37. Kapitel

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Kyles Pov.

Wir schauten gerade einen Action Film an, als ich plötzlich ein Gewicht auf meiner Schulter spürte. Ich schaute zur Seite und automatisch schlich sich ein kleines Lächeln in mein Gesicht, als ich sah, dass Ava ihren Kopf an mich gelehnt hatte und eingeschlafen war. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, legte ich sie nun hin, bevor ich aufstand und den Fernseher ausmachte. Danach machte ich mich bettfertig und zog mich bis auf meine Boxer und ein T-Shirt aus. Kurz überleggte ich auch Ava ihre sicher unbequeme Jeans auszuziehen, ließ es dann aber doch lieber sein, damit sie nicht auf falsche Gedanken kam. Bevor ich mich zu ihr legte, schrieb ich noch schnell Fynn, dass Ava eingeschlafen war und ich sie nicht wecken wollte, weshalb sie bei mir übernachten würde. Am liebsten würde ich jetzt meine Arme um sie legen, sie nah an mich ziehen und so an sie gekuschelt einschlafen. Allerdings wusste ich ja, wie empfindlich Ava auf Berührungen reagierte und da ich kein Risiko eingehen wollte, drehte ich mich von ihr weg und versuchte einzuschlafen.

Durch einen schrillen Schrei wurde ich aus meinem Schlaf gerissen. "Ist irgendwas?", murmelte ich noch im Halbschlaf und sah Ava an. Als ich diese jedoch kerzengerade im Bett sitzend, mit nassen Wangen und einem panischen Blick vorfand, war ich sofort hellwach. "Was ist los? Ist etwas passiert?", besorgt musterte ich sie, doch Ava reagierte nicht. Sie schien mit ihren Gedanken ganz woanderst zu sein. Erst als ich vorsichtig meine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen und sah mich dann an. Sie zitterte und weinte noch immer, doch immerhin nahm sie mich jetzt wahr. "Willst du darüber reden?" Sie zögerte lange. "Du musst natürlich nicht. Wenn du noch nicht soweit bist, dann werde ich warten. Aber ich bin immer für dich da und werde dir zuhören, wenn du reden willst." "Ich... ich will es dir erzählen.", begann Ava mit brüchiger Stimme und sah mich dabei nicht an. "Aber unterbrich mich bitte nicht. Es fällt mir so schon schwer darüber zu reden." Aufmerksam beobachtete ich sie dabei, wie sie auf ihre Lippe biss und sich nochmal sammelte, bevor sie leise und stockend anfing. Es musste etwas wirklich schlimmes gewesen sein. "Es fing alles an als ich sechs war. Meine Mum ist von einem Tag auf den anderen verschwunden und hat mich bei meinem Dad zurückgelassen. Er war ein toller Vater, doch er hat es nicht verkraftet, dass seine Frau ihn verlassen hat. Er fing an zu trinken, doch schon nach kurzer Zeit hörte er damit auf und fing an Drogen zunehmen. Er wurde abhängig und die Drogen veränderten ihn. Er entwickelte eine ungeheure Wut auf mich, machte mich dafür verantwortlich, dass Mum verschwunden ist und dann fing er an mich dafür zu bestrafen." An dieser Stelle musste Ava eine Pause machen. Ich ahnte langsam worauf das Ganze hinaus laufen würde, doch ich wollte es nicht wahrhaben. Hoffentlich irrte ich mich.

"Ungefähr ein halbes Jahr nach Mums Verschwinden schlug mein Vater mich dann das erste Mal. Es war damals bloß eine Ohrfeige, aber es wurde von mal zu mal schlimmer. Er verprügelte mich bis ich ohnmächtig wurde, peitschte mich mit seinem Gürtel aus oder warf mit unterschiedlichen Sachen nach mir. Er gab mir auch kaum etwas zu essen. Das Schlimmste war aber, dass er mich... dass er mich ver... verge... vergewaltigt hat." Nach diesem Satz brach ihre Stimme ab und sie fing an zu weinen, während ich sie zuerst nur schockiert ansehen konnte. Wie konnte ein Vater seiner Tochter bloß soetwas antun? Warum musste ausgerechnet ihr sowas passieren? Sie jetzt weinend und so verletzt vor mir sitzend zu sehen tat mir selbst weh. Ich rutschte näher an Ava ran und umarmte sie. Wollte ihr zeigen, dass das alles jetzt vorbei war und ich sie beschützen würde. Am Anfang versteifte sie sich, doch nachdem ich ihr ein paar beruhigende Worte zugeflüstert hatte, entspannte sie sich wieder, lehnte sich sogar an mich und vergrub ihren Kopf an meiner Brust. So blieben wir sitzen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. "Hast du vorhin von deinem Vater geträumt?" "Ja. Es kommen öfters Erinnerungen von damals hoch, wenn ich schlafe oder ähnliche Sachen wie früher passieren.", gestand sie mir. Ein paar Minuten herrschte Stille, in welcher ich versuchte das, was ich gerade erfahren hatte zu verarbeiten.

"Wenn du jetzt nichts mehr mit mir zutun haben willst, dann kann ich das verstehen.", flüsterte Ava dann plötzlich. Erschrocken schob ich sie ein kleines Stück von mir weg, damit ich sie anschauen konnte. "Warum sollte ich denn nichts mehr mit dir zu tun haben wollen?" "Weil du jetzt weißt wie schwach und dumm und..." An dieser Stelle unterbrach ich sie, da ich mir nicht mehr länger anhören konnte, wie sie von sich sprach. "Aber du bist doch nicht schwach. Ganz im Gegenteil. Du bist ein unheimlich starkes Mädchen. Du hast all die Schläge und Strafen der letzten Jahre überstanden, auch wenn es alles andere als leicht war." "Aber nicht ohne Schäden." "Na und? Keiner schafft soetwas ohne Narben davon zu tragen. Aber die zeigen doch nur, dass du eine Kämpferin bist. Trotz all deiner Ängste sitzt du jetzt hier bei mir und ich kann dich umarmen. Du bist ein wundervolles starkes Mädchen Ava und ich bin stolz darauf dich meine Freundin nennen zu dürfen."

Frohe Weihnachten

Eure Lili

Ava - My life with fearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt