegpustete. Jede Faser meines Körpers schrie danach, zurück zu fahren, mich zu entschuldigen und ihn zu knuddeln, doch ich tat es nicht. Mein Stolz stand mir im Wege. Und das wäre nicht das erste Mal. Nicolai würde sofort zurück gehen und den Streit bereinigen. Ach was, er würde von vornherein dafür sorgen, dass solch furchtbare Worte niemals seinen Mund verließen. Ich jedoch, sagte das, was ich dachte.
Dabei hatte ich ihn doch grade erst wiederbekommen.

Ich blieb eine ganze Weile im Wagen sitzen und starrte in die Dunkelheit, die sich im Laufe der Zeit immer mehr ausgebreitet hatte.
Es war, wie mit uns. Er war der Tag und ich die Nacht.
Gott, wieso musste ich jetzt so sentimental werden. Natürlich waren wir zwei Gegenpole, die sich trotzdem irgendwie anzogen. Das hatten wir schon oft genug herausgegunden. Der einzige Grund, wieso mich dieser Umstand nun so fertig machte, war dass Nic jemanden bei sich hatte, der genauso tickte, wie er selbst.
Was wenn Noah besser war?
Nein so durfte ich nicht denken.

Seufzend schlug ich wieder mit dem Kopf gegen das Lenkrad und löste die Hupe aus.
Bevor ich Nic in mein Leben gelassen hatte, waren mir die Menschen egal. Ich hatte nie um etwas gekämpft. Ich hatte es mir einfach genommen, denn es gab niemanden, der es nicht zugelassen hätte. Auch unsere Beziehung basierte darauf, dass er mir hinterherlief.
Ts.. Das letzte Mal, als ich in ihm hinterher gelaufen war, hatte ich vor Amanda geheult und ihn dabei beobachten können, wie er seine Zunge diesem Noah in den Hals steckte.
Mein Kopf ratterte und ratterte und ehe ich genauer darüber nachdenken konnte, stand ich auch schon auf dem Parkplatz vom jills.
Keine gute Idee.
Während mich die Stammgäste vor einem Jahr noch angepöbelt hatten, senkten sie nun den Kopf, sobald ich das Gebäude betrat. Ein Großteil der Gäste gehörten zu kleineren Untergruppen der Mafia. Sie gehörten zu den Leuten, die ihren besten Freund abstechen würden, nur um einen höheren Rang zu erreichen. Somit wunderte es mich auch nicht, dass einige sich zusammenrafften und  darüber diskutierten mich anzusprechen oder nicht. Als ob ich mich für ihre jämmerliche Existenz interessieren würde.

Ich setzte mich direkt an die Theke und bestellte einen Whisky nach dem anderen.
"Harter Tag?" fragte mich der Barmann, der offensichtlich neu war. "Eher hartes Leben.." nuschelte ich nachdenklich und verbrachte die nächsten Stunden damit, mein Getränk anzustarren.
Statt mir einen Plan zu überlegen, Nicolai irgendwie glücklich zu machen, drifteten meine Gedanken eher zu meinem verkorksten Leben, welches mich zu der Person gemacht hatte, welche ich nun war. Ich erinnerte mich nur wenig an meine Mutter, aber sie war gut. Nicht wie mein männlicher Erzeuger. Er hatte sie kaputt gemacht. Er hatte sie zerstört, sie in den Wahnsinn getrieben bis sie den Tod ihm vorzog. Was, wenn ich dasselbe mit Nicolai tat.

See You Again (Band 2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt